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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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XV. Pantheismus und Monismus.
Carus hat ihn in seinem berühmten Lehrgedichte "De rerum
natura"
in hochpoetischer Form dargestellt. Allein dieser natur-
wahre pantheistische Monismus wurde bald ganz zurückgedrängt
durch den mystischen Dualismus von Plato und besonders
durch den gewaltigen Einfluß, den seine idealistische Philosophie
durch die Verschmelzung mit den christlichen Glaubenslehren
gewann. Als sodann deren mächtigster Anwalt, der römische
Papst, die geistige Weltherrschaft gewann, wurde der Pantheis-
mus gewaltsam unterdrückt; Giordano Bruno, sein geist-
vollster Vertreter, wurde am 17. Februar 1600 auf dem Campo
Fiori in Rom von dem "Stellvertreter Gottes" lebendig verbrannt.

Erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde
durch den großen Baruch Spinoza das System des Pan-
theismus in reinster Form ausgebildet; er stellte für die Ge-
sammtheit der Dinge den reinen Substanz-Begriff auf, in
welchem "Gott und Welt" untrennbar vereinigt sind. Wir müssen
die Klarheit, Sicherheit und Folgerichtigkeit des monistischen
Systems von Spinoza heute um so mehr bewundern, als diesem
gewaltigen Denker vor 250 Jahren noch alle die sicheren em-
pirischen Fundamente fehlten, die wir erst in der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts gewonnen haben. Das Verhältniß von
Spinoza zum späteren Materialismus im 18. und zu
unserem heutigen Monismus im 19. Jahrhundert haben wir
bereits im ersten Kapitel besprochen. Zur weiteren Verbreitung
desselben, besonders im deutschen Geistesleben, haben vor Allem
die unsterblichen Werke unseres größten Dichters und Denkers
beigetragen, Wolfgang Goethe. Seine herrlichen Dichtungen
"Gott und Welt", "Prometheus", "Faust" etc. hüllen die Grund-
gedanken des Pantheismus in die vollkommenste dichterische Form.

Atheismus ("die entgötterte Weltanschauung"). Es giebt
keinen Gott
und keine Götter, falls man unter diesem Begriff
persönliche, außerhalb der Natur stehende Wesen versteht. Diese

XV. Pantheismus und Monismus.
Carus hat ihn in ſeinem berühmten Lehrgedichte „De rerum
natura“
in hochpoetiſcher Form dargeſtellt. Allein dieſer natur-
wahre pantheiſtiſche Monismus wurde bald ganz zurückgedrängt
durch den myſtiſchen Dualismus von Plato und beſonders
durch den gewaltigen Einfluß, den ſeine idealiſtiſche Philoſophie
durch die Verſchmelzung mit den chriſtlichen Glaubenslehren
gewann. Als ſodann deren mächtigſter Anwalt, der römiſche
Papſt, die geiſtige Weltherrſchaft gewann, wurde der Pantheis-
mus gewaltſam unterdrückt; Giordano Bruno, ſein geiſt-
vollſter Vertreter, wurde am 17. Februar 1600 auf dem Campo
Fiori in Rom von dem „Stellvertreter Gottes“ lebendig verbrannt.

Erſt in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde
durch den großen Baruch Spinoza das Syſtem des Pan-
theismus in reinſter Form ausgebildet; er ſtellte für die Ge-
ſammtheit der Dinge den reinen Subſtanz-Begriff auf, in
welchem „Gott und Welt“ untrennbar vereinigt ſind. Wir müſſen
die Klarheit, Sicherheit und Folgerichtigkeit des moniſtiſchen
Syſtems von Spinoza heute um ſo mehr bewundern, als dieſem
gewaltigen Denker vor 250 Jahren noch alle die ſicheren em-
piriſchen Fundamente fehlten, die wir erſt in der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts gewonnen haben. Das Verhältniß von
Spinoza zum ſpäteren Materialismus im 18. und zu
unſerem heutigen Monismus im 19. Jahrhundert haben wir
bereits im erſten Kapitel beſprochen. Zur weiteren Verbreitung
desſelben, beſonders im deutſchen Geiſtesleben, haben vor Allem
die unſterblichen Werke unſeres größten Dichters und Denkers
beigetragen, Wolfgang Goethe. Seine herrlichen Dichtungen
„Gott und Welt“, „Prometheus“, „Fauſt“ ꝛc. hüllen die Grund-
gedanken des Pantheismus in die vollkommenſte dichteriſche Form.

Atheismus („die entgötterte Weltanſchauung“). Es giebt
keinen Gott
und keine Götter, falls man unter dieſem Begriff
perſönliche, außerhalb der Natur ſtehende Weſen verſteht. Dieſe

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[335/0351] XV. Pantheismus und Monismus. Carus hat ihn in ſeinem berühmten Lehrgedichte „De rerum natura“ in hochpoetiſcher Form dargeſtellt. Allein dieſer natur- wahre pantheiſtiſche Monismus wurde bald ganz zurückgedrängt durch den myſtiſchen Dualismus von Plato und beſonders durch den gewaltigen Einfluß, den ſeine idealiſtiſche Philoſophie durch die Verſchmelzung mit den chriſtlichen Glaubenslehren gewann. Als ſodann deren mächtigſter Anwalt, der römiſche Papſt, die geiſtige Weltherrſchaft gewann, wurde der Pantheis- mus gewaltſam unterdrückt; Giordano Bruno, ſein geiſt- vollſter Vertreter, wurde am 17. Februar 1600 auf dem Campo Fiori in Rom von dem „Stellvertreter Gottes“ lebendig verbrannt. Erſt in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde durch den großen Baruch Spinoza das Syſtem des Pan- theismus in reinſter Form ausgebildet; er ſtellte für die Ge- ſammtheit der Dinge den reinen Subſtanz-Begriff auf, in welchem „Gott und Welt“ untrennbar vereinigt ſind. Wir müſſen die Klarheit, Sicherheit und Folgerichtigkeit des moniſtiſchen Syſtems von Spinoza heute um ſo mehr bewundern, als dieſem gewaltigen Denker vor 250 Jahren noch alle die ſicheren em- piriſchen Fundamente fehlten, die wir erſt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gewonnen haben. Das Verhältniß von Spinoza zum ſpäteren Materialismus im 18. und zu unſerem heutigen Monismus im 19. Jahrhundert haben wir bereits im erſten Kapitel beſprochen. Zur weiteren Verbreitung desſelben, beſonders im deutſchen Geiſtesleben, haben vor Allem die unſterblichen Werke unſeres größten Dichters und Denkers beigetragen, Wolfgang Goethe. Seine herrlichen Dichtungen „Gott und Welt“, „Prometheus“, „Fauſt“ ꝛc. hüllen die Grund- gedanken des Pantheismus in die vollkommenſte dichteriſche Form. Atheismus („die entgötterte Weltanſchauung“). Es giebt keinen Gott und keine Götter, falls man unter dieſem Begriff perſönliche, außerhalb der Natur ſtehende Weſen verſteht. Dieſe

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/351>, abgerufen am 25.11.2024.