letzteren nicht. In der Hauptsache handelt es sich auch hier wieder um den uralten Gegensatz der mechanischen und teleologischen Weltanschauung. Bevor wir auf denselben eingehen, wollen wir kurz auf zwei andere Theorien hinweisen, welche nach meiner Ueberzeugung für die Entscheidung dieser wichtigen Probleme sehr werthvoll sind, die Kohlenstoff-Theorie und die Urzeugungs-Lehre.
Kohlenstoff-Theorie (Karbogen-Theorie). Die physio- logische Chemie hat im Laufe der letzten vierzig Jahre durch unzählige Analysen folgende fünf Thatsachen festgestellt: I. In den organischen Naturkörpern kommen keine anderen Elemente vor als in den anorganischen; II. Diejenigen Verbindungen der Elemente, welche den Organismen eigenthümlich sind, und welche ihre "Lebenserscheinungen" bewirken, sind zusammengesetzte Plasma-Körper, aus der Gruppe der Albuminate oder Eiweiß- Verbindungen. III. Das organische Leben selbst ist ein chemisch- physikalischer Proceß, der auf dem Stoffwechsel dieser plasmatischen Albuminate beruht. IV. Dasjenige Element, welches allein im Stande ist, diese zusammengesetzten Eiweißkörper in Verbindung mit anderen Elementen (Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Schwefel) aufzubauen, ist der Kohlenstoff. V. Diese plasmatischen Kohlenstoff-Verbindungen zeichnen sich vor den meisten andern chemischen Verbindungen durch ihre sehr komplicirte Molekular- Struktur aus, durch ihre Unbeständigkeit und ihren gequollenen Aggregat-Zustand. Auf Grund dieser fünf fundamentalen That- sachen stellte ich vor 33 Jahren folgende Karbogen-Theorie auf: "Lediglich die eigenthümlichen, chemisch-physikalischen Eigen- schaften des Kohlenstoffs -- und namentlich der festflüssige Aggregatzustand und die leichte Zersetzbarkeit der höchst zusammen- gesetzten eiweißartigen Kohlenstoff-Verbindungen -- sind die mecha- nischen Ursachen jener eigenthümlichen Bewegungs-Erscheinungen, durch welche sich die Organismen von den Anorganen unter-
XIV. Kohlenſtoff-Theorie.
letzteren nicht. In der Hauptſache handelt es ſich auch hier wieder um den uralten Gegenſatz der mechaniſchen und teleologiſchen Weltanſchauung. Bevor wir auf denſelben eingehen, wollen wir kurz auf zwei andere Theorien hinweiſen, welche nach meiner Ueberzeugung für die Entſcheidung dieſer wichtigen Probleme ſehr werthvoll ſind, die Kohlenſtoff-Theorie und die Urzeugungs-Lehre.
Kohlenſtoff-Theorie (Karbogen-Theorie). Die phyſio- logiſche Chemie hat im Laufe der letzten vierzig Jahre durch unzählige Analyſen folgende fünf Thatſachen feſtgeſtellt: I. In den organiſchen Naturkörpern kommen keine anderen Elemente vor als in den anorganiſchen; II. Diejenigen Verbindungen der Elemente, welche den Organismen eigenthümlich ſind, und welche ihre „Lebenserſcheinungen“ bewirken, ſind zuſammengeſetzte Plasma-Körper, aus der Gruppe der Albuminate oder Eiweiß- Verbindungen. III. Das organiſche Leben ſelbſt iſt ein chemiſch- phyſikaliſcher Proceß, der auf dem Stoffwechſel dieſer plasmatiſchen Albuminate beruht. IV. Dasjenige Element, welches allein im Stande iſt, dieſe zuſammengeſetzten Eiweißkörper in Verbindung mit anderen Elementen (Sauerſtoff, Waſſerſtoff, Stickſtoff, Schwefel) aufzubauen, iſt der Kohlenſtoff. V. Dieſe plasmatiſchen Kohlenſtoff-Verbindungen zeichnen ſich vor den meiſten andern chemiſchen Verbindungen durch ihre ſehr komplicirte Molekular- Struktur aus, durch ihre Unbeſtändigkeit und ihren gequollenen Aggregat-Zuſtand. Auf Grund dieſer fünf fundamentalen That- ſachen ſtellte ich vor 33 Jahren folgende Karbogen-Theorie auf: „Lediglich die eigenthümlichen, chemiſch-phyſikaliſchen Eigen- ſchaften des Kohlenſtoffs — und namentlich der feſtflüſſige Aggregatzuſtand und die leichte Zerſetzbarkeit der höchſt zuſammen- geſetzten eiweißartigen Kohlenſtoff-Verbindungen — ſind die mecha- niſchen Urſachen jener eigenthümlichen Bewegungs-Erſcheinungen, durch welche ſich die Organismen von den Anorganen unter-
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XIV. Kohlenſtoff-Theorie.
letzteren nicht. In der Hauptſache handelt es ſich auch hier
wieder um den uralten Gegenſatz der mechaniſchen und
teleologiſchen Weltanſchauung. Bevor wir auf denſelben
eingehen, wollen wir kurz auf zwei andere Theorien hinweiſen,
welche nach meiner Ueberzeugung für die Entſcheidung dieſer
wichtigen Probleme ſehr werthvoll ſind, die Kohlenſtoff-Theorie
und die Urzeugungs-Lehre.
Kohlenſtoff-Theorie (Karbogen-Theorie). Die phyſio-
logiſche Chemie hat im Laufe der letzten vierzig Jahre durch
unzählige Analyſen folgende fünf Thatſachen feſtgeſtellt: I. In
den organiſchen Naturkörpern kommen keine anderen Elemente
vor als in den anorganiſchen; II. Diejenigen Verbindungen
der Elemente, welche den Organismen eigenthümlich ſind, und
welche ihre „Lebenserſcheinungen“ bewirken, ſind zuſammengeſetzte
Plasma-Körper, aus der Gruppe der Albuminate oder Eiweiß-
Verbindungen. III. Das organiſche Leben ſelbſt iſt ein chemiſch-
phyſikaliſcher Proceß, der auf dem Stoffwechſel dieſer plasmatiſchen
Albuminate beruht. IV. Dasjenige Element, welches allein im
Stande iſt, dieſe zuſammengeſetzten Eiweißkörper in Verbindung
mit anderen Elementen (Sauerſtoff, Waſſerſtoff, Stickſtoff,
Schwefel) aufzubauen, iſt der Kohlenſtoff. V. Dieſe plasmatiſchen
Kohlenſtoff-Verbindungen zeichnen ſich vor den meiſten andern
chemiſchen Verbindungen durch ihre ſehr komplicirte Molekular-
Struktur aus, durch ihre Unbeſtändigkeit und ihren gequollenen
Aggregat-Zuſtand. Auf Grund dieſer fünf fundamentalen That-
ſachen ſtellte ich vor 33 Jahren folgende Karbogen-Theorie
auf: „Lediglich die eigenthümlichen, chemiſch-phyſikaliſchen Eigen-
ſchaften des Kohlenſtoffs — und namentlich der feſtflüſſige
Aggregatzuſtand und die leichte Zerſetzbarkeit der höchſt zuſammen-
geſetzten eiweißartigen Kohlenſtoff-Verbindungen — ſind die mecha-
niſchen Urſachen jener eigenthümlichen Bewegungs-Erſcheinungen,
durch welche ſich die Organismen von den Anorganen unter-
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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/313>, abgerufen am 22.11.2024.
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