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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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Entropie des Weltalls. XIII.
in Wärme verwandelte und in kälteren Körpern angesammelte
Energie ist für weitere Arbeitsleistung unwiederbringlich verloren.
Diesen unverbrauchten Energie-Theil, der nicht mehr in mecha-
nische Arbeit umgesetzt werden kann, nennt Clausius Entropie
(d. h. die nach innen gewendete Kraft); er wächst beständig auf
Kosten des ersten Theils. Da nun tagtäglich immer mehr mecha-
nische Energie des Weltalls in Wärme übergeht und diese nicht
in die erstere zurückverwandelt werden kann, muß die gesammte
(unendliche!) Quantität der Wärme und Energie immer mehr
zerstreut und herabgesetzt werden. Alle Temperatur-Unterschiede
müßten zuletzt verschwinden und die völlig gebundene Wärme
gleichmäßig in einem einzigen trägen Klumpen von starrer Materie
verbreitet sein; alles organische Leben und alle organische Be-
wegung würde aufgehört haben, wenn dieses Maximum der
Entropie
erreicht wäre; das wahre "Ende der Welt" wäre da.

Wenn diese Lehre von der Entropie richtig wäre, so müßte
dem angenommenen "Ende der Welt" auch ein ursprünglicher
"Anfang" derselben entsprechen, ein Minimum der En-
tropie
, in welchem die Temperatur-Differenzen der gesonderten
Welttheile die größten waren. Beide Vorstellungen sind nach
unserer monistischen und streng konsequenten Auffassung des
ewigen kosmogenetischen Processes gleich unhaltbar; beide wider-
sprechen dem Substanz-Gesetz. Es giebt einen Anfang der Welt
ebenso wenig als ein Ende derselben. Wie das Universum un-
endlich ist, so bleibt es auch ewig in Bewegung; ununterbrochen
findet eine Verwandlung der lebendigen Kraft in Spannkraft
statt und umgekehrt; und die Summe dieser aktuellen und poten-
tiellen Energie bleibt immer dieselbe. Der zweite Hauptsatz der
mechanischen Wärme-Theorie widerspricht dem ersten und muß
aufgegeben werden.

Die Vertheidiger der Entropie behaupten dieselbe dagegen
mit Recht, sobald sie nur einzelne Processe ins Auge fassen,

Entropie des Weltalls. XIII.
in Wärme verwandelte und in kälteren Körpern angeſammelte
Energie iſt für weitere Arbeitsleiſtung unwiederbringlich verloren.
Dieſen unverbrauchten Energie-Theil, der nicht mehr in mecha-
niſche Arbeit umgeſetzt werden kann, nennt Clauſius Entropie
(d. h. die nach innen gewendete Kraft); er wächſt beſtändig auf
Koſten des erſten Theils. Da nun tagtäglich immer mehr mecha-
niſche Energie des Weltalls in Wärme übergeht und dieſe nicht
in die erſtere zurückverwandelt werden kann, muß die geſammte
(unendliche!) Quantität der Wärme und Energie immer mehr
zerſtreut und herabgeſetzt werden. Alle Temperatur-Unterſchiede
müßten zuletzt verſchwinden und die völlig gebundene Wärme
gleichmäßig in einem einzigen trägen Klumpen von ſtarrer Materie
verbreitet ſein; alles organiſche Leben und alle organiſche Be-
wegung würde aufgehört haben, wenn dieſes Maximum der
Entropie
erreicht wäre; das wahre „Ende der Welt“ wäre da.

Wenn dieſe Lehre von der Entropie richtig wäre, ſo müßte
dem angenommenen „Ende der Welt“ auch ein urſprünglicher
Anfang“ derſelben entſprechen, ein Minimum der En-
tropie
, in welchem die Temperatur-Differenzen der geſonderten
Welttheile die größten waren. Beide Vorſtellungen ſind nach
unſerer moniſtiſchen und ſtreng konſequenten Auffaſſung des
ewigen kosmogenetiſchen Proceſſes gleich unhaltbar; beide wider-
ſprechen dem Subſtanz-Geſetz. Es giebt einen Anfang der Welt
ebenſo wenig als ein Ende derſelben. Wie das Univerſum un-
endlich iſt, ſo bleibt es auch ewig in Bewegung; ununterbrochen
findet eine Verwandlung der lebendigen Kraft in Spannkraft
ſtatt und umgekehrt; und die Summe dieſer aktuellen und poten-
tiellen Energie bleibt immer dieſelbe. Der zweite Hauptſatz der
mechaniſchen Wärme-Theorie widerſpricht dem erſten und muß
aufgegeben werden.

Die Vertheidiger der Entropie behaupten dieſelbe dagegen
mit Recht, ſobald ſie nur einzelne Proceſſe ins Auge faſſen,

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[286/0302] Entropie des Weltalls. XIII. in Wärme verwandelte und in kälteren Körpern angeſammelte Energie iſt für weitere Arbeitsleiſtung unwiederbringlich verloren. Dieſen unverbrauchten Energie-Theil, der nicht mehr in mecha- niſche Arbeit umgeſetzt werden kann, nennt Clauſius Entropie (d. h. die nach innen gewendete Kraft); er wächſt beſtändig auf Koſten des erſten Theils. Da nun tagtäglich immer mehr mecha- niſche Energie des Weltalls in Wärme übergeht und dieſe nicht in die erſtere zurückverwandelt werden kann, muß die geſammte (unendliche!) Quantität der Wärme und Energie immer mehr zerſtreut und herabgeſetzt werden. Alle Temperatur-Unterſchiede müßten zuletzt verſchwinden und die völlig gebundene Wärme gleichmäßig in einem einzigen trägen Klumpen von ſtarrer Materie verbreitet ſein; alles organiſche Leben und alle organiſche Be- wegung würde aufgehört haben, wenn dieſes Maximum der Entropie erreicht wäre; das wahre „Ende der Welt“ wäre da. Wenn dieſe Lehre von der Entropie richtig wäre, ſo müßte dem angenommenen „Ende der Welt“ auch ein urſprünglicher „Anfang“ derſelben entſprechen, ein Minimum der En- tropie, in welchem die Temperatur-Differenzen der geſonderten Welttheile die größten waren. Beide Vorſtellungen ſind nach unſerer moniſtiſchen und ſtreng konſequenten Auffaſſung des ewigen kosmogenetiſchen Proceſſes gleich unhaltbar; beide wider- ſprechen dem Subſtanz-Geſetz. Es giebt einen Anfang der Welt ebenſo wenig als ein Ende derſelben. Wie das Univerſum un- endlich iſt, ſo bleibt es auch ewig in Bewegung; ununterbrochen findet eine Verwandlung der lebendigen Kraft in Spannkraft ſtatt und umgekehrt; und die Summe dieſer aktuellen und poten- tiellen Energie bleibt immer dieſelbe. Der zweite Hauptſatz der mechaniſchen Wärme-Theorie widerſpricht dem erſten und muß aufgegeben werden. Die Vertheidiger der Entropie behaupten dieſelbe dagegen mit Recht, ſobald ſie nur einzelne Proceſſe ins Auge faſſen,

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/302>, abgerufen am 22.11.2024.