Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

Bild:
<< vorherige Seite

XIII. Universum perpetuum mobile.
ewiger Bewegung begriffen ist. Die unendliche Materie, welche
objektiv denselben erfüllt, nennen wir in unserer subjektiven Vor-
stellung "Raum"; die ewige Bewegung derselben, die objektiv
eine periodische, in sich selbst zurückkehrende Entwickelung dar-
stellt, nennen wir subjektiv "Zeit". Diese beiden "Formen der
Anschauung" überzeugen uns von der Unendlichkeit und Ewigkeit
des Weltalls. Damit ist aber zugleich gesagt, daß das ganze
Universum selbst ein allumfassendes Perpetuum mobile ist.
Diese unendliche und ewige "Maschine des Weltalls" erhält sich
selbst in ewiger und ununterbrochener Bewegung, weil jedes
Hinderniß durch ein "Aequivalent der Energie" ausgeglichen
wird, weil die unendlich große Summe der aktuellen und
potentiellen Energie ewig dieselbe bleibt. Das Gesetz von der
Erhaltung der Kraft beweist also, daß die Vorstellung des
Perpetuum mobile für den ganzen Kosmos ebenso wahr und
fundamental bedeutend ist, wie sie für die isolirte Aktion eines
Theiles desselben unmöglich ist. Dadurch wird auch die Lehre
von der Entropie widerlegt.

Entropie des Weltalls. Der scharfsinnige Begründer der
mechanischen Wärmetheorie (1850), Clausius, faßte
den wichtigsten Inhalt dieser bedeutungsvollen Lehre in zwei
Hauptsätzen zusammen. Der erste Hauptsatz lautet: "Die
Energie des Weltalls ist konstant
"; er bildet die
eine Hälfte unseres Substanz-Gesetzes, das "Energie-Princip"
(S. 265). Der zweite Hauptsatz behauptet: "Die Energie
des Weltalls strebt einem Maximum zu
"; dieser
zweite Hauptsatz ist nach unserer Ansicht ebenso irrig, wie der
erste richtig ist. Nach der Ansicht von Clausius zerfällt die
Gesammt-Energie des Weltalls in zwei Theile, von denen der
eine (als Wärme von höherer Temperatur, als mechanische,
elektrische, chemische Energie u. s. w.) noch theilweise in Arbeit
umsetzbar ist, der andere dagegen nicht; diese letztere, die bereits

XIII. Univerſum perpetuum mobile.
ewiger Bewegung begriffen iſt. Die unendliche Materie, welche
objektiv denſelben erfüllt, nennen wir in unſerer ſubjektiven Vor-
ſtellung „Raum“; die ewige Bewegung derſelben, die objektiv
eine periodiſche, in ſich ſelbſt zurückkehrende Entwickelung dar-
ſtellt, nennen wir ſubjektiv „Zeit“. Dieſe beiden „Formen der
Anſchauung“ überzeugen uns von der Unendlichkeit und Ewigkeit
des Weltalls. Damit iſt aber zugleich geſagt, daß das ganze
Univerſum ſelbſt ein allumfaſſendes Perpetuum mobile iſt.
Dieſe unendliche und ewige „Maſchine des Weltalls“ erhält ſich
ſelbſt in ewiger und ununterbrochener Bewegung, weil jedes
Hinderniß durch ein „Aequivalent der Energie“ ausgeglichen
wird, weil die unendlich große Summe der aktuellen und
potentiellen Energie ewig dieſelbe bleibt. Das Geſetz von der
Erhaltung der Kraft beweiſt alſo, daß die Vorſtellung des
Perpetuum mobile für den ganzen Kosmos ebenſo wahr und
fundamental bedeutend iſt, wie ſie für die iſolirte Aktion eines
Theiles desſelben unmöglich iſt. Dadurch wird auch die Lehre
von der Entropie widerlegt.

Entropie des Weltalls. Der ſcharfſinnige Begründer der
mechaniſchen Wärmetheorie (1850), Clauſius, faßte
den wichtigſten Inhalt dieſer bedeutungsvollen Lehre in zwei
Hauptſätzen zuſammen. Der erſte Hauptſatz lautet: „Die
Energie des Weltalls iſt konſtant
“; er bildet die
eine Hälfte unſeres Subſtanz-Geſetzes, das „Energie-Princip“
(S. 265). Der zweite Hauptſatz behauptet: „Die Energie
des Weltalls ſtrebt einem Maximum zu
“; dieſer
zweite Hauptſatz iſt nach unſerer Anſicht ebenſo irrig, wie der
erſte richtig iſt. Nach der Anſicht von Clauſius zerfällt die
Geſammt-Energie des Weltalls in zwei Theile, von denen der
eine (als Wärme von höherer Temperatur, als mechaniſche,
elektriſche, chemiſche Energie u. ſ. w.) noch theilweiſe in Arbeit
umſetzbar iſt, der andere dagegen nicht; dieſe letztere, die bereits

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0301" n="285"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">XIII. Univer&#x017F;um perpetuum mobile.</hi></fw><lb/>
ewiger Bewegung begriffen i&#x017F;t. Die unendliche Materie, welche<lb/>
objektiv den&#x017F;elben erfüllt, nennen wir in un&#x017F;erer &#x017F;ubjektiven Vor-<lb/>
&#x017F;tellung &#x201E;<hi rendition="#g">Raum</hi>&#x201C;; die ewige Bewegung der&#x017F;elben, die objektiv<lb/>
eine periodi&#x017F;che, in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zurückkehrende Entwickelung dar-<lb/>
&#x017F;tellt, nennen wir &#x017F;ubjektiv &#x201E;<hi rendition="#g">Zeit</hi>&#x201C;. Die&#x017F;e beiden &#x201E;Formen der<lb/>
An&#x017F;chauung&#x201C; überzeugen uns von der Unendlichkeit und Ewigkeit<lb/>
des Weltalls. Damit i&#x017F;t aber zugleich ge&#x017F;agt, daß das ganze<lb/><hi rendition="#g">Univer&#x017F;um</hi> &#x017F;elb&#x017F;t ein allumfa&#x017F;&#x017F;endes <hi rendition="#aq">Perpetuum mobile</hi> i&#x017F;t.<lb/>
Die&#x017F;e unendliche und ewige &#x201E;Ma&#x017F;chine des     Weltalls&#x201C; erhält &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t in ewiger und ununterbrochener Bewegung, weil jedes<lb/>
Hinderniß durch ein &#x201E;Aequivalent der Energie&#x201C; ausgeglichen<lb/>
wird, weil die unendlich große <hi rendition="#g">Summe</hi> der aktuellen und<lb/>
potentiellen Energie ewig die&#x017F;elbe bleibt. Das Ge&#x017F;etz von der<lb/>
Erhaltung der Kraft bewei&#x017F;t al&#x017F;o, daß die Vor&#x017F;tellung des<lb/><hi rendition="#aq">Perpetuum mobile</hi> für den <hi rendition="#g">ganzen</hi> Kosmos eben&#x017F;o wahr und<lb/>
fundamental bedeutend i&#x017F;t, wie &#x017F;ie für die i&#x017F;olirte Aktion eines<lb/><hi rendition="#g">Theiles</hi> des&#x017F;elben unmöglich i&#x017F;t. Dadurch wird auch die Lehre<lb/>
von der <hi rendition="#g">Entropie</hi> widerlegt.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#b">Entropie des Weltalls.</hi> Der &#x017F;charf&#x017F;innige Begründer der<lb/><hi rendition="#g">mechani&#x017F;chen Wärmetheorie</hi> (1850), <hi rendition="#g">Clau&#x017F;ius</hi>, faßte<lb/>
den wichtig&#x017F;ten Inhalt die&#x017F;er bedeutungsvollen Lehre in zwei<lb/>
Haupt&#x017F;ätzen zu&#x017F;ammen. Der er&#x017F;te Haupt&#x017F;atz lautet: &#x201E;<hi rendition="#g">Die<lb/>
Energie des Weltalls i&#x017F;t kon&#x017F;tant</hi>&#x201C;; er bildet die<lb/>
eine Hälfte un&#x017F;eres Sub&#x017F;tanz-Ge&#x017F;etzes, das &#x201E;Energie-Princip&#x201C;<lb/>
(S. 265). Der zweite Haupt&#x017F;atz behauptet: &#x201E;<hi rendition="#g">Die Energie<lb/>
des Weltalls &#x017F;trebt einem Maximum zu</hi>&#x201C;; die&#x017F;er<lb/>
zweite Haupt&#x017F;atz i&#x017F;t nach un&#x017F;erer An&#x017F;icht eben&#x017F;o irrig, wie der<lb/>
er&#x017F;te richtig i&#x017F;t. Nach der An&#x017F;icht von <hi rendition="#g">Clau&#x017F;ius</hi> zerfällt die<lb/>
Ge&#x017F;ammt-Energie des Weltalls in zwei Theile, von denen der<lb/>
eine (als Wärme von höherer Temperatur, als mechani&#x017F;che,<lb/>
elektri&#x017F;che, chemi&#x017F;che Energie u. &#x017F;. w.) noch theilwei&#x017F;e in Arbeit<lb/>
um&#x017F;etzbar i&#x017F;t, der andere dagegen nicht; die&#x017F;e letztere, die bereits<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[285/0301] XIII. Univerſum perpetuum mobile. ewiger Bewegung begriffen iſt. Die unendliche Materie, welche objektiv denſelben erfüllt, nennen wir in unſerer ſubjektiven Vor- ſtellung „Raum“; die ewige Bewegung derſelben, die objektiv eine periodiſche, in ſich ſelbſt zurückkehrende Entwickelung dar- ſtellt, nennen wir ſubjektiv „Zeit“. Dieſe beiden „Formen der Anſchauung“ überzeugen uns von der Unendlichkeit und Ewigkeit des Weltalls. Damit iſt aber zugleich geſagt, daß das ganze Univerſum ſelbſt ein allumfaſſendes Perpetuum mobile iſt. Dieſe unendliche und ewige „Maſchine des Weltalls“ erhält ſich ſelbſt in ewiger und ununterbrochener Bewegung, weil jedes Hinderniß durch ein „Aequivalent der Energie“ ausgeglichen wird, weil die unendlich große Summe der aktuellen und potentiellen Energie ewig dieſelbe bleibt. Das Geſetz von der Erhaltung der Kraft beweiſt alſo, daß die Vorſtellung des Perpetuum mobile für den ganzen Kosmos ebenſo wahr und fundamental bedeutend iſt, wie ſie für die iſolirte Aktion eines Theiles desſelben unmöglich iſt. Dadurch wird auch die Lehre von der Entropie widerlegt. Entropie des Weltalls. Der ſcharfſinnige Begründer der mechaniſchen Wärmetheorie (1850), Clauſius, faßte den wichtigſten Inhalt dieſer bedeutungsvollen Lehre in zwei Hauptſätzen zuſammen. Der erſte Hauptſatz lautet: „Die Energie des Weltalls iſt konſtant“; er bildet die eine Hälfte unſeres Subſtanz-Geſetzes, das „Energie-Princip“ (S. 265). Der zweite Hauptſatz behauptet: „Die Energie des Weltalls ſtrebt einem Maximum zu“; dieſer zweite Hauptſatz iſt nach unſerer Anſicht ebenſo irrig, wie der erſte richtig iſt. Nach der Anſicht von Clauſius zerfällt die Geſammt-Energie des Weltalls in zwei Theile, von denen der eine (als Wärme von höherer Temperatur, als mechaniſche, elektriſche, chemiſche Energie u. ſ. w.) noch theilweiſe in Arbeit umſetzbar iſt, der andere dagegen nicht; dieſe letztere, die bereits

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/301
Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/301>, abgerufen am 22.11.2024.