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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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XIII. Schöpfung der Substanz.
ist principiell wichtig; denn es hat viele und angesehene Philo-
sophen gegeben (und es giebt noch heute solche), welche die erstere
annehmen, die letztere dagegen verwerfen.

Schöpfung der Substanz (kosmologischer Kreatis-
mus
). Nach dieser Schöpfungslehre hat "Gott die Welt aus
dem Nichts geschaffen". Man stellt sich vor, daß der "ewige
Gott" (als vernünftiges, aber immaterielles Wesen!) für sich
allein von Ewigkeit her (im Raum) ohne Welt existirte, bis er
dann einmal auf den Gedanken kam, "die Welt zu schaffen".
Die einen Anhänger dieses Glaubens beschränken die Schöpfungs-
thätigkeit Gottes auf's Aeußerste, auf einen einzigen Akt; sie
nehmen an, daß der extramundane Gott (dessen übrige Thätigkeit
räthselhaft bleibt!) in einem Augenblick die Substanz erschaffen,
ihr die Fähigkeit zur weitestgehenden Entwickelung beigelegt und
sich dann nie weiter um sie bekümmert habe. Diese weit verbreitete
Ansicht ist namentlich im englischen Deismus vielfach aus-
gebildet worden; sie nähert sich unserer monistischen Entwickelungs-
lehre bis zur Berührung und giebt sie nur in dem einen Momente
(der Ewigkeit!) preis, in welchem Gott auf den Schöpfungs-
gedanken kam. Andere Anhänger des kosmologischen Kreatismus
nehmen dagegen an, daß "Gott der Herr" die Substanz nicht
bloß einmal erschaffen habe, sondern als bewußter "Erhalter und
Regierer der Welt" in deren Geschichte fortwirke. Viele Varia-
tionen dieses Glaubens nähern sich bald dem Pantheismus,
bald dem konsequenten Theismus. Alle diese und ähnliche
Formen des Schöpfungsglaubens sind unvereinbar mit dem Gesetz
von der Erhaltung der Kraft und des Stoffes; dieses kennt keinen
"Anfang der Welt".

Besonders interessant ist, daß E. Du Bois-Reymond
in seiner letzten Rede (über Neovitalismus, 1894) sich zu
diesem kosmologischen Kreatismus (als Lösung des größten Welt-
räthsels!) bekannt hat; er sagt: "Der göttlichen Allmacht

Haeckel, Welträthsel. 18

XIII. Schöpfung der Subſtanz.
iſt principiell wichtig; denn es hat viele und angeſehene Philo-
ſophen gegeben (und es giebt noch heute ſolche), welche die erſtere
annehmen, die letztere dagegen verwerfen.

Schöpfung der Subſtanz (kosmologiſcher Kreatis-
mus
). Nach dieſer Schöpfungslehre hat „Gott die Welt aus
dem Nichts geſchaffen“. Man ſtellt ſich vor, daß der „ewige
Gott“ (als vernünftiges, aber immaterielles Weſen!) für ſich
allein von Ewigkeit her (im Raum) ohne Welt exiſtirte, bis er
dann einmal auf den Gedanken kam, „die Welt zu ſchaffen“.
Die einen Anhänger dieſes Glaubens beſchränken die Schöpfungs-
thätigkeit Gottes auf's Aeußerſte, auf einen einzigen Akt; ſie
nehmen an, daß der extramundane Gott (deſſen übrige Thätigkeit
räthſelhaft bleibt!) in einem Augenblick die Subſtanz erſchaffen,
ihr die Fähigkeit zur weiteſtgehenden Entwickelung beigelegt und
ſich dann nie weiter um ſie bekümmert habe. Dieſe weit verbreitete
Anſicht iſt namentlich im engliſchen Deismus vielfach aus-
gebildet worden; ſie nähert ſich unſerer moniſtiſchen Entwickelungs-
lehre bis zur Berührung und giebt ſie nur in dem einen Momente
(der Ewigkeit!) preis, in welchem Gott auf den Schöpfungs-
gedanken kam. Andere Anhänger des kosmologiſchen Kreatismus
nehmen dagegen an, daß „Gott der Herr“ die Subſtanz nicht
bloß einmal erſchaffen habe, ſondern als bewußter „Erhalter und
Regierer der Welt“ in deren Geſchichte fortwirke. Viele Varia-
tionen dieſes Glaubens nähern ſich bald dem Pantheismus,
bald dem konſequenten Theismus. Alle dieſe und ähnliche
Formen des Schöpfungsglaubens ſind unvereinbar mit dem Geſetz
von der Erhaltung der Kraft und des Stoffes; dieſes kennt keinen
„Anfang der Welt“.

Beſonders intereſſant iſt, daß E. Du Bois-Reymond
in ſeiner letzten Rede (über Neovitalismus, 1894) ſich zu
dieſem kosmologiſchen Kreatismus (als Löſung des größten Welt-
räthſels!) bekannt hat; er ſagt: „Der göttlichen Allmacht

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[273/0289] XIII. Schöpfung der Subſtanz. iſt principiell wichtig; denn es hat viele und angeſehene Philo- ſophen gegeben (und es giebt noch heute ſolche), welche die erſtere annehmen, die letztere dagegen verwerfen. Schöpfung der Subſtanz (kosmologiſcher Kreatis- mus). Nach dieſer Schöpfungslehre hat „Gott die Welt aus dem Nichts geſchaffen“. Man ſtellt ſich vor, daß der „ewige Gott“ (als vernünftiges, aber immaterielles Weſen!) für ſich allein von Ewigkeit her (im Raum) ohne Welt exiſtirte, bis er dann einmal auf den Gedanken kam, „die Welt zu ſchaffen“. Die einen Anhänger dieſes Glaubens beſchränken die Schöpfungs- thätigkeit Gottes auf's Aeußerſte, auf einen einzigen Akt; ſie nehmen an, daß der extramundane Gott (deſſen übrige Thätigkeit räthſelhaft bleibt!) in einem Augenblick die Subſtanz erſchaffen, ihr die Fähigkeit zur weiteſtgehenden Entwickelung beigelegt und ſich dann nie weiter um ſie bekümmert habe. Dieſe weit verbreitete Anſicht iſt namentlich im engliſchen Deismus vielfach aus- gebildet worden; ſie nähert ſich unſerer moniſtiſchen Entwickelungs- lehre bis zur Berührung und giebt ſie nur in dem einen Momente (der Ewigkeit!) preis, in welchem Gott auf den Schöpfungs- gedanken kam. Andere Anhänger des kosmologiſchen Kreatismus nehmen dagegen an, daß „Gott der Herr“ die Subſtanz nicht bloß einmal erſchaffen habe, ſondern als bewußter „Erhalter und Regierer der Welt“ in deren Geſchichte fortwirke. Viele Varia- tionen dieſes Glaubens nähern ſich bald dem Pantheismus, bald dem konſequenten Theismus. Alle dieſe und ähnliche Formen des Schöpfungsglaubens ſind unvereinbar mit dem Geſetz von der Erhaltung der Kraft und des Stoffes; dieſes kennt keinen „Anfang der Welt“. Beſonders intereſſant iſt, daß E. Du Bois-Reymond in ſeiner letzten Rede (über Neovitalismus, 1894) ſich zu dieſem kosmologiſchen Kreatismus (als Löſung des größten Welt- räthſels!) bekannt hat; er ſagt: „Der göttlichen Allmacht Haeckel, Welträthſel. 18

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/289>, abgerufen am 22.11.2024.