Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

Bild:
<< vorherige Seite

Als das oberste und allumfassende Naturgesetz betrachte ich
das Substanz-Gesetz, das wahre und einzige kosmologische
Grundgesetz;
seine Entdeckung und Feststellung ist die größte
Geistesthat des 19. Jahrhunderts, insofern alle anderen er-
kannten Naturgesetze sich ihm unterordnen. Unter dem Begriffe
"Substanz-Gesetz" fassen wir zwei hochste allgemeine Ge-
setze verschiedenen Ursprungs und Alters zusammen, das ältere
chemische Gesetz von der "Erhaltung des Stoffes" und das
jüngere physikalische Gesetz von der "Erhaltung der Kraft".*)
Daß diese beiden Grundgesetze der exakten Naturwissenschaft im
Wesen unzertrennlich sind, wird vielen Lesern wohl selbstverständlich
erscheinen, und ist von den meisten Naturforschern der Gegen-
wart anerkannt. Indessen wird diese fundamentale Ueberzeugung
doch von anderer Seite noch heute vielfach bestritten und muß
jedenfalls erst bewiesen werden. Wir müssen daher zunächst einen
kurzen Blick auf beide Gesetze gesondert werfen.

Gesetz von der Erhaltung des Stoffes (oder der "Kon-
stanz der Materie" Lavoisier, 1789). Die Summe des
Stoffes, welche den unendlichen Weltraum erfüllt,
ist unveränderlich
. Wenn ein Körper zu verschwinden

*) Ernst Haeckel, 1892, Monismus, Achte Auflage, S. 14, 39.

Als das oberſte und allumfaſſende Naturgeſetz betrachte ich
das Subſtanz-Geſetz, das wahre und einzige kosmologiſche
Grundgeſetz;
ſeine Entdeckung und Feſtſtellung iſt die größte
Geiſtesthat des 19. Jahrhunderts, inſofern alle anderen er-
kannten Naturgeſetze ſich ihm unterordnen. Unter dem Begriffe
Subſtanz-Geſetz“ faſſen wir zwei hochſte allgemeine Ge-
ſetze verſchiedenen Urſprungs und Alters zuſammen, das ältere
chemiſche Geſetz von der „Erhaltung des Stoffes“ und das
jüngere phyſikaliſche Geſetz von der „Erhaltung der Kraft“.*)
Daß dieſe beiden Grundgeſetze der exakten Naturwiſſenſchaft im
Weſen unzertrennlich ſind, wird vielen Leſern wohl ſelbſtverſtändlich
erſcheinen, und iſt von den meiſten Naturforſchern der Gegen-
wart anerkannt. Indeſſen wird dieſe fundamentale Ueberzeugung
doch von anderer Seite noch heute vielfach beſtritten und muß
jedenfalls erſt bewieſen werden. Wir müſſen daher zunächſt einen
kurzen Blick auf beide Geſetze geſondert werfen.

Geſetz von der Erhaltung des Stoffes (oder der „Kon-
ſtanz der Materie“ Lavoiſier, 1789). Die Summe des
Stoffes, welche den unendlichen Weltraum erfüllt,
iſt unveränderlich
. Wenn ein Körper zu verſchwinden

*) Ernſt Haeckel, 1892, Monismus, Achte Auflage, S. 14, 39.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0261" n="[245]"/>
        <div n="2">
          <p><hi rendition="#in">A</hi>ls das ober&#x017F;te und allumfa&#x017F;&#x017F;ende Naturge&#x017F;etz betrachte ich<lb/>
das <hi rendition="#g">Sub&#x017F;tanz-Ge&#x017F;etz,</hi> das wahre und einzige <hi rendition="#g">kosmologi&#x017F;che<lb/>
Grundge&#x017F;etz;</hi> &#x017F;eine Entdeckung und Fe&#x017F;t&#x017F;tellung i&#x017F;t die größte<lb/>
Gei&#x017F;testhat des 19. Jahrhunderts, in&#x017F;ofern alle anderen er-<lb/>
kannten Naturge&#x017F;etze &#x017F;ich ihm unterordnen. Unter dem Begriffe<lb/>
&#x201E;<hi rendition="#g">Sub&#x017F;tanz-Ge&#x017F;etz</hi>&#x201C; fa&#x017F;&#x017F;en wir zwei hoch&#x017F;te allgemeine Ge-<lb/>
&#x017F;etze ver&#x017F;chiedenen Ur&#x017F;prungs und Alters zu&#x017F;ammen, das ältere<lb/><hi rendition="#g">chemi&#x017F;che</hi> Ge&#x017F;etz von der &#x201E;Erhaltung des Stoffes&#x201C; und das<lb/>
jüngere <hi rendition="#g">phy&#x017F;ikali&#x017F;che</hi> Ge&#x017F;etz von der &#x201E;Erhaltung der Kraft&#x201C;.<note place="foot" n="*)"><hi rendition="#g">Ern&#x017F;t Haeckel,</hi> 1892, Monismus, Achte Auflage, S. 14, 39.</note><lb/>
Daß die&#x017F;e beiden Grundge&#x017F;etze der exakten Naturwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft im<lb/>
We&#x017F;en unzertrennlich &#x017F;ind, wird vielen Le&#x017F;ern wohl &#x017F;elb&#x017F;tver&#x017F;tändlich<lb/>
er&#x017F;cheinen, und i&#x017F;t von den mei&#x017F;ten Naturfor&#x017F;chern der Gegen-<lb/>
wart anerkannt. Inde&#x017F;&#x017F;en wird die&#x017F;e fundamentale Ueberzeugung<lb/>
doch von anderer Seite noch heute vielfach be&#x017F;tritten und muß<lb/>
jedenfalls er&#x017F;t bewie&#x017F;en werden. Wir mü&#x017F;&#x017F;en daher zunäch&#x017F;t einen<lb/>
kurzen Blick auf beide Ge&#x017F;etze ge&#x017F;ondert werfen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#b">Ge&#x017F;etz von der Erhaltung des Stoffes</hi> (oder der &#x201E;Kon-<lb/>
&#x017F;tanz der Materie&#x201C; <hi rendition="#g">Lavoi&#x017F;ier,</hi> 1789). <hi rendition="#g">Die Summe des<lb/>
Stoffes, welche den unendlichen Weltraum erfüllt,<lb/>
i&#x017F;t unveränderlich</hi>. Wenn ein Körper zu ver&#x017F;chwinden<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[245]/0261] Als das oberſte und allumfaſſende Naturgeſetz betrachte ich das Subſtanz-Geſetz, das wahre und einzige kosmologiſche Grundgeſetz; ſeine Entdeckung und Feſtſtellung iſt die größte Geiſtesthat des 19. Jahrhunderts, inſofern alle anderen er- kannten Naturgeſetze ſich ihm unterordnen. Unter dem Begriffe „Subſtanz-Geſetz“ faſſen wir zwei hochſte allgemeine Ge- ſetze verſchiedenen Urſprungs und Alters zuſammen, das ältere chemiſche Geſetz von der „Erhaltung des Stoffes“ und das jüngere phyſikaliſche Geſetz von der „Erhaltung der Kraft“. *) Daß dieſe beiden Grundgeſetze der exakten Naturwiſſenſchaft im Weſen unzertrennlich ſind, wird vielen Leſern wohl ſelbſtverſtändlich erſcheinen, und iſt von den meiſten Naturforſchern der Gegen- wart anerkannt. Indeſſen wird dieſe fundamentale Ueberzeugung doch von anderer Seite noch heute vielfach beſtritten und muß jedenfalls erſt bewieſen werden. Wir müſſen daher zunächſt einen kurzen Blick auf beide Geſetze geſondert werfen. Geſetz von der Erhaltung des Stoffes (oder der „Kon- ſtanz der Materie“ Lavoiſier, 1789). Die Summe des Stoffes, welche den unendlichen Weltraum erfüllt, iſt unveränderlich. Wenn ein Körper zu verſchwinden *) Ernſt Haeckel, 1892, Monismus, Achte Auflage, S. 14, 39.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/261
Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. [245]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/261>, abgerufen am 22.12.2024.