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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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Christlicher Materialismus. XI.
Artikel ebenso unannehmbar wie die damit verknüpfte Hypothese
eines "ewigen Lebens".

Das ewige Leben. Die phantastischen Vorstellungen, welche
die christliche Kirche über die ewige Fortdauer der unsterblichen
Seele nach dem Tode des Leibes lehrt, sind ebenso rein mate-
rialistisch wie das damit verknüpfte Dogma von der "Auferstehung
des Fleisches". Sehr richtig bemerkt in dieser Beziehung Savage
in seinem interessanten Werke "Die Religion im Lichte der
Darwin'schen Lehre" (1886): "Eine der stehenden Anklagen der
Kirche gegen die Wissenschaft lautet, daß letztere materialistisch
sei. Ich möchte im Vorbeigehen darauf aufmerksam machen, daß
die ganze kirchliche Vorstellung vom zukünftigen
Leben von jeher und noch jetzt der reinste Mate-
rialismus war und ist
. Der materielle Leib soll auferstehen
und in einem materiellen Himmel wohnen." Um sich hiervon
zu überzeugen, braucht man nur unbefangen eine der unzähligen
Predigten oder auch der phrasenreichen, neuerdings sehr beliebten
Tischreden zu lesen, in denen die Herrlichkeit des ewigen Lebens
als höchstes Gut des Christen und der Glaube daran als Grund-
lage der Sittenlehre gepriesen wird. Da erwarten den frommen
spiritualistischen Gläubigen im "Paradiese" alle Freuden des
hochentwickelten geselligen Kultur-Lebens, während die gottlosen
Materialisten vom "liebenden Vater" durch ewige Höllenqualen
gemartert werden.

Metaphysischer Unsterblichkeits-Glaube. Gegenüber dem
materialistischen Athanismus, welcher in der christlichen und
mohammedanischen Kirche herrschend ist, vertritt scheinbar eine
reinere und höhere Glaubensform der metaphysische Atha-
nismus,
wie ihn die meisten dualistischen und spiritualistischen
Philosophen lehren. Als der bedeutendste Begründer desselben
ist Plato zu betrachten; er lehrte schon im vierten Jahrhundert
vor Christus jenen vollkommenen Dualismus zwischen Leib und

Chriſtlicher Materialismus. XI.
Artikel ebenſo unannehmbar wie die damit verknüpfte Hypotheſe
eines „ewigen Lebens“.

Das ewige Leben. Die phantaſtiſchen Vorſtellungen, welche
die chriſtliche Kirche über die ewige Fortdauer der unſterblichen
Seele nach dem Tode des Leibes lehrt, ſind ebenſo rein mate-
rialiſtiſch wie das damit verknüpfte Dogma von der „Auferſtehung
des Fleiſches“. Sehr richtig bemerkt in dieſer Beziehung Savage
in ſeinem intereſſanten Werke „Die Religion im Lichte der
Darwin'ſchen Lehre“ (1886): „Eine der ſtehenden Anklagen der
Kirche gegen die Wiſſenſchaft lautet, daß letztere materialiſtiſch
ſei. Ich möchte im Vorbeigehen darauf aufmerkſam machen, daß
die ganze kirchliche Vorſtellung vom zukünftigen
Leben von jeher und noch jetzt der reinſte Mate-
rialismus war und iſt
. Der materielle Leib ſoll auferſtehen
und in einem materiellen Himmel wohnen.“ Um ſich hiervon
zu überzeugen, braucht man nur unbefangen eine der unzähligen
Predigten oder auch der phraſenreichen, neuerdings ſehr beliebten
Tiſchreden zu leſen, in denen die Herrlichkeit des ewigen Lebens
als höchſtes Gut des Chriſten und der Glaube daran als Grund-
lage der Sittenlehre geprieſen wird. Da erwarten den frommen
ſpiritualiſtiſchen Gläubigen im „Paradieſe“ alle Freuden des
hochentwickelten geſelligen Kultur-Lebens, während die gottloſen
Materialiſten vom „liebenden Vater“ durch ewige Höllenqualen
gemartert werden.

Metaphyſiſcher Unſterblichkeits-Glaube. Gegenüber dem
materialiſtiſchen Athanismus, welcher in der chriſtlichen und
mohammedaniſchen Kirche herrſchend iſt, vertritt ſcheinbar eine
reinere und höhere Glaubensform der metaphyſiſche Atha-
nismus,
wie ihn die meiſten dualiſtiſchen und ſpiritualiſtiſchen
Philoſophen lehren. Als der bedeutendſte Begründer desſelben
iſt Plato zu betrachten; er lehrte ſchon im vierten Jahrhundert
vor Chriſtus jenen vollkommenen Dualismus zwiſchen Leib und

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[228/0244] Chriſtlicher Materialismus. XI. Artikel ebenſo unannehmbar wie die damit verknüpfte Hypotheſe eines „ewigen Lebens“. Das ewige Leben. Die phantaſtiſchen Vorſtellungen, welche die chriſtliche Kirche über die ewige Fortdauer der unſterblichen Seele nach dem Tode des Leibes lehrt, ſind ebenſo rein mate- rialiſtiſch wie das damit verknüpfte Dogma von der „Auferſtehung des Fleiſches“. Sehr richtig bemerkt in dieſer Beziehung Savage in ſeinem intereſſanten Werke „Die Religion im Lichte der Darwin'ſchen Lehre“ (1886): „Eine der ſtehenden Anklagen der Kirche gegen die Wiſſenſchaft lautet, daß letztere materialiſtiſch ſei. Ich möchte im Vorbeigehen darauf aufmerkſam machen, daß die ganze kirchliche Vorſtellung vom zukünftigen Leben von jeher und noch jetzt der reinſte Mate- rialismus war und iſt. Der materielle Leib ſoll auferſtehen und in einem materiellen Himmel wohnen.“ Um ſich hiervon zu überzeugen, braucht man nur unbefangen eine der unzähligen Predigten oder auch der phraſenreichen, neuerdings ſehr beliebten Tiſchreden zu leſen, in denen die Herrlichkeit des ewigen Lebens als höchſtes Gut des Chriſten und der Glaube daran als Grund- lage der Sittenlehre geprieſen wird. Da erwarten den frommen ſpiritualiſtiſchen Gläubigen im „Paradieſe“ alle Freuden des hochentwickelten geſelligen Kultur-Lebens, während die gottloſen Materialiſten vom „liebenden Vater“ durch ewige Höllenqualen gemartert werden. Metaphyſiſcher Unſterblichkeits-Glaube. Gegenüber dem materialiſtiſchen Athanismus, welcher in der chriſtlichen und mohammedaniſchen Kirche herrſchend iſt, vertritt ſcheinbar eine reinere und höhere Glaubensform der metaphyſiſche Atha- nismus, wie ihn die meiſten dualiſtiſchen und ſpiritualiſtiſchen Philoſophen lehren. Als der bedeutendſte Begründer desſelben iſt Plato zu betrachten; er lehrte ſchon im vierten Jahrhundert vor Chriſtus jenen vollkommenen Dualismus zwiſchen Leib und

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/244>, abgerufen am 28.11.2024.