Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.X. Pathologie des Bewußtseins. hinten unten das Principalhirn oder das "große occipito-temporaleAssocions-Centrum" (das wichtigste von allen!) und endlich tief unten, im Innern versteckt, das Inselhirn oder "die Reilsche Insel", das insulare Associons-Centrum. Diese vier Denkherde, durch eigenthümliche und höchst verwickelte Nervenstruktur vor den zwischenliegenden Sinnesherden ausgezeichnet, sind die wahren "Denkorgane", die einzigen Organe unseres Bewußt- seins. In neuester Zeit hat Flechsig nachgewiesen, daß in einem Theile derselben sich beim Menschen noch ganz besonders verwickelte Strukturen finden, welche den übrigen Säugethieren fehlen, und welche die Ueberlegenheit des menschlichen Bewußt- seins erklären. Pathologie des Bewußtseins. Die bedeutungsvolle Er- X. Pathologie des Bewußtſeins. hinten unten das Principalhirn oder das „große occipito-temporaleAſſocions-Centrum“ (das wichtigſte von allen!) und endlich tief unten, im Innern verſteckt, das Inſelhirn oder „die Reilſche Inſel“, das inſulare Aſſocions-Centrum. Dieſe vier Denkherde, durch eigenthümliche und höchſt verwickelte Nervenſtruktur vor den zwiſchenliegenden Sinnesherden ausgezeichnet, ſind die wahren „Denkorgane“, die einzigen Organe unſeres Bewußt- ſeins. In neueſter Zeit hat Flechſig nachgewieſen, daß in einem Theile derſelben ſich beim Menſchen noch ganz beſonders verwickelte Strukturen finden, welche den übrigen Säugethieren fehlen, und welche die Ueberlegenheit des menſchlichen Bewußt- ſeins erklären. Pathologie des Bewußtſeins. Die bedeutungsvolle Er- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0229" n="213"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">X.</hi> Pathologie des Bewußtſeins.</fw><lb/> hinten unten das Principalhirn oder das „große occipito-temporale<lb/> Aſſocions-Centrum“ (das wichtigſte von allen!) und endlich tief<lb/> unten, im Innern verſteckt, das Inſelhirn oder „die Reilſche<lb/> Inſel“, das inſulare Aſſocions-Centrum. Dieſe vier Denkherde,<lb/> durch eigenthümliche und höchſt verwickelte Nervenſtruktur vor<lb/> den zwiſchenliegenden Sinnesherden ausgezeichnet, ſind die<lb/> wahren „<hi rendition="#g">Denkorgane</hi>“, die einzigen Organe unſeres Bewußt-<lb/> ſeins. In neueſter Zeit hat <hi rendition="#g">Flechſig</hi> nachgewieſen, daß in<lb/> einem Theile derſelben ſich beim Menſchen noch ganz beſonders<lb/> verwickelte Strukturen finden, welche den übrigen Säugethieren<lb/> fehlen, und welche die Ueberlegenheit des menſchlichen Bewußt-<lb/> ſeins erklären.</p><lb/> <p><hi rendition="#b">Pathologie des Bewußtſeins.</hi> Die bedeutungsvolle Er-<lb/> kenntniß der modernen Phyſiologie, daß das Großhirn beim<lb/> Menſchen und den höheren Säugethieren das Organ des Geiſtes-<lb/> lebens und des Bewußtſeins iſt, wird einleuchtend beſtätigt durch<lb/> die Pathologie, durch die Kenntniß ſeiner <hi rendition="#g">Erkrankungen</hi>.<lb/> Wenn die betreffenden Theile der Großhirnrinde durch Krankheit<lb/> zerſtört werden, erliſcht ihre Funktion, und zwar läßt ſich hier<lb/> die <hi rendition="#g">Lokaliſation</hi> der Gehirn-Funktionen ſogar partiell nach-<lb/> weiſen; wenn einzelne Stellen jenes Gebietes erkranken, ver-<lb/> ſchwindet auch der Theil des Denkens und Bewußtſeins, welcher<lb/> an die betreffende Stelle gebunden iſt. Dasſelbe Ergebniß liefert<lb/> das pathologiſche Experiment; Zerſtörung einer ſolchen bekannten<lb/> Stelle (z. B. im Sprach-Centrum) vernichtet deren Funktion<lb/> (die Sprache). Uebrigens genügt ja der Hinweis auf die be-<lb/> kannteſten alltäglichen Erſcheinungen im Gebiete des Bewußtſeins,<lb/> um die völlige Abhängigkeit desſelben von den <hi rendition="#g">chemiſchen</hi><lb/> Veränderungen der Gehirn-Subſtanz zu beweiſen. Viele Genuß-<lb/> mittel (Kaffee, Thee) regen unſer Denkvermögen an, andere<lb/> (Wein, Bier) ſtimmen unſer Gemüth heiter; Moſchus und<lb/> Kampher als <hi rendition="#aq">„Excitantia“</hi> beleben das erlöſchende Bewußtſein;<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [213/0229]
X. Pathologie des Bewußtſeins.
hinten unten das Principalhirn oder das „große occipito-temporale
Aſſocions-Centrum“ (das wichtigſte von allen!) und endlich tief
unten, im Innern verſteckt, das Inſelhirn oder „die Reilſche
Inſel“, das inſulare Aſſocions-Centrum. Dieſe vier Denkherde,
durch eigenthümliche und höchſt verwickelte Nervenſtruktur vor
den zwiſchenliegenden Sinnesherden ausgezeichnet, ſind die
wahren „Denkorgane“, die einzigen Organe unſeres Bewußt-
ſeins. In neueſter Zeit hat Flechſig nachgewieſen, daß in
einem Theile derſelben ſich beim Menſchen noch ganz beſonders
verwickelte Strukturen finden, welche den übrigen Säugethieren
fehlen, und welche die Ueberlegenheit des menſchlichen Bewußt-
ſeins erklären.
Pathologie des Bewußtſeins. Die bedeutungsvolle Er-
kenntniß der modernen Phyſiologie, daß das Großhirn beim
Menſchen und den höheren Säugethieren das Organ des Geiſtes-
lebens und des Bewußtſeins iſt, wird einleuchtend beſtätigt durch
die Pathologie, durch die Kenntniß ſeiner Erkrankungen.
Wenn die betreffenden Theile der Großhirnrinde durch Krankheit
zerſtört werden, erliſcht ihre Funktion, und zwar läßt ſich hier
die Lokaliſation der Gehirn-Funktionen ſogar partiell nach-
weiſen; wenn einzelne Stellen jenes Gebietes erkranken, ver-
ſchwindet auch der Theil des Denkens und Bewußtſeins, welcher
an die betreffende Stelle gebunden iſt. Dasſelbe Ergebniß liefert
das pathologiſche Experiment; Zerſtörung einer ſolchen bekannten
Stelle (z. B. im Sprach-Centrum) vernichtet deren Funktion
(die Sprache). Uebrigens genügt ja der Hinweis auf die be-
kannteſten alltäglichen Erſcheinungen im Gebiete des Bewußtſeins,
um die völlige Abhängigkeit desſelben von den chemiſchen
Veränderungen der Gehirn-Subſtanz zu beweiſen. Viele Genuß-
mittel (Kaffee, Thee) regen unſer Denkvermögen an, andere
(Wein, Bier) ſtimmen unſer Gemüth heiter; Moſchus und
Kampher als „Excitantia“ beleben das erlöſchende Bewußtſein;
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