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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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Dualistische Theorie des Bewußtseins. X.
schiedene "unbedingte Grenzen" unseres Naturerkennens
auf, welche der menschliche Geist auch bei vorgeschrittenster
Natur-Erkenntniß niemals überschreiten werde -- niemals,
wie das oft citirte Schlußwort des Vortrags emphatisch betont:
"Ignorabimus!" Das eine absolut unlösbare "Welträthsel" ist
"der Zusammenhang von Materie und Kraft" und das eigent-
liche Wesen dieser fundamentalen Natur-Erscheinungen; wir
werden dieses "Substanz-Problem" im zwölften Kapitel
eingehend behandeln. Das zweite unübersteigliche Hinderniß der
Philosophie soll das Problem des Bewußtseins bilden, die
Frage: wie unsere Geistesthätigkeit aus materiellen Bedingungen,
bezüglich Bewegungen zu erklären ist, wie die (der Materie und
Kraft zu Grunde liegende) "Substanz unter bestimmten Be-
dingungen empfindet, begehrt und denkt".

Der Kürze halber, und zugleich um das Wesen des Leipziger
Vortrages mit einem Schlagworte zu charakterisiren, habe ich
dieselbe als die "Ignorabimus-Rede" bezeichnet; es ist
dies um so mehr gestattet, als E. Du Bois-Reymond selbst
acht Jahre später (in der Rede über die sieben Welträthsel, 1880)
den außerordentlichen Erfolg derselben mit berechtigtem Stolze
rühmen und dabei sagen konnte: "Die Kritik schlug alle Töne
vom freudig zustimmenden Lobe bis zum wegwerfendsten Tadel
an, und das Wort ,Ignorabimus', in welchem meine
Untersuchung gipfelte, ward förmlich zu einer Art von natur-
philosophischem Schiboleth." Thatsächlich erschollen die lauten
"Töne des freudig zustimmenden Lobes" aus den Hörsälen der
dualistischen und spiritualistischen Philosophie und besonders
aus dem Heerlager der Ecclesia militans (der "schwarzen
Internationale"); aber auch alle Spiritisten und alle gläubigen
Gemüther, welche durch das ,Ignorabimus' die Unsterblich-
keit ihrer theuren "Seele" gerettet wähnten, waren davon ent-
zückt. Den "wegwerfendsten Tadel" erfuhr die glänzende Igno-

Dualiſtiſche Theorie des Bewußtſeins. X.
ſchiedene „unbedingte Grenzen“ unſeres Naturerkennens
auf, welche der menſchliche Geiſt auch bei vorgeſchrittenſter
Natur-Erkenntniß niemals überſchreiten werde — niemals,
wie das oft citirte Schlußwort des Vortrags emphatiſch betont:
„Ignorabimus!“ Das eine abſolut unlösbare „Welträthſel“ iſt
„der Zuſammenhang von Materie und Kraft“ und das eigent-
liche Weſen dieſer fundamentalen Natur-Erſcheinungen; wir
werden dieſes „Subſtanz-Problem“ im zwölften Kapitel
eingehend behandeln. Das zweite unüberſteigliche Hinderniß der
Philoſophie ſoll das Problem des Bewußtſeins bilden, die
Frage: wie unſere Geiſtesthätigkeit aus materiellen Bedingungen,
bezüglich Bewegungen zu erklären iſt, wie die (der Materie und
Kraft zu Grunde liegende) „Subſtanz unter beſtimmten Be-
dingungen empfindet, begehrt und denkt“.

Der Kürze halber, und zugleich um das Weſen des Leipziger
Vortrages mit einem Schlagworte zu charakteriſiren, habe ich
dieſelbe als die „Ignorabimus-Rede“ bezeichnet; es iſt
dies um ſo mehr geſtattet, als E. Du Bois-Reymond ſelbſt
acht Jahre ſpäter (in der Rede über die ſieben Welträthſel, 1880)
den außerordentlichen Erfolg derſelben mit berechtigtem Stolze
rühmen und dabei ſagen konnte: „Die Kritik ſchlug alle Töne
vom freudig zuſtimmenden Lobe bis zum wegwerfendſten Tadel
an, und das Wort ‚Ignorabimus‘, in welchem meine
Unterſuchung gipfelte, ward förmlich zu einer Art von natur-
philoſophiſchem Schiboleth.“ Thatſächlich erſchollen die lauten
„Töne des freudig zuſtimmenden Lobes“ aus den Hörſälen der
dualiſtiſchen und ſpiritualiſtiſchen Philoſophie und beſonders
aus dem Heerlager der Eccleſia militanſ (der „ſchwarzen
Internationale“); aber auch alle Spiritiſten und alle gläubigen
Gemüther, welche durch das ‚Ignorabimus‘ die Unſterblich-
keit ihrer theuren „Seele“ gerettet wähnten, waren davon ent-
zückt. Den „wegwerfendſten Tadel“ erfuhr die glänzende Igno-

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[208/0224] Dualiſtiſche Theorie des Bewußtſeins. X. ſchiedene „unbedingte Grenzen“ unſeres Naturerkennens auf, welche der menſchliche Geiſt auch bei vorgeſchrittenſter Natur-Erkenntniß niemals überſchreiten werde — niemals, wie das oft citirte Schlußwort des Vortrags emphatiſch betont: „Ignorabimus!“ Das eine abſolut unlösbare „Welträthſel“ iſt „der Zuſammenhang von Materie und Kraft“ und das eigent- liche Weſen dieſer fundamentalen Natur-Erſcheinungen; wir werden dieſes „Subſtanz-Problem“ im zwölften Kapitel eingehend behandeln. Das zweite unüberſteigliche Hinderniß der Philoſophie ſoll das Problem des Bewußtſeins bilden, die Frage: wie unſere Geiſtesthätigkeit aus materiellen Bedingungen, bezüglich Bewegungen zu erklären iſt, wie die (der Materie und Kraft zu Grunde liegende) „Subſtanz unter beſtimmten Be- dingungen empfindet, begehrt und denkt“. Der Kürze halber, und zugleich um das Weſen des Leipziger Vortrages mit einem Schlagworte zu charakteriſiren, habe ich dieſelbe als die „Ignorabimus-Rede“ bezeichnet; es iſt dies um ſo mehr geſtattet, als E. Du Bois-Reymond ſelbſt acht Jahre ſpäter (in der Rede über die ſieben Welträthſel, 1880) den außerordentlichen Erfolg derſelben mit berechtigtem Stolze rühmen und dabei ſagen konnte: „Die Kritik ſchlug alle Töne vom freudig zuſtimmenden Lobe bis zum wegwerfendſten Tadel an, und das Wort ‚Ignorabimus‘, in welchem meine Unterſuchung gipfelte, ward förmlich zu einer Art von natur- philoſophiſchem Schiboleth.“ Thatſächlich erſchollen die lauten „Töne des freudig zuſtimmenden Lobes“ aus den Hörſälen der dualiſtiſchen und ſpiritualiſtiſchen Philoſophie und beſonders aus dem Heerlager der Eccleſia militanſ (der „ſchwarzen Internationale“); aber auch alle Spiritiſten und alle gläubigen Gemüther, welche durch das ‚Ignorabimus‘ die Unſterblich- keit ihrer theuren „Seele“ gerettet wähnten, waren davon ent- zückt. Den „wegwerfendſten Tadel“ erfuhr die glänzende Igno-

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/224>, abgerufen am 27.11.2024.