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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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X. Bewußtsein des Menschen.
kann uns eine unbewußte Vorstellung plötzlich bewußt werden;
wird unsere Aufmerksamkeit darauf durch ein anderes Objekt
gefesselt, so kann sie ebenso rasch wieder unserem Bewußtsein
völlig entschwinden.

Bewußtsein des Menschen. Die einzige Quelle unserer
Erkenntniß des Bewußtseins ist dieses selbst, und hierin liegt in
erster Linie die außerordentliche Schwierigkeit seiner wissenschaft-
lichen Untersuchung und Deutung. Subjekt und Objekt
fallen hier in Eins zusammen; das erkennende Subjekt spiegelt
sich in seinem eigenen inneren Wesen, welches Objekt der Er-
kenntniß sein soll. Auf das Bewußtsein anderer Wesen können
wir also niemals mit voller objektiver Sicherheit schließen, sondern
immer nur durch Vergleichung seiner Seelen-Zustände mit unseren
eigenen. Soweit diese Vergleichung sich nur auf normale
Menschen
erstreckt, können wir allerdings auf deren Bewußtsein
gewisse Schlüsse ziehen, deren Richtigkeit Niemand bezweifelt.
Aber schon bei abnormen Persönlichkeiten (bei genialen und
excentrischen, stumpfsinnigen und geisteskranken Menschen) sind
diese Analogie-Schlüsse entweder unsicher oder falsch. In noch
höherem Grade gilt das, wenn wir das Bewußtsein des Menschen
mit demjenigen der Thiere (zunächst der höheren, weiterhin
der niederen Thiere) in Vergleich stellen. Da ergeben sich als-
bald so große thatsächliche Schwierigkeiten, daß die Ansichten
der hervorragendsten Physiologen und Philosophen himmelweit
aus einander gehen. Wir wollen hier nur die wichtigsten
Anschauungen darüber kurz einander gegenüberstellen.

I. Anthropistische Theorie des Bewußtseins: es ist
dem Menschen eigenthümlich
. Die weitverbreitete An-
schauung, daß Bewußtsein und Denken ausschließliches Eigen-
thum des Menschen seien, und daß auch ihm allein eine "un-
sterbliche Seele" zukomme, ist auf Descartes zurückzu-
führen (1643). Dieser geistreiche französische Philosoph und

X. Bewußtſein des Menſchen.
kann uns eine unbewußte Vorſtellung plötzlich bewußt werden;
wird unſere Aufmerkſamkeit darauf durch ein anderes Objekt
gefeſſelt, ſo kann ſie ebenſo raſch wieder unſerem Bewußtſein
völlig entſchwinden.

Bewußtſein des Menſchen. Die einzige Quelle unſerer
Erkenntniß des Bewußtſeins iſt dieſes ſelbſt, und hierin liegt in
erſter Linie die außerordentliche Schwierigkeit ſeiner wiſſenſchaft-
lichen Unterſuchung und Deutung. Subjekt und Objekt
fallen hier in Eins zuſammen; das erkennende Subjekt ſpiegelt
ſich in ſeinem eigenen inneren Weſen, welches Objekt der Er-
kenntniß ſein ſoll. Auf das Bewußtſein anderer Weſen können
wir alſo niemals mit voller objektiver Sicherheit ſchließen, ſondern
immer nur durch Vergleichung ſeiner Seelen-Zuſtände mit unſeren
eigenen. Soweit dieſe Vergleichung ſich nur auf normale
Menſchen
erſtreckt, können wir allerdings auf deren Bewußtſein
gewiſſe Schlüſſe ziehen, deren Richtigkeit Niemand bezweifelt.
Aber ſchon bei abnormen Perſönlichkeiten (bei genialen und
excentriſchen, ſtumpfſinnigen und geiſteskranken Menſchen) ſind
dieſe Analogie-Schlüſſe entweder unſicher oder falſch. In noch
höherem Grade gilt das, wenn wir das Bewußtſein des Menſchen
mit demjenigen der Thiere (zunächſt der höheren, weiterhin
der niederen Thiere) in Vergleich ſtellen. Da ergeben ſich als-
bald ſo große thatſächliche Schwierigkeiten, daß die Anſichten
der hervorragendſten Phyſiologen und Philoſophen himmelweit
aus einander gehen. Wir wollen hier nur die wichtigſten
Anſchauungen darüber kurz einander gegenüberſtellen.

I. Anthropiſtiſche Theorie des Bewußtſeins: es iſt
dem Menſchen eigenthümlich
. Die weitverbreitete An-
ſchauung, daß Bewußtſein und Denken ausſchließliches Eigen-
thum des Menſchen ſeien, und daß auch ihm allein eine „un-
ſterbliche Seele“ zukomme, iſt auf Descartes zurückzu-
führen (1643). Dieſer geiſtreiche franzöſiſche Philoſoph und

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[199/0215] X. Bewußtſein des Menſchen. kann uns eine unbewußte Vorſtellung plötzlich bewußt werden; wird unſere Aufmerkſamkeit darauf durch ein anderes Objekt gefeſſelt, ſo kann ſie ebenſo raſch wieder unſerem Bewußtſein völlig entſchwinden. Bewußtſein des Menſchen. Die einzige Quelle unſerer Erkenntniß des Bewußtſeins iſt dieſes ſelbſt, und hierin liegt in erſter Linie die außerordentliche Schwierigkeit ſeiner wiſſenſchaft- lichen Unterſuchung und Deutung. Subjekt und Objekt fallen hier in Eins zuſammen; das erkennende Subjekt ſpiegelt ſich in ſeinem eigenen inneren Weſen, welches Objekt der Er- kenntniß ſein ſoll. Auf das Bewußtſein anderer Weſen können wir alſo niemals mit voller objektiver Sicherheit ſchließen, ſondern immer nur durch Vergleichung ſeiner Seelen-Zuſtände mit unſeren eigenen. Soweit dieſe Vergleichung ſich nur auf normale Menſchen erſtreckt, können wir allerdings auf deren Bewußtſein gewiſſe Schlüſſe ziehen, deren Richtigkeit Niemand bezweifelt. Aber ſchon bei abnormen Perſönlichkeiten (bei genialen und excentriſchen, ſtumpfſinnigen und geiſteskranken Menſchen) ſind dieſe Analogie-Schlüſſe entweder unſicher oder falſch. In noch höherem Grade gilt das, wenn wir das Bewußtſein des Menſchen mit demjenigen der Thiere (zunächſt der höheren, weiterhin der niederen Thiere) in Vergleich ſtellen. Da ergeben ſich als- bald ſo große thatſächliche Schwierigkeiten, daß die Anſichten der hervorragendſten Phyſiologen und Philoſophen himmelweit aus einander gehen. Wir wollen hier nur die wichtigſten Anſchauungen darüber kurz einander gegenüberſtellen. I. Anthropiſtiſche Theorie des Bewußtſeins: es iſt dem Menſchen eigenthümlich. Die weitverbreitete An- ſchauung, daß Bewußtſein und Denken ausſchließliches Eigen- thum des Menſchen ſeien, und daß auch ihm allein eine „un- ſterbliche Seele“ zukomme, iſt auf Descartes zurückzu- führen (1643). Dieſer geiſtreiche franzöſiſche Philoſoph und

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/215>, abgerufen am 23.11.2024.