biums, welche in der individuellen Gestaltung der Blastula als Hohlkugel zu Tage tritt (Anthropogenie S. 491).
Das kausale Verständniß der Blastula-Bildung liefert uns das biogenetische Grundgesetz, indem es die unmittelbar zu beobachtenden Erscheinungen derselben durch die Vererbung erklärt und auf entsprechende historische Vorgänge zurückführt, welche sich ursprünglich bei der Entstehung der ältesten Protisten- Cönobien, der Blastäaden, vollzogen haben (Syst. Phyl. III, §§ 22-26). Die physiologische und psychologische Einsicht in diese wichtigen Processe der ältesten Zellen-Associon ge- winnen wir aber durch Beobachtung und Experiment an den heute noch lebenden Cönobien. Solche beständige Zellvereine oder Zellhorden (auch als Zellkolonien, Zellgemeinden oder Zell- stöckchen bezeichnet) sind noch heute sehr verbreitet, sowohl unter den plasmodomen Urpflanzen (z. B. Paulotomeen, Diato- meen, Volvocinen) als unter den plasmophagen Urthieren (Infusorien und Rhizopoden). In allen diesen Cönobien können wir bereits neben einander zwei verschiedene Stufen der psychischen Thätigkeit unterscheiden: I. die Zellseele der einzelnen Zell- Individuen (als "Elementar-Organismen") und II. die Cöno- bialseele des ganzen Zellvereins.
III.Gewebe-Seele (Histopsyche):dritte Hauptstufe der phyletischen Psychogenesis. Bei allen vielzelligen und gewebebildenden Pflanzen (den Metaphyten oder Gewebe- Pflanzen) und ebenso bei den niedersten, nervenlosen Klassen der Gewebethiere(Metazoen) haben wir zunächst zwei verschiedene Formen der Seelenthätigkeit zu unterscheiden, nämlich A. die Psyche der einzelnen Zellen, welche die Gewebe zusammensetzen, und B. die Psyche der Gewebe selbst oder des "Zellenstaates", welcher von diesen gebildet wird. Diese Gewebe-Seele ist überall die höhere psychologische Funktion, welche den zusammengesetzten viel- zelligen Organismus als einheitliches Bion oder "physio-"
IX. Gewebe-Seele (Hiſtopſyche).
biums, welche in der individuellen Geſtaltung der Blaſtula als Hohlkugel zu Tage tritt (Anthropogenie S. 491).
Das kauſale Verſtändniß der Blaſtula-Bildung liefert uns das biogenetiſche Grundgeſetz, indem es die unmittelbar zu beobachtenden Erſcheinungen derſelben durch die Vererbung erklärt und auf entſprechende hiſtoriſche Vorgänge zurückführt, welche ſich urſprünglich bei der Entſtehung der älteſten Protiſten- Cönobien, der Blaſtäaden, vollzogen haben (Syſt. Phyl. III, §§ 22-26). Die phyſiologiſche und pſychologiſche Einſicht in dieſe wichtigen Proceſſe der älteſten Zellen-Aſſocion ge- winnen wir aber durch Beobachtung und Experiment an den heute noch lebenden Cönobien. Solche beſtändige Zellvereine oder Zellhorden (auch als Zellkolonien, Zellgemeinden oder Zell- ſtöckchen bezeichnet) ſind noch heute ſehr verbreitet, ſowohl unter den plasmodomen Urpflanzen (z. B. Paulotomeen, Diato- meen, Volvocinen) als unter den plasmophagen Urthieren (Infuſorien und Rhizopoden). In allen dieſen Cönobien können wir bereits neben einander zwei verſchiedene Stufen der pſychiſchen Thätigkeit unterſcheiden: I. die Zellſeele der einzelnen Zell- Individuen (als „Elementar-Organismen“) und II. die Cöno- bialſeele des ganzen Zellvereins.
III.Gewebe-Seele (Hiſtopſyche):dritte Hauptſtufe der phyletiſchen Pſychogeneſis. Bei allen vielzelligen und gewebebildenden Pflanzen (den Metaphyten oder Gewebe- Pflanzen) und ebenſo bei den niederſten, nervenloſen Klaſſen der Gewebethiere(Metazoen) haben wir zunächſt zwei verſchiedene Formen der Seelenthätigkeit zu unterſcheiden, nämlich A. die Pſyche der einzelnen Zellen, welche die Gewebe zuſammenſetzen, und B. die Pſyche der Gewebe ſelbſt oder des „Zellenſtaates“, welcher von dieſen gebildet wird. Dieſe Gewebe-Seele iſt überall die höhere pſychologiſche Funktion, welche den zuſammengeſetzten viel- zelligen Organismus als einheitliches Bion oder „phyſio-“
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><hirendition="#g"><pbfacs="#f0197"n="181"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">IX.</hi> Gewebe-Seele (Hiſtopſyche).</fw><lb/>
biums,</hi> welche in der individuellen Geſtaltung der <hirendition="#g">Blaſtula</hi><lb/>
als <hirendition="#g">Hohlkugel</hi> zu Tage tritt (Anthropogenie S. 491).</p><lb/><p>Das kauſale Verſtändniß der <hirendition="#g">Blaſtula</hi>-Bildung liefert uns<lb/>
das <hirendition="#g">biogenetiſche Grundgeſetz,</hi> indem es die unmittelbar<lb/>
zu beobachtenden Erſcheinungen derſelben durch die <hirendition="#g">Vererbung</hi><lb/>
erklärt und auf entſprechende hiſtoriſche Vorgänge zurückführt,<lb/>
welche ſich urſprünglich bei der Entſtehung der älteſten Protiſten-<lb/>
Cönobien, der <hirendition="#g">Blaſtäaden,</hi> vollzogen haben (Syſt. Phyl. <hirendition="#aq">III</hi>,<lb/>
§§ 22-26). Die phyſiologiſche und pſychologiſche Einſicht in<lb/>
dieſe wichtigen Proceſſe der älteſten <hirendition="#g">Zellen-Aſſocion</hi> ge-<lb/>
winnen wir aber durch Beobachtung und Experiment an den<lb/>
heute noch lebenden Cönobien. Solche beſtändige <hirendition="#g">Zellvereine</hi><lb/>
oder Zellhorden (auch als Zellkolonien, Zellgemeinden oder Zell-<lb/>ſtöckchen bezeichnet) ſind noch heute ſehr verbreitet, ſowohl unter<lb/>
den <hirendition="#g">plasmodomen Urpflanzen</hi> (z. B. Paulotomeen, Diato-<lb/>
meen, Volvocinen) als unter den <hirendition="#g">plasmophagen Urthieren</hi><lb/>
(Infuſorien und Rhizopoden). In allen dieſen Cönobien können<lb/>
wir bereits neben einander zwei verſchiedene Stufen der pſychiſchen<lb/>
Thätigkeit unterſcheiden: <hirendition="#aq">I.</hi> die <hirendition="#g">Zellſeele</hi> der einzelnen Zell-<lb/>
Individuen (als „Elementar-Organismen“) und <hirendition="#aq">II.</hi> die <hirendition="#g">Cöno-<lb/>
bialſeele</hi> des ganzen Zellvereins.</p><lb/><p><hirendition="#aq">III.</hi><hirendition="#b">Gewebe-Seele <hirendition="#aq">(Hiſtopſyche)</hi>:</hi><hirendition="#g">dritte Hauptſtufe<lb/>
der phyletiſchen Pſychogeneſis</hi>. Bei allen vielzelligen<lb/>
und gewebebildenden Pflanzen (den <hirendition="#aq">Metaphyten</hi> oder <hirendition="#g">Gewebe-<lb/>
Pflanzen</hi>) und ebenſo bei den niederſten, nervenloſen Klaſſen der<lb/><hirendition="#g">Gewebethiere</hi><hirendition="#aq">(Metazoen)</hi> haben wir zunächſt zwei verſchiedene<lb/>
Formen der Seelenthätigkeit zu unterſcheiden, nämlich <hirendition="#aq">A.</hi> die Pſyche<lb/>
der einzelnen <hirendition="#g">Zellen,</hi> welche die Gewebe zuſammenſetzen, und<lb/><hirendition="#aq">B.</hi> die Pſyche der <hirendition="#g">Gewebe</hi>ſelbſt oder des „Zellenſtaates“, welcher<lb/>
von dieſen gebildet wird. Dieſe <hirendition="#g">Gewebe-Seele</hi> iſt überall die<lb/>
höhere pſychologiſche Funktion, welche den zuſammengeſetzten viel-<lb/>
zelligen Organismus als einheitliches <hirendition="#g">Bion</hi> oder „<hirendition="#g">phyſio-</hi>“<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[181/0197]
IX. Gewebe-Seele (Hiſtopſyche).
biums, welche in der individuellen Geſtaltung der Blaſtula
als Hohlkugel zu Tage tritt (Anthropogenie S. 491).
Das kauſale Verſtändniß der Blaſtula-Bildung liefert uns
das biogenetiſche Grundgeſetz, indem es die unmittelbar
zu beobachtenden Erſcheinungen derſelben durch die Vererbung
erklärt und auf entſprechende hiſtoriſche Vorgänge zurückführt,
welche ſich urſprünglich bei der Entſtehung der älteſten Protiſten-
Cönobien, der Blaſtäaden, vollzogen haben (Syſt. Phyl. III,
§§ 22-26). Die phyſiologiſche und pſychologiſche Einſicht in
dieſe wichtigen Proceſſe der älteſten Zellen-Aſſocion ge-
winnen wir aber durch Beobachtung und Experiment an den
heute noch lebenden Cönobien. Solche beſtändige Zellvereine
oder Zellhorden (auch als Zellkolonien, Zellgemeinden oder Zell-
ſtöckchen bezeichnet) ſind noch heute ſehr verbreitet, ſowohl unter
den plasmodomen Urpflanzen (z. B. Paulotomeen, Diato-
meen, Volvocinen) als unter den plasmophagen Urthieren
(Infuſorien und Rhizopoden). In allen dieſen Cönobien können
wir bereits neben einander zwei verſchiedene Stufen der pſychiſchen
Thätigkeit unterſcheiden: I. die Zellſeele der einzelnen Zell-
Individuen (als „Elementar-Organismen“) und II. die Cöno-
bialſeele des ganzen Zellvereins.
III. Gewebe-Seele (Hiſtopſyche): dritte Hauptſtufe
der phyletiſchen Pſychogeneſis. Bei allen vielzelligen
und gewebebildenden Pflanzen (den Metaphyten oder Gewebe-
Pflanzen) und ebenſo bei den niederſten, nervenloſen Klaſſen der
Gewebethiere (Metazoen) haben wir zunächſt zwei verſchiedene
Formen der Seelenthätigkeit zu unterſcheiden, nämlich A. die Pſyche
der einzelnen Zellen, welche die Gewebe zuſammenſetzen, und
B. die Pſyche der Gewebe ſelbſt oder des „Zellenſtaates“, welcher
von dieſen gebildet wird. Dieſe Gewebe-Seele iſt überall die
höhere pſychologiſche Funktion, welche den zuſammengeſetzten viel-
zelligen Organismus als einheitliches Bion oder „phyſio-“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/197>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.