Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.Stufenleiter des Bewußtseins. VII. häufigste Form dieser Seelenthätigkeit im Thierreich; sie erscheintals eine Lokalisation des Vorstellens auf bestimmte "Seelen- zellen". Im einfachsten Falle erscheint sie daher bei der Reflex- that erst auf der sechsten Stufe der Entwickelung, wenn das dreizellige Reflex-Organ gebildet ist; der Sitz der Vorstellung ist dann die mittlere Seelenzelle, welche zwischen die sensible Sinneszelle und die motorische Muskelzelle eingeschaltet ist. Mit der aufsteigenden Entwickelung des Centralnervensystems im Thierreich, seiner zunehmenden Differenzirung und Integration erhebt sich auch die Ausbildung dieser unbewußten Vorstellungen zu immer höheren Stufen. IV. Bewußte Vorstellung der Gehirnzellen. Erst Skala des Gedächtnisses. Eng verknüpft mit der Stufen- Stufenleiter des Bewußtſeins. VII. häufigſte Form dieſer Seelenthätigkeit im Thierreich; ſie erſcheintals eine Lokaliſation des Vorſtellens auf beſtimmte „Seelen- zellen“. Im einfachſten Falle erſcheint ſie daher bei der Reflex- that erſt auf der ſechſten Stufe der Entwickelung, wenn das dreizellige Reflex-Organ gebildet iſt; der Sitz der Vorſtellung iſt dann die mittlere Seelenzelle, welche zwiſchen die ſenſible Sinneszelle und die motoriſche Muskelzelle eingeſchaltet iſt. Mit der aufſteigenden Entwickelung des Centralnervenſyſtems im Thierreich, ſeiner zunehmenden Differenzirung und Integration erhebt ſich auch die Ausbildung dieſer unbewußten Vorſtellungen zu immer höheren Stufen. IV. Bewußte Vorſtellung der Gehirnzellen. Erſt Skala des Gedächtniſſes. Eng verknüpft mit der Stufen- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0154" n="138"/><fw place="top" type="header">Stufenleiter des Bewußtſeins. <hi rendition="#aq">VII.</hi></fw><lb/> häufigſte Form dieſer Seelenthätigkeit im Thierreich; ſie erſcheint<lb/> als eine Lokaliſation des Vorſtellens auf beſtimmte „Seelen-<lb/> zellen“. Im einfachſten Falle erſcheint ſie daher bei der Reflex-<lb/> that erſt auf der ſechſten Stufe der Entwickelung, wenn das<lb/> dreizellige Reflex-Organ gebildet iſt; der Sitz der Vorſtellung<lb/> iſt dann die mittlere Seelenzelle, welche zwiſchen die ſenſible<lb/> Sinneszelle und die motoriſche Muskelzelle eingeſchaltet iſt. Mit<lb/> der aufſteigenden Entwickelung des Centralnervenſyſtems im<lb/> Thierreich, ſeiner zunehmenden Differenzirung und Integration<lb/> erhebt ſich auch die Ausbildung dieſer unbewußten Vorſtellungen<lb/> zu immer höheren Stufen.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">IV.</hi><hi rendition="#g">Bewußte Vorſtellung der Gehirnzellen</hi>. Erſt<lb/> auf den höchſten Entwickelungsſtufen der thieriſchen Orga-<lb/> niſation entwickelt ſich das Bewußtſein als eine beſondere<lb/> Funktion eines beſtimmten Central-Organs des Nervenſyſtems.<lb/> Indem die Vorſtellungen bewußte werden, und indem beſondere<lb/> Gehirntheile ſich zur <hi rendition="#g">Aſſocion</hi> der bewußten Vorſtellungen<lb/> reich entfalten, wird der Organismus zu jenen höchſten pſychiſchen<lb/> Funktionen befähigt, welche wir als <hi rendition="#g">Denken</hi> und Ueberlegen,<lb/> als Verſtand und <hi rendition="#g">Vernunft</hi> bezeichnen. Obgleich die Ab-<lb/> ſteckung der phyletiſchen Grenze zwiſchen den älteren, unbewußten<lb/> und den jüngeren, bewußten Vorſtellungen höchſt ſchwierig iſt,<lb/> können wir doch mit Wahrſcheinlichkeit annehmen, daß die letzteren<lb/> aus den erſteren <hi rendition="#g">polyphyletiſch</hi> entſtanden ſind; denn wir<lb/> finden bewußtes und vernünftiges Denken nicht nur bei den<lb/> höchſten Formen des Wirbelthier-Stammes (Menſch, Säugethiere,<lb/> Vögel, ein Theil der niederen Vertebraten), ſondern auch bei<lb/> den höchſtentwickelten Vertretern anderer Thierſtämme (Ameiſen<lb/> und andere Inſekten, Spinnen und höhere Krebſe unter den<lb/> Gliederthieren, Cephalopoden unter den Weichthieren).</p><lb/> <p><hi rendition="#b">Skala des Gedächtniſſes.</hi> Eng verknüpft mit der Stufen-<lb/> leiter in der Entwickelung der Vorſtellungen iſt diejenige des<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [138/0154]
Stufenleiter des Bewußtſeins. VII.
häufigſte Form dieſer Seelenthätigkeit im Thierreich; ſie erſcheint
als eine Lokaliſation des Vorſtellens auf beſtimmte „Seelen-
zellen“. Im einfachſten Falle erſcheint ſie daher bei der Reflex-
that erſt auf der ſechſten Stufe der Entwickelung, wenn das
dreizellige Reflex-Organ gebildet iſt; der Sitz der Vorſtellung
iſt dann die mittlere Seelenzelle, welche zwiſchen die ſenſible
Sinneszelle und die motoriſche Muskelzelle eingeſchaltet iſt. Mit
der aufſteigenden Entwickelung des Centralnervenſyſtems im
Thierreich, ſeiner zunehmenden Differenzirung und Integration
erhebt ſich auch die Ausbildung dieſer unbewußten Vorſtellungen
zu immer höheren Stufen.
IV. Bewußte Vorſtellung der Gehirnzellen. Erſt
auf den höchſten Entwickelungsſtufen der thieriſchen Orga-
niſation entwickelt ſich das Bewußtſein als eine beſondere
Funktion eines beſtimmten Central-Organs des Nervenſyſtems.
Indem die Vorſtellungen bewußte werden, und indem beſondere
Gehirntheile ſich zur Aſſocion der bewußten Vorſtellungen
reich entfalten, wird der Organismus zu jenen höchſten pſychiſchen
Funktionen befähigt, welche wir als Denken und Ueberlegen,
als Verſtand und Vernunft bezeichnen. Obgleich die Ab-
ſteckung der phyletiſchen Grenze zwiſchen den älteren, unbewußten
und den jüngeren, bewußten Vorſtellungen höchſt ſchwierig iſt,
können wir doch mit Wahrſcheinlichkeit annehmen, daß die letzteren
aus den erſteren polyphyletiſch entſtanden ſind; denn wir
finden bewußtes und vernünftiges Denken nicht nur bei den
höchſten Formen des Wirbelthier-Stammes (Menſch, Säugethiere,
Vögel, ein Theil der niederen Vertebraten), ſondern auch bei
den höchſtentwickelten Vertretern anderer Thierſtämme (Ameiſen
und andere Inſekten, Spinnen und höhere Krebſe unter den
Gliederthieren, Cephalopoden unter den Weichthieren).
Skala des Gedächtniſſes. Eng verknüpft mit der Stufen-
leiter in der Entwickelung der Vorſtellungen iſt diejenige des
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |