bereits ein Menschenalter hindurch vertreten habe. Ich gedenke damit meine Studien auf dem Gebiete der monistischen Welt- anschauung abzuschließen. Der alte, viele Jahre hindurch gehegte Plan, ein ganzes "System der monistischen Philosophie" auf Grund der Entwickelungslehre auszubauen, wird nicht mehr zur Ausführung gelangen. Meine Kräfte reichen dazu nicht mehr aus und mancherlei Mahnungen des herannahenden Alters drängen zum Abschluß. Auch bin ich ganz und gar ein Kind des neunzehnten Jahrhunderts und will mit dessen Ende einen Strich unter meine Lebensarbeit machen.
Die unermeßliche Ausdehnung, welche das menschliche Wissen in Folge fortgeschrittener Arbeitstheilung in unserm Jahrhundert erlangt hat, läßt es schon heute unmöglich erscheinen, alle Zweige desselben mit gleicher Gründlichkeit zu umfassen und ihren inneren Zusammenhang einheitlich darzustellen. Selbst ein Genius ersten Ranges, der alle Gebiete der Wissenschaft gleichmäßig beherrschte, und der die künstlerische Gabe ihrer einheitlichen Darstellung in vollem Maße besäße, würde doch nicht im Stande sein, im Raume eines mäßigen Bandes ein umfassendes allgemeines Bild des ganzen "Kosmos" auszuführen. Mir selbst, dessen Kenntnisse in den verschiedenen Gebieten sehr ungleich und lückenhaft sind, konnte hier nur die Aufgabe zufallen, den allgemeinen Plan eines solchen Weltbildes zu entwerfen und die durchgehende Ein- heit seiner Theile nachzuweisen, trotz sehr ungleicher Ausführung derselben. Das vorliegende Buch über die Welträthsel trägt daher auch nur den Charakter eines "Skizzenbuches", in welchem Studien von sehr ungleichem Werthe zu einem Ganzen zu- sammengefügt sind. Da die Niederschrift derselben zum Theil schon in früheren Jahren, zum anderen Theil aber erst in der letzten Zeit erfolgte, ist die Behandlung leider oft ungleichmäßig; auch sind mehrfache Wiederholungen nicht zu vermeiden gewesen; ich bitte dieselben zu entschuldigen.
Vorwort.
bereits ein Menſchenalter hindurch vertreten habe. Ich gedenke damit meine Studien auf dem Gebiete der moniſtiſchen Welt- anſchauung abzuſchließen. Der alte, viele Jahre hindurch gehegte Plan, ein ganzes „Syſtem der moniſtiſchen Philoſophie“ auf Grund der Entwickelungslehre auszubauen, wird nicht mehr zur Ausführung gelangen. Meine Kräfte reichen dazu nicht mehr aus und mancherlei Mahnungen des herannahenden Alters drängen zum Abſchluß. Auch bin ich ganz und gar ein Kind des neunzehnten Jahrhunderts und will mit deſſen Ende einen Strich unter meine Lebensarbeit machen.
Die unermeßliche Ausdehnung, welche das menſchliche Wiſſen in Folge fortgeſchrittener Arbeitstheilung in unſerm Jahrhundert erlangt hat, läßt es ſchon heute unmöglich erſcheinen, alle Zweige desſelben mit gleicher Gründlichkeit zu umfaſſen und ihren inneren Zuſammenhang einheitlich darzuſtellen. Selbſt ein Genius erſten Ranges, der alle Gebiete der Wiſſenſchaft gleichmäßig beherrſchte, und der die künſtleriſche Gabe ihrer einheitlichen Darſtellung in vollem Maße beſäße, würde doch nicht im Stande ſein, im Raume eines mäßigen Bandes ein umfaſſendes allgemeines Bild des ganzen „Kosmos“ auszuführen. Mir ſelbſt, deſſen Kenntniſſe in den verſchiedenen Gebieten ſehr ungleich und lückenhaft ſind, konnte hier nur die Aufgabe zufallen, den allgemeinen Plan eines ſolchen Weltbildes zu entwerfen und die durchgehende Ein- heit ſeiner Theile nachzuweiſen, trotz ſehr ungleicher Ausführung derſelben. Das vorliegende Buch über die Welträthſel trägt daher auch nur den Charakter eines „Skizzenbuches“, in welchem Studien von ſehr ungleichem Werthe zu einem Ganzen zu- ſammengefügt ſind. Da die Niederſchrift derſelben zum Theil ſchon in früheren Jahren, zum anderen Theil aber erſt in der letzten Zeit erfolgte, iſt die Behandlung leider oft ungleichmäßig; auch ſind mehrfache Wiederholungen nicht zu vermeiden geweſen; ich bitte dieſelben zu entſchuldigen.
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[VII/0013]
Vorwort.
bereits ein Menſchenalter hindurch vertreten habe. Ich gedenke
damit meine Studien auf dem Gebiete der moniſtiſchen Welt-
anſchauung abzuſchließen. Der alte, viele Jahre hindurch gehegte
Plan, ein ganzes „Syſtem der moniſtiſchen Philoſophie“
auf Grund der Entwickelungslehre auszubauen, wird nicht mehr
zur Ausführung gelangen. Meine Kräfte reichen dazu nicht
mehr aus und mancherlei Mahnungen des herannahenden Alters
drängen zum Abſchluß. Auch bin ich ganz und gar ein Kind
des neunzehnten Jahrhunderts und will mit deſſen
Ende einen Strich unter meine Lebensarbeit machen.
Die unermeßliche Ausdehnung, welche das menſchliche Wiſſen
in Folge fortgeſchrittener Arbeitstheilung in unſerm Jahrhundert
erlangt hat, läßt es ſchon heute unmöglich erſcheinen, alle Zweige
desſelben mit gleicher Gründlichkeit zu umfaſſen und ihren inneren
Zuſammenhang einheitlich darzuſtellen. Selbſt ein Genius erſten
Ranges, der alle Gebiete der Wiſſenſchaft gleichmäßig beherrſchte,
und der die künſtleriſche Gabe ihrer einheitlichen Darſtellung in
vollem Maße beſäße, würde doch nicht im Stande ſein, im Raume
eines mäßigen Bandes ein umfaſſendes allgemeines Bild des
ganzen „Kosmos“ auszuführen. Mir ſelbſt, deſſen Kenntniſſe
in den verſchiedenen Gebieten ſehr ungleich und lückenhaft ſind,
konnte hier nur die Aufgabe zufallen, den allgemeinen Plan
eines ſolchen Weltbildes zu entwerfen und die durchgehende Ein-
heit ſeiner Theile nachzuweiſen, trotz ſehr ungleicher Ausführung
derſelben. Das vorliegende Buch über die Welträthſel trägt
daher auch nur den Charakter eines „Skizzenbuches“, in welchem
Studien von ſehr ungleichem Werthe zu einem Ganzen zu-
ſammengefügt ſind. Da die Niederſchrift derſelben zum Theil
ſchon in früheren Jahren, zum anderen Theil aber erſt in der
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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. VII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/13>, abgerufen am 23.11.2024.
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