Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.Beweise für die Wahrheit der Descendenztheorie. 5) Der innere ursächliche Zusammenhang zwischen der vergleichenden Anatomie und Entwickelungsge- schichte, die harmonische Uebereinstimmung zwischen den Gesetzen der stufenweisen Ausbildung, der fortschreitenden Differenzi- rung und Vervollkommnung, wie sie uns durch die verglei- chende Anatomie auf der einen Seite, durch die Ontogenie und Palä- ontologie auf der anderen Seite klar vor Augen gelegt werden. 6) Die Unzweckmäßigkeitslehre oder Dysteleolo- gie, wie ich früher die Wissenschaft von den rudimentä- ren Organen, von den verkümmerten und entarteten, zwecklosen und unthätigen Körpertheilen genannt habe; einer der wichtigsten und interessantesten Theile der vergleichenden Anatomie, welcher, richtig gewürdigt, für sich allein schon im Stande ist, den Grundirrthum der teleologischen und dualistischen Naturbetrachtung zu widerlegen, und die alleinige Begründung der mechanischen und monistischen Welt- anschauung zu beweisen. 7) Das natürliche System der Organismen, die natürliche Gruppirung aller verschiedenen Formen von Thieren, Pflan- zen und Protisten in zahlreiche, kleinere und größere, neben und über einander geordnete Gruppen; der verwandtschaftliche Zusammenhang der Arten, Gattungen, Familien, Ordnungen, Klassen, Stämme u. s. w.; ganz besonders aber die baumförmig verzweigte Gestalt des natürlichen Systems, welche aus einer natur- gemäßen Anordnung und Zusammenstellung aller dieser Gruppenstufen oder Kategorien sich von selbst ergiebt. Die stufenweis verschiedene Formverwandtschaft derselben ist nur dann erklärlich, wenn man sie als Ausdruck der wirklichen Blutsverwandtschaft betrach- tet; die Baumform des natürlichen Systems kann nur als wirklicher Stammbaum der Organismen verstanden werden. 8) Die Chorologie der Organismen, die Wissenschaft von der räumlichen Verbreitung der organischen Species, von ihrer geographischen und topographischen Vertheilung über die Erdoberfläche, über die Höhen der Gebirge und die Tiefen Beweiſe fuͤr die Wahrheit der Deſcendenztheorie. 5) Der innere urſaͤchliche Zuſammenhang zwiſchen der vergleichenden Anatomie und Entwickelungsge- ſchichte, die harmoniſche Uebereinſtimmung zwiſchen den Geſetzen der ſtufenweiſen Ausbildung, der fortſchreitenden Differenzi- rung und Vervollkommnung, wie ſie uns durch die verglei- chende Anatomie auf der einen Seite, durch die Ontogenie und Palaͤ- ontologie auf der anderen Seite klar vor Augen gelegt werden. 6) Die Unzweckmaͤßigkeitslehre oder Dysteleolo- gie, wie ich fruͤher die Wiſſenſchaft von den rudimentaͤ- ren Organen, von den verkuͤmmerten und entarteten, zweckloſen und unthaͤtigen Koͤrpertheilen genannt habe; einer der wichtigſten und intereſſanteſten Theile der vergleichenden Anatomie, welcher, richtig gewuͤrdigt, fuͤr ſich allein ſchon im Stande iſt, den Grundirrthum der teleologiſchen und dualiſtiſchen Naturbetrachtung zu widerlegen, und die alleinige Begruͤndung der mechaniſchen und moniſtiſchen Welt- anſchauung zu beweiſen. 7) Das natuͤrliche Syſtem der Organismen, die natuͤrliche Gruppirung aller verſchiedenen Formen von Thieren, Pflan- zen und Protiſten in zahlreiche, kleinere und groͤßere, neben und uͤber einander geordnete Gruppen; der verwandtſchaftliche Zuſammenhang der Arten, Gattungen, Familien, Ordnungen, Klaſſen, Staͤmme u. ſ. w.; ganz beſonders aber die baumfoͤrmig verzweigte Geſtalt des natuͤrlichen Syſtems, welche aus einer natur- gemaͤßen Anordnung und Zuſammenſtellung aller dieſer Gruppenſtufen oder Kategorien ſich von ſelbſt ergiebt. Die ſtufenweis verſchiedene Formverwandtſchaft derſelben iſt nur dann erklaͤrlich, wenn man ſie als Ausdruck der wirklichen Blutsverwandtſchaft betrach- tet; die Baumform des natuͤrlichen Syſtems kann nur als wirklicher Stammbaum der Organismen verſtanden werden. 8) Die Chorologie der Organismen, die Wiſſenſchaft von der raͤumlichen Verbreitung der organiſchen Species, von ihrer geographiſchen und topographiſchen Vertheilung uͤber die Erdoberflaͤche, uͤber die Hoͤhen der Gebirge und die Tiefen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0563" n="538"/> <fw place="top" type="header">Beweiſe fuͤr die Wahrheit der Deſcendenztheorie.</fw><lb/> <list> <item>5) <hi rendition="#g">Der innere urſaͤchliche Zuſammenhang zwiſchen<lb/> der vergleichenden Anatomie und Entwickelungsge-<lb/> ſchichte,</hi> die harmoniſche Uebereinſtimmung zwiſchen den Geſetzen der<lb/> ſtufenweiſen Ausbildung, der <hi rendition="#g">fortſchreitenden Differenzi-<lb/> rung und Vervollkommnung,</hi> wie ſie uns durch die verglei-<lb/> chende Anatomie auf der einen Seite, durch die Ontogenie und Palaͤ-<lb/> ontologie auf der anderen Seite klar vor Augen gelegt werden.</item><lb/> <item>6) <hi rendition="#g">Die Unzweckmaͤßigkeitslehre oder Dysteleolo-<lb/> gie,</hi> wie ich fruͤher die <hi rendition="#g">Wiſſenſchaft von den rudimentaͤ-<lb/> ren Organen,</hi> von den verkuͤmmerten und entarteten, zweckloſen<lb/> und unthaͤtigen Koͤrpertheilen genannt habe; einer der wichtigſten und<lb/> intereſſanteſten Theile der vergleichenden Anatomie, welcher, richtig<lb/> gewuͤrdigt, fuͤr ſich allein ſchon im Stande iſt, den Grundirrthum<lb/> der teleologiſchen und dualiſtiſchen Naturbetrachtung zu widerlegen,<lb/> und die alleinige Begruͤndung der mechaniſchen und moniſtiſchen Welt-<lb/> anſchauung zu beweiſen.</item><lb/> <item>7) <hi rendition="#g">Das natuͤrliche Syſtem der Organismen,</hi> die<lb/> natuͤrliche Gruppirung aller verſchiedenen Formen von Thieren, Pflan-<lb/> zen und Protiſten in zahlreiche, kleinere und groͤßere, neben und uͤber<lb/> einander geordnete Gruppen; der verwandtſchaftliche Zuſammenhang<lb/> der Arten, Gattungen, Familien, Ordnungen, Klaſſen, Staͤmme<lb/> u. ſ. w.; ganz beſonders aber die <hi rendition="#g">baumfoͤrmig verzweigte<lb/> Geſtalt des natuͤrlichen Syſtems,</hi> welche aus einer natur-<lb/> gemaͤßen Anordnung und Zuſammenſtellung aller dieſer Gruppenſtufen<lb/> oder Kategorien ſich von ſelbſt ergiebt. 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Beweiſe fuͤr die Wahrheit der Deſcendenztheorie.
5) Der innere urſaͤchliche Zuſammenhang zwiſchen
der vergleichenden Anatomie und Entwickelungsge-
ſchichte, die harmoniſche Uebereinſtimmung zwiſchen den Geſetzen der
ſtufenweiſen Ausbildung, der fortſchreitenden Differenzi-
rung und Vervollkommnung, wie ſie uns durch die verglei-
chende Anatomie auf der einen Seite, durch die Ontogenie und Palaͤ-
ontologie auf der anderen Seite klar vor Augen gelegt werden.
6) Die Unzweckmaͤßigkeitslehre oder Dysteleolo-
gie, wie ich fruͤher die Wiſſenſchaft von den rudimentaͤ-
ren Organen, von den verkuͤmmerten und entarteten, zweckloſen
und unthaͤtigen Koͤrpertheilen genannt habe; einer der wichtigſten und
intereſſanteſten Theile der vergleichenden Anatomie, welcher, richtig
gewuͤrdigt, fuͤr ſich allein ſchon im Stande iſt, den Grundirrthum
der teleologiſchen und dualiſtiſchen Naturbetrachtung zu widerlegen,
und die alleinige Begruͤndung der mechaniſchen und moniſtiſchen Welt-
anſchauung zu beweiſen.
7) Das natuͤrliche Syſtem der Organismen, die
natuͤrliche Gruppirung aller verſchiedenen Formen von Thieren, Pflan-
zen und Protiſten in zahlreiche, kleinere und groͤßere, neben und uͤber
einander geordnete Gruppen; der verwandtſchaftliche Zuſammenhang
der Arten, Gattungen, Familien, Ordnungen, Klaſſen, Staͤmme
u. ſ. w.; ganz beſonders aber die baumfoͤrmig verzweigte
Geſtalt des natuͤrlichen Syſtems, welche aus einer natur-
gemaͤßen Anordnung und Zuſammenſtellung aller dieſer Gruppenſtufen
oder Kategorien ſich von ſelbſt ergiebt. Die ſtufenweis verſchiedene
Formverwandtſchaft derſelben iſt nur dann erklaͤrlich, wenn
man ſie als Ausdruck der wirklichen Blutsverwandtſchaft betrach-
tet; die Baumform des natuͤrlichen Syſtems kann nur als
wirklicher Stammbaum der Organismen verſtanden werden.
8) Die Chorologie der Organismen, die Wiſſenſchaft
von der raͤumlichen Verbreitung der organiſchen Species, von ihrer
geographiſchen und topographiſchen Vertheilung uͤber
die Erdoberflaͤche, uͤber die Hoͤhen der Gebirge und die Tiefen
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