lativität alles Zeitmaaßes auf das Unmittelbarste vor Augen. Ganz gewiß müssen, wenn die Entwickelungslehre überhaupt wahr ist, unge- heuere, uns gar nicht vorstellbare Zeiträume verflossen sein, während die stufenweise historische Entwickelung des Thier- und Pflanzenreichs durch allmähliche Umbildung der Arten vor sich ging. Es liegt aber auch nicht ein einziger Grund vor, irgend eine bestimmte Grenze für die Länge jener phyletischen Entwickelungsperioden anzunehmen.
Ein zweiter Haupteinwand, der von vielen, namentlich systema- tischen Zoologen und Botanikern, gegen die Abstammungslehre erhoben wird, ist der, daß man keine Uebergangsformen zwischen den verschiedenen Arten finden könne, während man diese doch nach der Abstammungslehre in Menge finden müßte. Dieser Einwurf ist zum Theil begründet, zum Theil aber auch nicht. Denn es existiren Ueber- gangsformen sowohl zwischen lebenden, als auch zwischen ausgestorbe- nen Arten in außerordentlicher Menge, überall nämlich da, wo wir Gelegenheit haben, sehr zahlreiche Jndividuen von verwandten Arten vergleichend in's Auge zu fassen. Grade diejenigen sorgfältigsten Unter- sucher der einzelnen Species, von denen man jenen Einwurf häufig hört, grade diese finden wir in ihren speciellen Untersuchungsreihen beständig durch die in der That unlösbare Schwierigkeit aufgehalten, die einzelnen Arten scharf zu unterscheiden. Jn allen systematischen Werken, welche einigermaßen gründlich sind, begegnen Sie endlosen Klagen darüber, daß man hier und dort die Arten nicht unterscheiden könne, weil zu viele Uebergangsformen vorhanden seien. Daher bestimmt auch jeder Naturforscher den Umfang und die Zahl der einzelnen Arten anders, als die übrigen. Wie ich schon früher erwähnte (S. 223), nehmen in einer und derselben Organismengruppe die einen Zoologen und Botaniker 10 Arten an, andere 20, andere hundert oder mehr, während noch andere Systematiker alle diese verschiedenen Formen nur als Spielarten oder Varietäten einer einzigen "guten Species" betrachten. Man braucht daher bei den meisten Formengruppen wahrlich nicht lange zu suchen, um die von Vielen vermißten Uebergangsformen und Zwi- schenstufen zwischen den einzelnen Species in Hülle und Fülle zu finden.
Uebergangsformen zwiſchen den organiſchen Arten.
lativitaͤt alles Zeitmaaßes auf das Unmittelbarſte vor Augen. Ganz gewiß muͤſſen, wenn die Entwickelungslehre uͤberhaupt wahr iſt, unge- heuere, uns gar nicht vorſtellbare Zeitraͤume verfloſſen ſein, waͤhrend die ſtufenweiſe hiſtoriſche Entwickelung des Thier- und Pflanzenreichs durch allmaͤhliche Umbildung der Arten vor ſich ging. Es liegt aber auch nicht ein einziger Grund vor, irgend eine beſtimmte Grenze fuͤr die Laͤnge jener phyletiſchen Entwickelungsperioden anzunehmen.
Ein zweiter Haupteinwand, der von vielen, namentlich ſyſtema- tiſchen Zoologen und Botanikern, gegen die Abſtammungslehre erhoben wird, iſt der, daß man keine Uebergangsformen zwiſchen den verſchiedenen Arten finden koͤnne, waͤhrend man dieſe doch nach der Abſtammungslehre in Menge finden muͤßte. Dieſer Einwurf iſt zum Theil begruͤndet, zum Theil aber auch nicht. Denn es exiſtiren Ueber- gangsformen ſowohl zwiſchen lebenden, als auch zwiſchen ausgeſtorbe- nen Arten in außerordentlicher Menge, uͤberall naͤmlich da, wo wir Gelegenheit haben, ſehr zahlreiche Jndividuen von verwandten Arten vergleichend in’s Auge zu faſſen. Grade diejenigen ſorgfaͤltigſten Unter- ſucher der einzelnen Species, von denen man jenen Einwurf haͤufig hoͤrt, grade dieſe finden wir in ihren ſpeciellen Unterſuchungsreihen beſtaͤndig durch die in der That unloͤsbare Schwierigkeit aufgehalten, die einzelnen Arten ſcharf zu unterſcheiden. Jn allen ſyſtematiſchen Werken, welche einigermaßen gruͤndlich ſind, begegnen Sie endloſen Klagen daruͤber, daß man hier und dort die Arten nicht unterſcheiden koͤnne, weil zu viele Uebergangsformen vorhanden ſeien. Daher beſtimmt auch jeder Naturforſcher den Umfang und die Zahl der einzelnen Arten anders, als die uͤbrigen. Wie ich ſchon fruͤher erwaͤhnte (S. 223), nehmen in einer und derſelben Organismengruppe die einen Zoologen und Botaniker 10 Arten an, andere 20, andere hundert oder mehr, waͤhrend noch andere Syſtematiker alle dieſe verſchiedenen Formen nur als Spielarten oder Varietaͤten einer einzigen „guten Species“ betrachten. Man braucht daher bei den meiſten Formengruppen wahrlich nicht lange zu ſuchen, um die von Vielen vermißten Uebergangsformen und Zwi- ſchenſtufen zwiſchen den einzelnen Species in Huͤlle und Fuͤlle zu finden.
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Uebergangsformen zwiſchen den organiſchen Arten.
lativitaͤt alles Zeitmaaßes auf das Unmittelbarſte vor Augen. Ganz
gewiß muͤſſen, wenn die Entwickelungslehre uͤberhaupt wahr iſt, unge-
heuere, uns gar nicht vorſtellbare Zeitraͤume verfloſſen ſein, waͤhrend die
ſtufenweiſe hiſtoriſche Entwickelung des Thier- und Pflanzenreichs durch
allmaͤhliche Umbildung der Arten vor ſich ging. Es liegt aber auch
nicht ein einziger Grund vor, irgend eine beſtimmte Grenze fuͤr die
Laͤnge jener phyletiſchen Entwickelungsperioden anzunehmen.
Ein zweiter Haupteinwand, der von vielen, namentlich ſyſtema-
tiſchen Zoologen und Botanikern, gegen die Abſtammungslehre erhoben
wird, iſt der, daß man keine Uebergangsformen zwiſchen den
verſchiedenen Arten finden koͤnne, waͤhrend man dieſe doch nach der
Abſtammungslehre in Menge finden muͤßte. Dieſer Einwurf iſt zum
Theil begruͤndet, zum Theil aber auch nicht. Denn es exiſtiren Ueber-
gangsformen ſowohl zwiſchen lebenden, als auch zwiſchen ausgeſtorbe-
nen Arten in außerordentlicher Menge, uͤberall naͤmlich da, wo wir
Gelegenheit haben, ſehr zahlreiche Jndividuen von verwandten Arten
vergleichend in’s Auge zu faſſen. Grade diejenigen ſorgfaͤltigſten Unter-
ſucher der einzelnen Species, von denen man jenen Einwurf haͤufig
hoͤrt, grade dieſe finden wir in ihren ſpeciellen Unterſuchungsreihen
beſtaͤndig durch die in der That unloͤsbare Schwierigkeit aufgehalten,
die einzelnen Arten ſcharf zu unterſcheiden. Jn allen ſyſtematiſchen
Werken, welche einigermaßen gruͤndlich ſind, begegnen Sie endloſen
Klagen daruͤber, daß man hier und dort die Arten nicht unterſcheiden
koͤnne, weil zu viele Uebergangsformen vorhanden ſeien. Daher beſtimmt
auch jeder Naturforſcher den Umfang und die Zahl der einzelnen Arten
anders, als die uͤbrigen. Wie ich ſchon fruͤher erwaͤhnte (S. 223), nehmen
in einer und derſelben Organismengruppe die einen Zoologen und
Botaniker 10 Arten an, andere 20, andere hundert oder mehr, waͤhrend
noch andere Syſtematiker alle dieſe verſchiedenen Formen nur als
Spielarten oder Varietaͤten einer einzigen „guten Species“ betrachten.
Man braucht daher bei den meiſten Formengruppen wahrlich nicht lange
zu ſuchen, um die von Vielen vermißten Uebergangsformen und Zwi-
ſchenſtufen zwiſchen den einzelnen Species in Huͤlle und Fuͤlle zu finden.
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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 525. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/550>, abgerufen am 25.11.2024.
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