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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

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Scheinhufer (Chelophoren): (Elephant und Klippdas).
diese durch eocene Psammoryctiden unmittelbar mit den Eichhornartigen
zusammenhängen. Die vierte Unterordnung, die Hasenartigen
(Lagomorpha), haben sich wohl erst später aus einer von jenen drei
Unterordnungen entwickelt.

An die Nagethiere schließt sich sehr eng die merkwürdige Ordnung
der Scheinhufer (Chelophora) an. Von diesen leben heutzutage
nur noch zwei, in Asien und Afrika einheimische Gattungen, nämlich
die Elephanten (Elephas) und die Klippdasse (Hyrax). Beide
wurden bisher gewöhnlich zu den echten Hufthieren oder Ungulaten
gestellt, mit denen sie in der Hufbildung der Füße übereinstimmen.
Allein eine gleiche Umbildung der ursprünglichen Nägel oder Krallen
zu Hufen findet sich auch bei echten Nagethieren, und gerade unter
diesen Hufnagethieren (Subungulata), welche ausschließlich Südame-
rika bewohnen, finden sich neben kleineren Thieren (z. B. Meerschwein-
chen und Goldhasen) auch die größten aller Nagethiere, die gegen
vier Fuß langen Wasserschweine (Hydrochoerus capybara). Die
Klippdasse, welche auch äußerlich den Nagethieren, namentlich den
Hufnagern sehr ähnlich sind, wurden bereits früher von einigen be-
rühmten Zoologen als eine besondere Unterordnung (Lamnungia)
wirklich zu den Nagethieren gestellt. Dagegen betrachtete man die
Elephanten, falls man sie nicht zu den Hufthieren rechnete, gewöhn-
lich als Vertreter einer besonderen Ordnung, welche man Rüsselthiere
(Proboscidea) nannte. Nun stimmen aber die Elephanten und Klipp-
dasse merkwürdig in der Bildung ihrer Placenta überein, und entfer-
nen sich dadurch jedenfalls gänzlich von den Hufthieren. Diese letzte-
ren besitzen niemals eine Decidua, während Elephant und Hyrax echte
Deciduaten sind. Allerdings ist die Placenta derselben nicht scheiben-
förmig, sondern gürtelförmig, wie bei den Raubthieren. Allein es
ist wohl denkbar, daß sich die gürtelförmige Placenta erst secundär
aus der scheibenförmigen entwickelt hat. Jn diesem Falle könnte man
daran denken, daß die Scheinhufer aus einem Zweige der Nagethiere,
und ähnlich vielleicht die Raubthiere aus einem Zweige der Jnsecten-
fresser sich entwickelt haben. Jedenfalls stehen die Elephanten und die

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Scheinhufer (Chelophoren): (Elephant und Klippdas).
dieſe durch eocene Pſammoryctiden unmittelbar mit den Eichhornartigen
zuſammenhaͤngen. Die vierte Unterordnung, die Haſenartigen
(Lagomorpha), haben ſich wohl erſt ſpaͤter aus einer von jenen drei
Unterordnungen entwickelt.

An die Nagethiere ſchließt ſich ſehr eng die merkwuͤrdige Ordnung
der Scheinhufer (Chelophora) an. Von dieſen leben heutzutage
nur noch zwei, in Aſien und Afrika einheimiſche Gattungen, naͤmlich
die Elephanten (Elephas) und die Klippdaſſe (Hyrax). Beide
wurden bisher gewoͤhnlich zu den echten Hufthieren oder Ungulaten
geſtellt, mit denen ſie in der Hufbildung der Fuͤße uͤbereinſtimmen.
Allein eine gleiche Umbildung der urſpruͤnglichen Naͤgel oder Krallen
zu Hufen findet ſich auch bei echten Nagethieren, und gerade unter
dieſen Hufnagethieren (Subungulata), welche ausſchließlich Suͤdame-
rika bewohnen, finden ſich neben kleineren Thieren (z. B. Meerſchwein-
chen und Goldhaſen) auch die groͤßten aller Nagethiere, die gegen
vier Fuß langen Waſſerſchweine (Hydrochoerus capybara). Die
Klippdaſſe, welche auch aͤußerlich den Nagethieren, namentlich den
Hufnagern ſehr aͤhnlich ſind, wurden bereits fruͤher von einigen be-
ruͤhmten Zoologen als eine beſondere Unterordnung (Lamnungia)
wirklich zu den Nagethieren geſtellt. Dagegen betrachtete man die
Elephanten, falls man ſie nicht zu den Hufthieren rechnete, gewoͤhn-
lich als Vertreter einer beſonderen Ordnung, welche man Ruͤſſelthiere
(Proboscidea) nannte. Nun ſtimmen aber die Elephanten und Klipp-
daſſe merkwuͤrdig in der Bildung ihrer Placenta uͤberein, und entfer-
nen ſich dadurch jedenfalls gaͤnzlich von den Hufthieren. Dieſe letzte-
ren beſitzen niemals eine Decidua, waͤhrend Elephant und Hyrax echte
Deciduaten ſind. Allerdings iſt die Placenta derſelben nicht ſcheiben-
foͤrmig, ſondern guͤrtelfoͤrmig, wie bei den Raubthieren. Allein es
iſt wohl denkbar, daß ſich die guͤrtelfoͤrmige Placenta erſt ſecundaͤr
aus der ſcheibenfoͤrmigen entwickelt hat. Jn dieſem Falle koͤnnte man
daran denken, daß die Scheinhufer aus einem Zweige der Nagethiere,
und aͤhnlich vielleicht die Raubthiere aus einem Zweige der Jnſecten-
freſſer ſich entwickelt haben. Jedenfalls ſtehen die Elephanten und die

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[483/0508] Scheinhufer (Chelophoren): (Elephant und Klippdas). dieſe durch eocene Pſammoryctiden unmittelbar mit den Eichhornartigen zuſammenhaͤngen. Die vierte Unterordnung, die Haſenartigen (Lagomorpha), haben ſich wohl erſt ſpaͤter aus einer von jenen drei Unterordnungen entwickelt. An die Nagethiere ſchließt ſich ſehr eng die merkwuͤrdige Ordnung der Scheinhufer (Chelophora) an. Von dieſen leben heutzutage nur noch zwei, in Aſien und Afrika einheimiſche Gattungen, naͤmlich die Elephanten (Elephas) und die Klippdaſſe (Hyrax). Beide wurden bisher gewoͤhnlich zu den echten Hufthieren oder Ungulaten geſtellt, mit denen ſie in der Hufbildung der Fuͤße uͤbereinſtimmen. Allein eine gleiche Umbildung der urſpruͤnglichen Naͤgel oder Krallen zu Hufen findet ſich auch bei echten Nagethieren, und gerade unter dieſen Hufnagethieren (Subungulata), welche ausſchließlich Suͤdame- rika bewohnen, finden ſich neben kleineren Thieren (z. B. Meerſchwein- chen und Goldhaſen) auch die groͤßten aller Nagethiere, die gegen vier Fuß langen Waſſerſchweine (Hydrochoerus capybara). Die Klippdaſſe, welche auch aͤußerlich den Nagethieren, namentlich den Hufnagern ſehr aͤhnlich ſind, wurden bereits fruͤher von einigen be- ruͤhmten Zoologen als eine beſondere Unterordnung (Lamnungia) wirklich zu den Nagethieren geſtellt. Dagegen betrachtete man die Elephanten, falls man ſie nicht zu den Hufthieren rechnete, gewoͤhn- lich als Vertreter einer beſonderen Ordnung, welche man Ruͤſſelthiere (Proboscidea) nannte. Nun ſtimmen aber die Elephanten und Klipp- daſſe merkwuͤrdig in der Bildung ihrer Placenta uͤberein, und entfer- nen ſich dadurch jedenfalls gaͤnzlich von den Hufthieren. Dieſe letzte- ren beſitzen niemals eine Decidua, waͤhrend Elephant und Hyrax echte Deciduaten ſind. Allerdings iſt die Placenta derſelben nicht ſcheiben- foͤrmig, ſondern guͤrtelfoͤrmig, wie bei den Raubthieren. Allein es iſt wohl denkbar, daß ſich die guͤrtelfoͤrmige Placenta erſt ſecundaͤr aus der ſcheibenfoͤrmigen entwickelt hat. Jn dieſem Falle koͤnnte man daran denken, daß die Scheinhufer aus einem Zweige der Nagethiere, und aͤhnlich vielleicht die Raubthiere aus einem Zweige der Jnſecten- freſſer ſich entwickelt haben. Jedenfalls ſtehen die Elephanten und die 31 *

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/508>, abgerufen am 22.11.2024.