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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

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Halbaffen (Prosimien). Nagethiere (Rodentien).
vermuthlich aus den Handbeutlern oder affenfüßigen Beutelthieren
(Pedimana) entwickelt, welche in der Umbildung ihrer Hinterfüße zu
einer Greifhand ihnen auffallend gleichen. Die uralten (wahrscheinlich
in der Anteocen-Periode entstandenen) Stammformen selbst sind na-
türlich längst ausgestorben, ebenso die allermeisten Uebergangsformen
zwischen denselben und den übrigen Deciduaten-Ordnungen. Aber
einzelne Reste der letzteren haben sich in den heute noch lebenden Halb-
affen erhalten. Unter diesen bildet das merkwürdige Fingerthier von
Madagaskar (Chiromys madagascariensis) den Rest der Leptodac-
tylen-Gruppe und den Uebergang zu den Nagethieren. Der seltsame
Pelzflatterer der Südsee-Jnseln und Sunda-Jnseln (Galeopithe-
cus),
das einzige Ueberbleibsel der Ptenopleuren-Gruppe, ist eine voll-
kommene Zwischenstufe zwischen den Halbaffen und Flederthieren.
Die Langfüßer (Tarsius, Otolicnus) bilden den letzten Rest desjenigen
Stammzweiges (Macrotarsi), aus dem sich die Jnsectenfresser entwickel-
ten. Die Kurzfüßer endlich (Brachytarsi) vermitteln den Anschluß
an die echten Affen. Zu den Kurzfüßern gehören die langschwänzigen
Maki (Lemur), und die kurzschwänzigen Jndri (Lichanotus) und
Lori (Stenops), von denen namentlich die letzteren sich den vermuth-
lichen Vorfahren des Menschen unter den Halbaffen sehr nahe anzu-
schließen scheinen. Sowohl die Kurzfüßer als die Langfüßer leben weit
zerstreut auf den Jnseln des südlichen Asiens und Afrikas, namentlich
auf Madagaskar, einige auch auf dem afrikanischen Festlande. Kein
Halbaffe ist bisher lebend oder fossil in Amerika gefunden. Alle füh-
ren eine einsame, nächtliche Lebensweise und klettern auf Bäumen umher.

Unter den übrigen Deciduaten-Ordnungen, welche wahrschein-
lich alle von längst ausgestorbenen Halbaffen abstammen, ist auf der
niedrigsten Stufe die formenreiche Ordnung der Nagethiere (Ro-
dentia)
stehen geblieben. Unter diesen stehen die Eichhornartigen
(Sciuromorpha) den Fingerthieren am nächsten. Aus dieser Stamm-
gruppe haben sich wahrscheinlich als zwei divergente Zweige die Mäuse-
artigen
(Myomorpha) und die Stachelschweinartigen (Hy-
strichomorpha)
entwickelt, von denen jene durch eocene Myoxiden

Halbaffen (Proſimien). Nagethiere (Rodentien).
vermuthlich aus den Handbeutlern oder affenfuͤßigen Beutelthieren
(Pedimana) entwickelt, welche in der Umbildung ihrer Hinterfuͤße zu
einer Greifhand ihnen auffallend gleichen. Die uralten (wahrſcheinlich
in der Anteocen-Periode entſtandenen) Stammformen ſelbſt ſind na-
tuͤrlich laͤngſt ausgeſtorben, ebenſo die allermeiſten Uebergangsformen
zwiſchen denſelben und den uͤbrigen Deciduaten-Ordnungen. Aber
einzelne Reſte der letzteren haben ſich in den heute noch lebenden Halb-
affen erhalten. Unter dieſen bildet das merkwuͤrdige Fingerthier von
Madagaskar (Chiromys madagascariensis) den Reſt der Leptodac-
tylen-Gruppe und den Uebergang zu den Nagethieren. Der ſeltſame
Pelzflatterer der Suͤdſee-Jnſeln und Sunda-Jnſeln (Galeopithe-
cus),
das einzige Ueberbleibſel der Ptenopleuren-Gruppe, iſt eine voll-
kommene Zwiſchenſtufe zwiſchen den Halbaffen und Flederthieren.
Die Langfuͤßer (Tarsius, Otolicnus) bilden den letzten Reſt desjenigen
Stammzweiges (Macrotarsi), aus dem ſich die Jnſectenfreſſer entwickel-
ten. Die Kurzfuͤßer endlich (Brachytarsi) vermitteln den Anſchluß
an die echten Affen. Zu den Kurzfuͤßern gehoͤren die langſchwaͤnzigen
Maki (Lemur), und die kurzſchwaͤnzigen Jndri (Lichanotus) und
Lori (Stenops), von denen namentlich die letzteren ſich den vermuth-
lichen Vorfahren des Menſchen unter den Halbaffen ſehr nahe anzu-
ſchließen ſcheinen. Sowohl die Kurzfuͤßer als die Langfuͤßer leben weit
zerſtreut auf den Jnſeln des ſuͤdlichen Aſiens und Afrikas, namentlich
auf Madagaskar, einige auch auf dem afrikaniſchen Feſtlande. Kein
Halbaffe iſt bisher lebend oder foſſil in Amerika gefunden. Alle fuͤh-
ren eine einſame, naͤchtliche Lebensweiſe und klettern auf Baͤumen umher.

Unter den uͤbrigen Deciduaten-Ordnungen, welche wahrſchein-
lich alle von laͤngſt ausgeſtorbenen Halbaffen abſtammen, iſt auf der
niedrigſten Stufe die formenreiche Ordnung der Nagethiere (Ro-
dentia)
ſtehen geblieben. Unter dieſen ſtehen die Eichhornartigen
(Sciuromorpha) den Fingerthieren am naͤchſten. Aus dieſer Stamm-
gruppe haben ſich wahrſcheinlich als zwei divergente Zweige die Maͤuſe-
artigen
(Myomorpha) und die Stachelſchweinartigen (Hy-
strichomorpha)
entwickelt, von denen jene durch eocene Myoxiden

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[482/0507] Halbaffen (Proſimien). Nagethiere (Rodentien). vermuthlich aus den Handbeutlern oder affenfuͤßigen Beutelthieren (Pedimana) entwickelt, welche in der Umbildung ihrer Hinterfuͤße zu einer Greifhand ihnen auffallend gleichen. Die uralten (wahrſcheinlich in der Anteocen-Periode entſtandenen) Stammformen ſelbſt ſind na- tuͤrlich laͤngſt ausgeſtorben, ebenſo die allermeiſten Uebergangsformen zwiſchen denſelben und den uͤbrigen Deciduaten-Ordnungen. Aber einzelne Reſte der letzteren haben ſich in den heute noch lebenden Halb- affen erhalten. Unter dieſen bildet das merkwuͤrdige Fingerthier von Madagaskar (Chiromys madagascariensis) den Reſt der Leptodac- tylen-Gruppe und den Uebergang zu den Nagethieren. Der ſeltſame Pelzflatterer der Suͤdſee-Jnſeln und Sunda-Jnſeln (Galeopithe- cus), das einzige Ueberbleibſel der Ptenopleuren-Gruppe, iſt eine voll- kommene Zwiſchenſtufe zwiſchen den Halbaffen und Flederthieren. Die Langfuͤßer (Tarsius, Otolicnus) bilden den letzten Reſt desjenigen Stammzweiges (Macrotarsi), aus dem ſich die Jnſectenfreſſer entwickel- ten. Die Kurzfuͤßer endlich (Brachytarsi) vermitteln den Anſchluß an die echten Affen. Zu den Kurzfuͤßern gehoͤren die langſchwaͤnzigen Maki (Lemur), und die kurzſchwaͤnzigen Jndri (Lichanotus) und Lori (Stenops), von denen namentlich die letzteren ſich den vermuth- lichen Vorfahren des Menſchen unter den Halbaffen ſehr nahe anzu- ſchließen ſcheinen. Sowohl die Kurzfuͤßer als die Langfuͤßer leben weit zerſtreut auf den Jnſeln des ſuͤdlichen Aſiens und Afrikas, namentlich auf Madagaskar, einige auch auf dem afrikaniſchen Feſtlande. Kein Halbaffe iſt bisher lebend oder foſſil in Amerika gefunden. Alle fuͤh- ren eine einſame, naͤchtliche Lebensweiſe und klettern auf Baͤumen umher. Unter den uͤbrigen Deciduaten-Ordnungen, welche wahrſchein- lich alle von laͤngſt ausgeſtorbenen Halbaffen abſtammen, iſt auf der niedrigſten Stufe die formenreiche Ordnung der Nagethiere (Ro- dentia) ſtehen geblieben. Unter dieſen ſtehen die Eichhornartigen (Sciuromorpha) den Fingerthieren am naͤchſten. Aus dieſer Stamm- gruppe haben ſich wahrſcheinlich als zwei divergente Zweige die Maͤuſe- artigen (Myomorpha) und die Stachelſchweinartigen (Hy- strichomorpha) entwickelt, von denen jene durch eocene Myoxiden

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/507>, abgerufen am 25.11.2024.