Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite
Hufthiere oder Ungulaten.

odon, Coryphodon, Pliolophus). An diese schließt sich unmittelbar der-
jenige Zweig derselben an, welcher die eigentliche Stammform der
Unpaarhufer ist, die Paläotherien, welche fossil im oberen Eocen
und unteren Miocen vorkommen. Aus den Paläotherien haben sich
später als zwei divergente Zweige einerseits die Nashörner (Nasi-
cornia)
und Nashornpferde (Elasmotherida), andrerseits die Tapire,
Lamatapire und Urpferde entwickelt. Die längst ausgestorbenen Ur-
pferde oder Anchitherien vermittelten den Uebergang von den Paläo-
therien und Tapiren zu den Mittelpferden oder Hipparionen, die den
noch lebenden echten Pferden schon ganz nahe stehen.

Die zweite Hauptgruppe der Hufthiere, die Ordnung der Paar-
hufer
(Artiodactyla) enthält diejenigen Hufthiere, bei denen die
mittlere (dritte) und die vierte Zehe des Fußes nahezu gleich stark ent-
wickelt sind, so daß die Theilungsebene zwischen Beiden die Mitte des
ganzen Fußes bildet. Sie zerfällt in die beiden Unterordnungen der
Schweineförmigen und der Wiederkäuer. Zu den Schweineförmi-
gen
(Choeromorpha) gehört zunächst der andere Zweig der Stamm-
hufer, die Anoplotherien, welche wir als die gemeinsame Stamm-
form aller Paarhufer oder Artiodactylen betrachten. Aus dieser Stamm-
gruppe entsprangen wahrscheinlich als zwei divergente Zweige einer-
seits die Urschweine oder Anthrakotherien, welche zu den Schweinen
und Flußpferden, andrerseits die Xiphodonten, welche zu den Wieder-
käuern hinüberführten. Die ältesten Wiederkäuer (Ruminantia)
sind die Urhirsche oder Dremotherien, aus denen vielleicht als drei
divergente Zweige die Hirschförmigen (Elaphia), die Hohlhörnigen
(Cavicornia) und die Kamele (Tylopoda) sich entwickelt haben. Doch
sind die letzteren in mancher Beziehung mehr den Unpaarhufern als
den echten Paarhufern verwandt. Wie sich die zahlreichen Familien
der Hufthiere dieser genealogischen Hypothese entsprechend gruppiren,
zeigt Jhnen vorstehende systematische Uebersicht (S. 476).

Aus Hufthieren, welche sich an das ausschließliche Leben im Was-
ser gewöhnten, und dadurch fischähnlich umbildeten, ist wahrschein-
lich die merkwürdige Legion der Walthiere (Cetacea) entsprungen.

Hufthiere oder Ungulaten.

odon, Coryphodon, Pliolophus). An dieſe ſchließt ſich unmittelbar der-
jenige Zweig derſelben an, welcher die eigentliche Stammform der
Unpaarhufer iſt, die Palaͤotherien, welche foſſil im oberen Eocen
und unteren Miocen vorkommen. Aus den Palaͤotherien haben ſich
ſpaͤter als zwei divergente Zweige einerſeits die Nashoͤrner (Nasi-
cornia)
und Nashornpferde (Elasmotherida), andrerſeits die Tapire,
Lamatapire und Urpferde entwickelt. Die laͤngſt ausgeſtorbenen Ur-
pferde oder Anchitherien vermittelten den Uebergang von den Palaͤo-
therien und Tapiren zu den Mittelpferden oder Hipparionen, die den
noch lebenden echten Pferden ſchon ganz nahe ſtehen.

Die zweite Hauptgruppe der Hufthiere, die Ordnung der Paar-
hufer
(Artiodactyla) enthaͤlt diejenigen Hufthiere, bei denen die
mittlere (dritte) und die vierte Zehe des Fußes nahezu gleich ſtark ent-
wickelt ſind, ſo daß die Theilungsebene zwiſchen Beiden die Mitte des
ganzen Fußes bildet. Sie zerfaͤllt in die beiden Unterordnungen der
Schweinefoͤrmigen und der Wiederkaͤuer. Zu den Schweinefoͤrmi-
gen
(Choeromorpha) gehoͤrt zunaͤchſt der andere Zweig der Stamm-
hufer, die Anoplotherien, welche wir als die gemeinſame Stamm-
form aller Paarhufer oder Artiodactylen betrachten. Aus dieſer Stamm-
gruppe entſprangen wahrſcheinlich als zwei divergente Zweige einer-
ſeits die Urſchweine oder Anthrakotherien, welche zu den Schweinen
und Flußpferden, andrerſeits die Xiphodonten, welche zu den Wieder-
kaͤuern hinuͤberfuͤhrten. Die aͤlteſten Wiederkaͤuer (Ruminantia)
ſind die Urhirſche oder Dremotherien, aus denen vielleicht als drei
divergente Zweige die Hirſchfoͤrmigen (Elaphia), die Hohlhoͤrnigen
(Cavicornia) und die Kamele (Tylopoda) ſich entwickelt haben. Doch
ſind die letzteren in mancher Beziehung mehr den Unpaarhufern als
den echten Paarhufern verwandt. Wie ſich die zahlreichen Familien
der Hufthiere dieſer genealogiſchen Hypotheſe entſprechend gruppiren,
zeigt Jhnen vorſtehende ſyſtematiſche Ueberſicht (S. 476).

Aus Hufthieren, welche ſich an das ausſchließliche Leben im Waſ-
ſer gewoͤhnten, und dadurch fiſchaͤhnlich umbildeten, iſt wahrſchein-
lich die merkwuͤrdige Legion der Walthiere (Cetacea) entſprungen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0503" n="478"/>
        <fw place="top" type="header">Hufthiere oder Ungulaten.</fw><lb/>
        <p><hi rendition="#aq">odon, Coryphodon, Pliolophus).</hi> An die&#x017F;e &#x017F;chließt &#x017F;ich unmittelbar der-<lb/>
jenige Zweig der&#x017F;elben an, welcher die eigentliche Stammform der<lb/>
Unpaarhufer i&#x017F;t, die <hi rendition="#g">Pala&#x0364;otherien,</hi> welche fo&#x017F;&#x017F;il im oberen Eocen<lb/>
und unteren Miocen vorkommen. Aus den Pala&#x0364;otherien haben &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;pa&#x0364;ter als zwei divergente Zweige einer&#x017F;eits die Nasho&#x0364;rner <hi rendition="#aq">(Nasi-<lb/>
cornia)</hi> und Nashornpferde <hi rendition="#aq">(Elasmotherida),</hi> andrer&#x017F;eits die Tapire,<lb/>
Lamatapire und Urpferde entwickelt. Die la&#x0364;ng&#x017F;t ausge&#x017F;torbenen Ur-<lb/>
pferde oder Anchitherien vermittelten den Uebergang von den Pala&#x0364;o-<lb/>
therien und Tapiren zu den Mittelpferden oder Hipparionen, die den<lb/>
noch lebenden echten Pferden &#x017F;chon ganz nahe &#x017F;tehen.</p><lb/>
        <p>Die zweite Hauptgruppe der Hufthiere, die Ordnung der <hi rendition="#g">Paar-<lb/>
hufer</hi> <hi rendition="#aq">(Artiodactyla)</hi> entha&#x0364;lt diejenigen Hufthiere, bei denen die<lb/>
mittlere (dritte) und die vierte Zehe des Fußes nahezu gleich &#x017F;tark ent-<lb/>
wickelt &#x017F;ind, &#x017F;o daß die Theilungsebene zwi&#x017F;chen Beiden die Mitte des<lb/>
ganzen Fußes bildet. Sie zerfa&#x0364;llt in die beiden Unterordnungen der<lb/>
Schweinefo&#x0364;rmigen und der Wiederka&#x0364;uer. Zu den <hi rendition="#g">Schweinefo&#x0364;rmi-<lb/>
gen</hi> <hi rendition="#aq">(Choeromorpha)</hi> geho&#x0364;rt zuna&#x0364;ch&#x017F;t der andere Zweig der Stamm-<lb/>
hufer, die <hi rendition="#g">Anoplotherien,</hi> welche wir als die gemein&#x017F;ame Stamm-<lb/>
form aller Paarhufer oder Artiodactylen betrachten. Aus die&#x017F;er Stamm-<lb/>
gruppe ent&#x017F;prangen wahr&#x017F;cheinlich als zwei divergente Zweige einer-<lb/>
&#x017F;eits die Ur&#x017F;chweine oder Anthrakotherien, welche zu den Schweinen<lb/>
und Flußpferden, andrer&#x017F;eits die Xiphodonten, welche zu den Wieder-<lb/>
ka&#x0364;uern hinu&#x0364;berfu&#x0364;hrten. Die a&#x0364;lte&#x017F;ten <hi rendition="#g">Wiederka&#x0364;uer</hi> <hi rendition="#aq">(Ruminantia)</hi><lb/>
&#x017F;ind die Urhir&#x017F;che oder Dremotherien, aus denen vielleicht als drei<lb/>
divergente Zweige die Hir&#x017F;chfo&#x0364;rmigen <hi rendition="#aq">(Elaphia),</hi> die Hohlho&#x0364;rnigen<lb/><hi rendition="#aq">(Cavicornia)</hi> und die Kamele <hi rendition="#aq">(Tylopoda)</hi> &#x017F;ich entwickelt haben. Doch<lb/>
&#x017F;ind die letzteren in mancher Beziehung mehr den Unpaarhufern als<lb/>
den echten Paarhufern verwandt. Wie &#x017F;ich die zahlreichen Familien<lb/>
der Hufthiere die&#x017F;er genealogi&#x017F;chen Hypothe&#x017F;e ent&#x017F;prechend gruppiren,<lb/>
zeigt Jhnen vor&#x017F;tehende &#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;che Ueber&#x017F;icht (S. 476).</p><lb/>
        <p>Aus Hufthieren, welche &#x017F;ich an das aus&#x017F;chließliche Leben im Wa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er gewo&#x0364;hnten, und dadurch fi&#x017F;cha&#x0364;hnlich umbildeten, i&#x017F;t wahr&#x017F;chein-<lb/>
lich die merkwu&#x0364;rdige Legion der <hi rendition="#g">Walthiere</hi> <hi rendition="#aq">(Cetacea)</hi> ent&#x017F;prungen.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[478/0503] Hufthiere oder Ungulaten. odon, Coryphodon, Pliolophus). An dieſe ſchließt ſich unmittelbar der- jenige Zweig derſelben an, welcher die eigentliche Stammform der Unpaarhufer iſt, die Palaͤotherien, welche foſſil im oberen Eocen und unteren Miocen vorkommen. Aus den Palaͤotherien haben ſich ſpaͤter als zwei divergente Zweige einerſeits die Nashoͤrner (Nasi- cornia) und Nashornpferde (Elasmotherida), andrerſeits die Tapire, Lamatapire und Urpferde entwickelt. Die laͤngſt ausgeſtorbenen Ur- pferde oder Anchitherien vermittelten den Uebergang von den Palaͤo- therien und Tapiren zu den Mittelpferden oder Hipparionen, die den noch lebenden echten Pferden ſchon ganz nahe ſtehen. Die zweite Hauptgruppe der Hufthiere, die Ordnung der Paar- hufer (Artiodactyla) enthaͤlt diejenigen Hufthiere, bei denen die mittlere (dritte) und die vierte Zehe des Fußes nahezu gleich ſtark ent- wickelt ſind, ſo daß die Theilungsebene zwiſchen Beiden die Mitte des ganzen Fußes bildet. Sie zerfaͤllt in die beiden Unterordnungen der Schweinefoͤrmigen und der Wiederkaͤuer. Zu den Schweinefoͤrmi- gen (Choeromorpha) gehoͤrt zunaͤchſt der andere Zweig der Stamm- hufer, die Anoplotherien, welche wir als die gemeinſame Stamm- form aller Paarhufer oder Artiodactylen betrachten. Aus dieſer Stamm- gruppe entſprangen wahrſcheinlich als zwei divergente Zweige einer- ſeits die Urſchweine oder Anthrakotherien, welche zu den Schweinen und Flußpferden, andrerſeits die Xiphodonten, welche zu den Wieder- kaͤuern hinuͤberfuͤhrten. Die aͤlteſten Wiederkaͤuer (Ruminantia) ſind die Urhirſche oder Dremotherien, aus denen vielleicht als drei divergente Zweige die Hirſchfoͤrmigen (Elaphia), die Hohlhoͤrnigen (Cavicornia) und die Kamele (Tylopoda) ſich entwickelt haben. Doch ſind die letzteren in mancher Beziehung mehr den Unpaarhufern als den echten Paarhufern verwandt. Wie ſich die zahlreichen Familien der Hufthiere dieſer genealogiſchen Hypotheſe entſprechend gruppiren, zeigt Jhnen vorſtehende ſyſtematiſche Ueberſicht (S. 476). Aus Hufthieren, welche ſich an das ausſchließliche Leben im Waſ- ſer gewoͤhnten, und dadurch fiſchaͤhnlich umbildeten, iſt wahrſchein- lich die merkwuͤrdige Legion der Walthiere (Cetacea) entſprungen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/503
Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/503>, abgerufen am 24.07.2024.