unter den Placentalien, insbesondere an die Ameisenfresser erinnern. Andrerseits entsprechen die Raubbeutler oder Raubbeutelthiere (Creophaga) durch Lebensweise und Bildung des Gebisses den eigent- lichen Raubthieren oder Carnivoren unter den Placentalthieren. Es gehören dahin der Beutelmarder (Dasyurus) und der Beutelwolf (Thy- lacinus) von Neuholland. Obwohl letzterer die Größe des Wolfes erreicht, ist er doch ein Zwerg gegen die ausgestorbenen Beutellöwen Australiens (Thylacoleo), welche mindestens von der Größe des Löwen waren und Reißzähne von mehr als zwei Zoll Länge besaßen. Die achte und letzte Ordnung endlich bilden die Handbeutler oder die affenfüßigen Beutelthiere (Pedimana), welche sowohl in Australien als in Amerika leben. Sie finden sich häufig in zoologischen Gärten, namentlich verschiedene Arten der Gattung Didelphys, unter dem Namen der Beutelratten, Buschratten oder Opossum bekannt. An ihren Hinterfüßen kann der Daumen unmittelbar den vier übrigen Ze- hen entgegengesetzt werden, wie bei einer Hand, und sie schließen sich dadurch unmittelbar an die Halbaffen oder Prosimien unter den Pla- centalthieren an. Es wäre möglich, daß diese letzteren wirklich den Handbeutlern nächstverwandt sind und aus längst ausgestorbenen Vor- fahren derselben sich entwickelt haben.
Die Genealogie der Beutelthiere ist sehr schwierig zu errathen, vorzüglich deßhalb, weil wir die ganze Unterklasse nur höchst unvoll- ständig kennen, und die jetzt lebenden Marsupialien offenbar nur die letzten Reste des früheren Formenreichthums darstellen. Vielleicht haben sich die Handbeutler, Raubbeutler, und Rüsselbeutler als drei divergente Aeste aus der gemeinsamen Stammgruppe der Urbeutler entwickelt. Jn ähnlicher Weise sind vielleicht andrerseits die Nage- beutler, Springbeutler und Hufbeutler als drei auseinandergehende Zweige aus der gemeinsamen pflanzenfressenden Stammgruppe, den Kletterbeutlern hervorgegangen. Kletterbeutler aber und Urbeutler sind zwei divergente Aeste der gemeinsamen Stammform aller Beutelthiere, welche während der älterern Secundärzeit aus den Kloakenthieren ent- stand.
Beutelthiere oder Marſupialien.
unter den Placentalien, insbeſondere an die Ameiſenfreſſer erinnern. Andrerſeits entſprechen die Raubbeutler oder Raubbeutelthiere (Creophaga) durch Lebensweiſe und Bildung des Gebiſſes den eigent- lichen Raubthieren oder Carnivoren unter den Placentalthieren. Es gehoͤren dahin der Beutelmarder (Dasyurus) und der Beutelwolf (Thy- lacinus) von Neuholland. Obwohl letzterer die Groͤße des Wolfes erreicht, iſt er doch ein Zwerg gegen die ausgeſtorbenen Beutelloͤwen Auſtraliens (Thylacoleo), welche mindeſtens von der Groͤße des Loͤwen waren und Reißzaͤhne von mehr als zwei Zoll Laͤnge beſaßen. Die achte und letzte Ordnung endlich bilden die Handbeutler oder die affenfuͤßigen Beutelthiere (Pedimana), welche ſowohl in Auſtralien als in Amerika leben. Sie finden ſich haͤufig in zoologiſchen Gaͤrten, namentlich verſchiedene Arten der Gattung Didelphys, unter dem Namen der Beutelratten, Buſchratten oder Opoſſum bekannt. An ihren Hinterfuͤßen kann der Daumen unmittelbar den vier uͤbrigen Ze- hen entgegengeſetzt werden, wie bei einer Hand, und ſie ſchließen ſich dadurch unmittelbar an die Halbaffen oder Proſimien unter den Pla- centalthieren an. Es waͤre moͤglich, daß dieſe letzteren wirklich den Handbeutlern naͤchſtverwandt ſind und aus laͤngſt ausgeſtorbenen Vor- fahren derſelben ſich entwickelt haben.
Die Genealogie der Beutelthiere iſt ſehr ſchwierig zu errathen, vorzuͤglich deßhalb, weil wir die ganze Unterklaſſe nur hoͤchſt unvoll- ſtaͤndig kennen, und die jetzt lebenden Marſupialien offenbar nur die letzten Reſte des fruͤheren Formenreichthums darſtellen. Vielleicht haben ſich die Handbeutler, Raubbeutler, und Ruͤſſelbeutler als drei divergente Aeſte aus der gemeinſamen Stammgruppe der Urbeutler entwickelt. Jn aͤhnlicher Weiſe ſind vielleicht andrerſeits die Nage- beutler, Springbeutler und Hufbeutler als drei auseinandergehende Zweige aus der gemeinſamen pflanzenfreſſenden Stammgruppe, den Kletterbeutlern hervorgegangen. Kletterbeutler aber und Urbeutler ſind zwei divergente Aeſte der gemeinſamen Stammform aller Beutelthiere, welche waͤhrend der aͤlterern Secundaͤrzeit aus den Kloakenthieren ent- ſtand.
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Beutelthiere oder Marſupialien.
unter den Placentalien, insbeſondere an die Ameiſenfreſſer erinnern.
Andrerſeits entſprechen die Raubbeutler oder Raubbeutelthiere
(Creophaga) durch Lebensweiſe und Bildung des Gebiſſes den eigent-
lichen Raubthieren oder Carnivoren unter den Placentalthieren. Es
gehoͤren dahin der Beutelmarder (Dasyurus) und der Beutelwolf (Thy-
lacinus) von Neuholland. Obwohl letzterer die Groͤße des Wolfes
erreicht, iſt er doch ein Zwerg gegen die ausgeſtorbenen Beutelloͤwen
Auſtraliens (Thylacoleo), welche mindeſtens von der Groͤße des
Loͤwen waren und Reißzaͤhne von mehr als zwei Zoll Laͤnge beſaßen.
Die achte und letzte Ordnung endlich bilden die Handbeutler oder
die affenfuͤßigen Beutelthiere (Pedimana), welche ſowohl in Auſtralien
als in Amerika leben. Sie finden ſich haͤufig in zoologiſchen Gaͤrten,
namentlich verſchiedene Arten der Gattung Didelphys, unter dem
Namen der Beutelratten, Buſchratten oder Opoſſum bekannt. An
ihren Hinterfuͤßen kann der Daumen unmittelbar den vier uͤbrigen Ze-
hen entgegengeſetzt werden, wie bei einer Hand, und ſie ſchließen ſich
dadurch unmittelbar an die Halbaffen oder Proſimien unter den Pla-
centalthieren an. Es waͤre moͤglich, daß dieſe letzteren wirklich den
Handbeutlern naͤchſtverwandt ſind und aus laͤngſt ausgeſtorbenen Vor-
fahren derſelben ſich entwickelt haben.
Die Genealogie der Beutelthiere iſt ſehr ſchwierig zu errathen,
vorzuͤglich deßhalb, weil wir die ganze Unterklaſſe nur hoͤchſt unvoll-
ſtaͤndig kennen, und die jetzt lebenden Marſupialien offenbar nur die
letzten Reſte des fruͤheren Formenreichthums darſtellen. Vielleicht
haben ſich die Handbeutler, Raubbeutler, und Ruͤſſelbeutler als drei
divergente Aeſte aus der gemeinſamen Stammgruppe der Urbeutler
entwickelt. Jn aͤhnlicher Weiſe ſind vielleicht andrerſeits die Nage-
beutler, Springbeutler und Hufbeutler als drei auseinandergehende
Zweige aus der gemeinſamen pflanzenfreſſenden Stammgruppe, den
Kletterbeutlern hervorgegangen. Kletterbeutler aber und Urbeutler ſind
zwei divergente Aeſte der gemeinſamen Stammform aller Beutelthiere,
welche waͤhrend der aͤlterern Secundaͤrzeit aus den Kloakenthieren ent-
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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/495>, abgerufen am 23.11.2024.
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