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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

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Fächerschwänzige Vögel (Carinaten).
emplar in dem lithographischen Schiefer von Solenhofen, im oberen
Jura von Baiern, gefunden wurde. Dieser merkwürdige Vogel scheint
im Ganzen Größe und Wuchs eines starken Raben gehabt zu haben,
namentlich was die wohl erhaltenen Beine betrifft; Kopf und Brust
fehlen leider. Die Flügelbildung weicht schon etwas von derjenigen
der anderen Vögel ab, noch viel mehr aber der Schwanz. Bei allen
übrigen Vögeln ist der Schwanz sehr kurz, aus wenigen kurzen Wir-
beln zusammengesetzt. Die letzten derselben sind zu einer dünnen senk-
recht stehenden Knochenplatte verwachsen, an welcher sich die Steuer-
federn des Schwanzes fächerförmig ansetzen. Die Archäopteryx da-
gegen hat einen langen Schwanz, wie die Eidechsen, aus zahlreichen
(20) langen und dünnen Wirbeln zusammengesetzt, und an jedem
Wirbel sitzen zweizeilig ein paar starke Steuerfedern, so daß der ganze
Schwanz regelmäßig gefiedert erscheint. Dieselbe Bildung der Schwanz-
wirbelsäule zeigt sich bei den Embryonen der übrigen Vögel vorüber-
gehend, so daß offenbar der Schwanz der Archäopteryx die ursprüng-
liche, von den Reptilien ererbte Form des Vogelschwanzes darstellt.
Wahrscheinlich lebten ähnliche Vögel mit Eidechsenschwanz um die mitt-
lere Secundärzeit in großer Menge; der Zufall hat uns aber erst diesen
einen Rest bis jetzt enthüllt.

Zu den fächerschwänzigen oder kielbrüstigen Vögeln
(Carinatae), welche die zweite Unterklasse bilden, gehören alle jetzt
lebenden Vögel, mit Ausahme der straußartigen oder Ratiten. Sie
haben sich wahrscheinlich in der zweiten Hälfte der Secundärzeit, in
der Antekretazeit oder in der Kreidezeit, aus den fiederschwänzigen durch
Verwachsung der hinteren Schwanzwirbel und Verkürzung des Schwan-
zes entwickelt. Aus der Secundärzeit kennt man von ihnen nur
sehr wenige Reste, und zwar nur aus dem letzten Abschnitt derselben,
aus der Kreide. Diese Reste gehören einem albatrosartigen Schwimm-
vogel und einem schnepfenartigen Stelzvogel an. Alle übrigen bis
jetzt bekannten versteinerten Vogelreste sind in den Tertiärschichten ge-
funden worden, und zeigen, daß die Klasse erst in der Tertiärzeit ihre
eigentliche Entwickelung und Ausbreitung erreichte.

Faͤcherſchwaͤnzige Voͤgel (Carinaten).
emplar in dem lithographiſchen Schiefer von Solenhofen, im oberen
Jura von Baiern, gefunden wurde. Dieſer merkwuͤrdige Vogel ſcheint
im Ganzen Groͤße und Wuchs eines ſtarken Raben gehabt zu haben,
namentlich was die wohl erhaltenen Beine betrifft; Kopf und Bruſt
fehlen leider. Die Fluͤgelbildung weicht ſchon etwas von derjenigen
der anderen Voͤgel ab, noch viel mehr aber der Schwanz. Bei allen
uͤbrigen Voͤgeln iſt der Schwanz ſehr kurz, aus wenigen kurzen Wir-
beln zuſammengeſetzt. Die letzten derſelben ſind zu einer duͤnnen ſenk-
recht ſtehenden Knochenplatte verwachſen, an welcher ſich die Steuer-
federn des Schwanzes faͤcherfoͤrmig anſetzen. Die Archaͤopteryx da-
gegen hat einen langen Schwanz, wie die Eidechſen, aus zahlreichen
(20) langen und duͤnnen Wirbeln zuſammengeſetzt, und an jedem
Wirbel ſitzen zweizeilig ein paar ſtarke Steuerfedern, ſo daß der ganze
Schwanz regelmaͤßig gefiedert erſcheint. Dieſelbe Bildung der Schwanz-
wirbelſaͤule zeigt ſich bei den Embryonen der uͤbrigen Voͤgel voruͤber-
gehend, ſo daß offenbar der Schwanz der Archaͤopteryx die urſpruͤng-
liche, von den Reptilien ererbte Form des Vogelſchwanzes darſtellt.
Wahrſcheinlich lebten aͤhnliche Voͤgel mit Eidechſenſchwanz um die mitt-
lere Secundaͤrzeit in großer Menge; der Zufall hat uns aber erſt dieſen
einen Reſt bis jetzt enthuͤllt.

Zu den faͤcherſchwaͤnzigen oder kielbruͤſtigen Voͤgeln
(Carinatae), welche die zweite Unterklaſſe bilden, gehoͤren alle jetzt
lebenden Voͤgel, mit Ausahme der ſtraußartigen oder Ratiten. Sie
haben ſich wahrſcheinlich in der zweiten Haͤlfte der Secundaͤrzeit, in
der Antekretazeit oder in der Kreidezeit, aus den fiederſchwaͤnzigen durch
Verwachſung der hinteren Schwanzwirbel und Verkuͤrzung des Schwan-
zes entwickelt. Aus der Secundaͤrzeit kennt man von ihnen nur
ſehr wenige Reſte, und zwar nur aus dem letzten Abſchnitt derſelben,
aus der Kreide. Dieſe Reſte gehoͤren einem albatrosartigen Schwimm-
vogel und einem ſchnepfenartigen Stelzvogel an. Alle uͤbrigen bis
jetzt bekannten verſteinerten Vogelreſte ſind in den Tertiaͤrſchichten ge-
funden worden, und zeigen, daß die Klaſſe erſt in der Tertiaͤrzeit ihre
eigentliche Entwickelung und Ausbreitung erreichte.

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[459/0484] Faͤcherſchwaͤnzige Voͤgel (Carinaten). emplar in dem lithographiſchen Schiefer von Solenhofen, im oberen Jura von Baiern, gefunden wurde. Dieſer merkwuͤrdige Vogel ſcheint im Ganzen Groͤße und Wuchs eines ſtarken Raben gehabt zu haben, namentlich was die wohl erhaltenen Beine betrifft; Kopf und Bruſt fehlen leider. Die Fluͤgelbildung weicht ſchon etwas von derjenigen der anderen Voͤgel ab, noch viel mehr aber der Schwanz. Bei allen uͤbrigen Voͤgeln iſt der Schwanz ſehr kurz, aus wenigen kurzen Wir- beln zuſammengeſetzt. Die letzten derſelben ſind zu einer duͤnnen ſenk- recht ſtehenden Knochenplatte verwachſen, an welcher ſich die Steuer- federn des Schwanzes faͤcherfoͤrmig anſetzen. Die Archaͤopteryx da- gegen hat einen langen Schwanz, wie die Eidechſen, aus zahlreichen (20) langen und duͤnnen Wirbeln zuſammengeſetzt, und an jedem Wirbel ſitzen zweizeilig ein paar ſtarke Steuerfedern, ſo daß der ganze Schwanz regelmaͤßig gefiedert erſcheint. Dieſelbe Bildung der Schwanz- wirbelſaͤule zeigt ſich bei den Embryonen der uͤbrigen Voͤgel voruͤber- gehend, ſo daß offenbar der Schwanz der Archaͤopteryx die urſpruͤng- liche, von den Reptilien ererbte Form des Vogelſchwanzes darſtellt. Wahrſcheinlich lebten aͤhnliche Voͤgel mit Eidechſenſchwanz um die mitt- lere Secundaͤrzeit in großer Menge; der Zufall hat uns aber erſt dieſen einen Reſt bis jetzt enthuͤllt. Zu den faͤcherſchwaͤnzigen oder kielbruͤſtigen Voͤgeln (Carinatae), welche die zweite Unterklaſſe bilden, gehoͤren alle jetzt lebenden Voͤgel, mit Ausahme der ſtraußartigen oder Ratiten. Sie haben ſich wahrſcheinlich in der zweiten Haͤlfte der Secundaͤrzeit, in der Antekretazeit oder in der Kreidezeit, aus den fiederſchwaͤnzigen durch Verwachſung der hinteren Schwanzwirbel und Verkuͤrzung des Schwan- zes entwickelt. Aus der Secundaͤrzeit kennt man von ihnen nur ſehr wenige Reſte, und zwar nur aus dem letzten Abſchnitt derſelben, aus der Kreide. Dieſe Reſte gehoͤren einem albatrosartigen Schwimm- vogel und einem ſchnepfenartigen Stelzvogel an. Alle uͤbrigen bis jetzt bekannten verſteinerten Vogelreſte ſind in den Tertiaͤrſchichten ge- funden worden, und zeigen, daß die Klaſſe erſt in der Tertiaͤrzeit ihre eigentliche Entwickelung und Ausbreitung erreichte.

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/484>, abgerufen am 24.11.2024.