Vögeln und Reptilien zu einem einzigen verschmolzen. Man kann die beiden letzteren Klassen daher mit vollem Rechte in einer Gruppe als Monocondylia zusammenfassen und dieser die Säugethiere als Di- condylia gegenüber setzen.
Die Abzweigung der Vögel von den Reptilien fand jedenfalls erst während der mesolithischen Zeit, und zwar wahrscheinlich während der Triaszeit oder Antejurazeit statt. Die ältesten fossilen Vogelreste sind im oberen Jura gefunden worden (Archaeopteryx). Aber schon in der Triaszeit lebten verschiedene Saurier (Anomodonten), die in mehrfacher Hinsicht den Uebergang von den Tocosauriern zu den Stammvätern der Vögel, den hypothetischen Tocornithen, zu bilden scheinen. Wahrscheinlich waren diese Tocornithen von anderen Schna- beleidechsen im Systeme kaum zu trennen, und namentlich dem kängu- ruhartigen Compsognathus aus dem Jura von Solenhofen nächst verwandt. Huxley stellt diesen letzteren zu den Dinosauriern, und glaubt, daß diese die nächsten Verwandten der Tocornithen seien.
Die große Mehrzahl der Vögel erscheint, trotz aller Mannichfaltig- keit in der Färbung des schönen Federkleides und in der Bildung des Schnabels und der Füße, höchst einförmig organisirt, in ähnlicher Weise, wie die Jnsectenklasse. Den äußeren Existenzbedingungen hat sich die Vogelform auf das Vielfältigste angepaßt, ohne dabei irgend wesentlich von dem streng erblichen Typus der charakteristischen inneren Bildung abzuweichen. Nur zwei kleine Gruppen, einerseits die fieder- schwänzigen Vögel (Saururae), andrerseits die straußartigen (Ratitae), weichen erheblich von dem gewöhnlichen Vogeltypus, dem der kiel- brüstigen (Carinatae) ab, und demnach kann man die ganze Klasse in drei Unterklassen eintheilen.
Die erste Unterklasse, die reptilienschwänzigen oder fie- derschwänzigen Vögel(Saururae) sind bis jetzt bloß durch einen einzigen und noch dazu unvollständigen fossilen Abdruck bekannt, welcher aber als die älteste und dabei sehr eigenthümliche Vogelversteine- rung eine hohe Bedeutung beansprucht. Das ist der Urgreif oder die Archaeopteryx lithographica, welche bis jetzt erst in einem Ex-
Fiederſchwaͤnzige Voͤgel (Saururen).
Voͤgeln und Reptilien zu einem einzigen verſchmolzen. Man kann die beiden letzteren Klaſſen daher mit vollem Rechte in einer Gruppe als Monocondylia zuſammenfaſſen und dieſer die Saͤugethiere als Di- condylia gegenuͤber ſetzen.
Die Abzweigung der Voͤgel von den Reptilien fand jedenfalls erſt waͤhrend der meſolithiſchen Zeit, und zwar wahrſcheinlich waͤhrend der Triaszeit oder Antejurazeit ſtatt. Die aͤlteſten foſſilen Vogelreſte ſind im oberen Jura gefunden worden (Archaeopteryx). Aber ſchon in der Triaszeit lebten verſchiedene Saurier (Anomodonten), die in mehrfacher Hinſicht den Uebergang von den Tocoſauriern zu den Stammvaͤtern der Voͤgel, den hypothetiſchen Tocornithen, zu bilden ſcheinen. Wahrſcheinlich waren dieſe Tocornithen von anderen Schna- beleidechſen im Syſteme kaum zu trennen, und namentlich dem kaͤngu- ruhartigen Compsognathus aus dem Jura von Solenhofen naͤchſt verwandt. Huxley ſtellt dieſen letzteren zu den Dinoſauriern, und glaubt, daß dieſe die naͤchſten Verwandten der Tocornithen ſeien.
Die große Mehrzahl der Voͤgel erſcheint, trotz aller Mannichfaltig- keit in der Faͤrbung des ſchoͤnen Federkleides und in der Bildung des Schnabels und der Fuͤße, hoͤchſt einfoͤrmig organiſirt, in aͤhnlicher Weiſe, wie die Jnſectenklaſſe. Den aͤußeren Exiſtenzbedingungen hat ſich die Vogelform auf das Vielfaͤltigſte angepaßt, ohne dabei irgend weſentlich von dem ſtreng erblichen Typus der charakteriſtiſchen inneren Bildung abzuweichen. Nur zwei kleine Gruppen, einerſeits die fieder- ſchwaͤnzigen Voͤgel (Saururae), andrerſeits die ſtraußartigen (Ratitae), weichen erheblich von dem gewoͤhnlichen Vogeltypus, dem der kiel- bruͤſtigen (Carinatae) ab, und demnach kann man die ganze Klaſſe in drei Unterklaſſen eintheilen.
Die erſte Unterklaſſe, die reptilienſchwaͤnzigen oder fie- derſchwaͤnzigen Voͤgel(Saururae) ſind bis jetzt bloß durch einen einzigen und noch dazu unvollſtaͤndigen foſſilen Abdruck bekannt, welcher aber als die aͤlteſte und dabei ſehr eigenthuͤmliche Vogelverſteine- rung eine hohe Bedeutung beanſprucht. Das iſt der Urgreif oder die Archaeopteryx lithographica, welche bis jetzt erſt in einem Ex-
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Fiederſchwaͤnzige Voͤgel (Saururen).
Voͤgeln und Reptilien zu einem einzigen verſchmolzen. Man kann die
beiden letzteren Klaſſen daher mit vollem Rechte in einer Gruppe als
Monocondylia zuſammenfaſſen und dieſer die Saͤugethiere als Di-
condylia gegenuͤber ſetzen.
Die Abzweigung der Voͤgel von den Reptilien fand jedenfalls
erſt waͤhrend der meſolithiſchen Zeit, und zwar wahrſcheinlich waͤhrend
der Triaszeit oder Antejurazeit ſtatt. Die aͤlteſten foſſilen Vogelreſte
ſind im oberen Jura gefunden worden (Archaeopteryx). Aber ſchon
in der Triaszeit lebten verſchiedene Saurier (Anomodonten), die in
mehrfacher Hinſicht den Uebergang von den Tocoſauriern zu den
Stammvaͤtern der Voͤgel, den hypothetiſchen Tocornithen, zu bilden
ſcheinen. Wahrſcheinlich waren dieſe Tocornithen von anderen Schna-
beleidechſen im Syſteme kaum zu trennen, und namentlich dem kaͤngu-
ruhartigen Compsognathus aus dem Jura von Solenhofen naͤchſt
verwandt. Huxley ſtellt dieſen letzteren zu den Dinoſauriern, und
glaubt, daß dieſe die naͤchſten Verwandten der Tocornithen ſeien.
Die große Mehrzahl der Voͤgel erſcheint, trotz aller Mannichfaltig-
keit in der Faͤrbung des ſchoͤnen Federkleides und in der Bildung des
Schnabels und der Fuͤße, hoͤchſt einfoͤrmig organiſirt, in aͤhnlicher
Weiſe, wie die Jnſectenklaſſe. Den aͤußeren Exiſtenzbedingungen hat
ſich die Vogelform auf das Vielfaͤltigſte angepaßt, ohne dabei irgend
weſentlich von dem ſtreng erblichen Typus der charakteriſtiſchen inneren
Bildung abzuweichen. Nur zwei kleine Gruppen, einerſeits die fieder-
ſchwaͤnzigen Voͤgel (Saururae), andrerſeits die ſtraußartigen (Ratitae),
weichen erheblich von dem gewoͤhnlichen Vogeltypus, dem der kiel-
bruͤſtigen (Carinatae) ab, und demnach kann man die ganze Klaſſe
in drei Unterklaſſen eintheilen.
Die erſte Unterklaſſe, die reptilienſchwaͤnzigen oder fie-
derſchwaͤnzigen Voͤgel (Saururae) ſind bis jetzt bloß durch
einen einzigen und noch dazu unvollſtaͤndigen foſſilen Abdruck bekannt,
welcher aber als die aͤlteſte und dabei ſehr eigenthuͤmliche Vogelverſteine-
rung eine hohe Bedeutung beanſprucht. Das iſt der Urgreif oder
die Archaeopteryx lithographica, welche bis jetzt erſt in einem Ex-
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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/483>, abgerufen am 24.11.2024.
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