Stütze einer gewaltigen Flughaut diente, flogen in der Secundärzeit wahrscheinlich in ähnlicher Weise umher, wie jetzt die Fledermäuse. Die kleinsten Flugeidechsen hatten die Größe eines Sperlings. Die größten aber, mit einer Klafterweite der Flügel von mehr als 16 Fuß, übertrafen die größten jetzt lebenden fliegenden Vögel (Condor und Albatros) an Umfang. Jhre versteinerten Reste, die langschwänzigen Rhamphorhynchen und die kurzschwänzigen Pterodactylen, finden sich zahlreich versteinert in allen Schichten der Jura- und Kreidezeit, aber nur in diesen vor. Dagegen finden wir versteinerte Schildkröten (Chelonia) vom Jura an in allen secundären, tertiären und quartä- ren Schichten versteinert vor. Doch sind auch die Schildkröten der Gegenwart, gleich den meisten anderen Reptiliengruppen, nur schwache Ueberreste ihres früheren Glanzes. Jn den Tertiärschichten des Hima- laya fand sich unter anderen eine versteinerte Schildkröte, die gegen 20 Fuß lang und 6 Fuß hoch war.
Die Klasse der Vögel(Aves) ist, wie schon bemerkt, durch ihren inneren Bau und durch ihre embryonale Entwickelung den Rep- tilien so nahe verwandt, daß sie zweifelsohne aus einem Zweige dieser Klasse ihren wirklichen Ursprung genommen hat. Wie Jhnen allein schon ein Blick auf Fig. C--F, S. 242 zeigt, sind die Embryonen der Vögel zu einer Zeit, in der sie bereits sehr wesentlich von den Em- bryonen der Säugethiere verschieden erscheinen, von denen der Schild- kröten und anderer Reptilien noch kaum zu unterscheiden. Die Dotter- furchung ist bei den Vögeln und Reptilien partiell, bei den Säuge- thieren total. Die Blutzellen der ersteren besitzen einen Kern, die der letzteren dagegen nicht. Die Haare der Säugethiere entwickeln sich in geschlossenen Bälgen der Haut, die Federn der Vögel dagegen, eben so wie die Schuppen der Reptilien, auf Höckern der Haut. Der Unterkiefer der letzteren ist viel verwickelter zusammengesetzt, als derjenige der Säugethiere. Auch fehlt diesen letzteren das Quadratbein der ersteren. Während bei den Säugethieren (wie bei den Amphibien) die Verbin- dung zwischen dem Schädel und dem ersten Halswirbel durch zwei Gelenkhöcker oder Condylen geschieht, sind diese dagegen bei den
Schnabelſchleicher (Rhamphoſaurier). Voͤgel.
Stuͤtze einer gewaltigen Flughaut diente, flogen in der Secundaͤrzeit wahrſcheinlich in aͤhnlicher Weiſe umher, wie jetzt die Fledermaͤuſe. Die kleinſten Flugeidechſen hatten die Groͤße eines Sperlings. Die groͤßten aber, mit einer Klafterweite der Fluͤgel von mehr als 16 Fuß, uͤbertrafen die groͤßten jetzt lebenden fliegenden Voͤgel (Condor und Albatros) an Umfang. Jhre verſteinerten Reſte, die langſchwaͤnzigen Rhamphorhynchen und die kurzſchwaͤnzigen Pterodactylen, finden ſich zahlreich verſteinert in allen Schichten der Jura- und Kreidezeit, aber nur in dieſen vor. Dagegen finden wir verſteinerte Schildkroͤten (Chelonia) vom Jura an in allen ſecundaͤren, tertiaͤren und quartaͤ- ren Schichten verſteinert vor. Doch ſind auch die Schildkroͤten der Gegenwart, gleich den meiſten anderen Reptiliengruppen, nur ſchwache Ueberreſte ihres fruͤheren Glanzes. Jn den Tertiaͤrſchichten des Hima- laya fand ſich unter anderen eine verſteinerte Schildkroͤte, die gegen 20 Fuß lang und 6 Fuß hoch war.
Die Klaſſe der Voͤgel(Aves) iſt, wie ſchon bemerkt, durch ihren inneren Bau und durch ihre embryonale Entwickelung den Rep- tilien ſo nahe verwandt, daß ſie zweifelsohne aus einem Zweige dieſer Klaſſe ihren wirklichen Urſprung genommen hat. Wie Jhnen allein ſchon ein Blick auf Fig. C—F, S. 242 zeigt, ſind die Embryonen der Voͤgel zu einer Zeit, in der ſie bereits ſehr weſentlich von den Em- bryonen der Saͤugethiere verſchieden erſcheinen, von denen der Schild- kroͤten und anderer Reptilien noch kaum zu unterſcheiden. Die Dotter- furchung iſt bei den Voͤgeln und Reptilien partiell, bei den Saͤuge- thieren total. Die Blutzellen der erſteren beſitzen einen Kern, die der letzteren dagegen nicht. Die Haare der Saͤugethiere entwickeln ſich in geſchloſſenen Baͤlgen der Haut, die Federn der Voͤgel dagegen, eben ſo wie die Schuppen der Reptilien, auf Hoͤckern der Haut. Der Unterkiefer der letzteren iſt viel verwickelter zuſammengeſetzt, als derjenige der Saͤugethiere. Auch fehlt dieſen letzteren das Quadratbein der erſteren. Waͤhrend bei den Saͤugethieren (wie bei den Amphibien) die Verbin- dung zwiſchen dem Schaͤdel und dem erſten Halswirbel durch zwei Gelenkhoͤcker oder Condylen geſchieht, ſind dieſe dagegen bei den
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Schnabelſchleicher (Rhamphoſaurier). Voͤgel.
Stuͤtze einer gewaltigen Flughaut diente, flogen in der Secundaͤrzeit
wahrſcheinlich in aͤhnlicher Weiſe umher, wie jetzt die Fledermaͤuſe.
Die kleinſten Flugeidechſen hatten die Groͤße eines Sperlings. Die
groͤßten aber, mit einer Klafterweite der Fluͤgel von mehr als 16 Fuß,
uͤbertrafen die groͤßten jetzt lebenden fliegenden Voͤgel (Condor und
Albatros) an Umfang. Jhre verſteinerten Reſte, die langſchwaͤnzigen
Rhamphorhynchen und die kurzſchwaͤnzigen Pterodactylen, finden ſich
zahlreich verſteinert in allen Schichten der Jura- und Kreidezeit, aber
nur in dieſen vor. Dagegen finden wir verſteinerte Schildkroͤten
(Chelonia) vom Jura an in allen ſecundaͤren, tertiaͤren und quartaͤ-
ren Schichten verſteinert vor. Doch ſind auch die Schildkroͤten der
Gegenwart, gleich den meiſten anderen Reptiliengruppen, nur ſchwache
Ueberreſte ihres fruͤheren Glanzes. Jn den Tertiaͤrſchichten des Hima-
laya fand ſich unter anderen eine verſteinerte Schildkroͤte, die gegen
20 Fuß lang und 6 Fuß hoch war.
Die Klaſſe der Voͤgel (Aves) iſt, wie ſchon bemerkt, durch
ihren inneren Bau und durch ihre embryonale Entwickelung den Rep-
tilien ſo nahe verwandt, daß ſie zweifelsohne aus einem Zweige dieſer
Klaſſe ihren wirklichen Urſprung genommen hat. Wie Jhnen allein
ſchon ein Blick auf Fig. C—F, S. 242 zeigt, ſind die Embryonen der
Voͤgel zu einer Zeit, in der ſie bereits ſehr weſentlich von den Em-
bryonen der Saͤugethiere verſchieden erſcheinen, von denen der Schild-
kroͤten und anderer Reptilien noch kaum zu unterſcheiden. Die Dotter-
furchung iſt bei den Voͤgeln und Reptilien partiell, bei den Saͤuge-
thieren total. Die Blutzellen der erſteren beſitzen einen Kern, die der
letzteren dagegen nicht. Die Haare der Saͤugethiere entwickeln ſich in
geſchloſſenen Baͤlgen der Haut, die Federn der Voͤgel dagegen, eben ſo
wie die Schuppen der Reptilien, auf Hoͤckern der Haut. Der Unterkiefer
der letzteren iſt viel verwickelter zuſammengeſetzt, als derjenige der
Saͤugethiere. Auch fehlt dieſen letzteren das Quadratbein der erſteren.
Waͤhrend bei den Saͤugethieren (wie bei den Amphibien) die Verbin-
dung zwiſchen dem Schaͤdel und dem erſten Halswirbel durch zwei
Gelenkhoͤcker oder Condylen geſchieht, ſind dieſe dagegen bei den
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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/482>, abgerufen am 04.07.2024.
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