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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

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Urfische (Selachier). Schmelzfische (Ganoiden).

selben in jener altersgrauen Vorzeit schließen können. Sie finden sich
sogar schon in den silurischen Schichten, welche von anderen Wirbelthie-
ren nur schwache Reste von Schmelzfischen (und diese erst in den jüng-
sten Schichten, im oberen Silur) einschließen. Von den drei Ordnun-
gen der Urfische sind die bei weitem wichtigsten und interessantesten die
Haifische, welche wahrscheinlich unter allen lebenden Paarnasen der
ursprünglichen Stammform der ganzen Gruppe, den Proselachiern,
am nächsten stehen. Aus Paarnasen, welche von echten Haifischen
vermuthlich nur wenig verschieden waren, haben sich als drei diver-
gente Linien einerseits die Schmelzfische, andrerseits die Lurchfische,
und drittens, als wenig veränderte Stammlinie, die übrigen Selachier
entwickelt.

Die Schmelzfische (Ganoides) stehen in anatomischer Be-
ziehung vollständig in der Mitte zwischen den Urfischen einerseits und
den Knochenfischen andrerseits. Jn vielen Merkmalen stimmen sie
mit jenen, in vielen anderen mit diesen überein. Wir ziehen daraus
den Schluß, daß sie auch genealogisch den Uebergang von den Urfi-
schen zu den Knochenfischen vermittelten. Jn noch höherem Maaße,
als die Urfische, sind auch die Ganoiden heutzutage größtentheils aus-
gestorben, wogegen sie während der ganzen paläolithischen und meso-
lithischen Zeit in großer Mannichfaltigkeit und Masse entwickelt wa-
ren. Nach der verschiedenen Form der äußeren Hautbedeckung theilt
man die Schmelzfische in drei Legionen: Gepanzerte, Eckschuppige und
Rundschuppige. Die gepanzerten Schmelzfische (Tabuliferi)
sind die ältesten und schließen sich unmittelbar an die Selachier an,
aus denen sie entsprungen sind. Fossile Reste von ihnen finden sich,
obwohl selten, bereits im oberen Silur vor (Pteraspis ludensis aus
den Ludlowschichten). Riesige, gegen 30 Fuß lange Arten derselben,
mit mächtigen Knochentafeln gepanzert, finden sich namentlich im de-
vonischen System. Heute aber lebt von dieser Legion nur noch die
kleine Ordnung der Störfische (Sturiones), nämlich die Löffelstöre
(Spatularides), und die Störe (Accipenserides), zu denen u. A. der
Hausen gehört, welcher uns den Fischleim oder die Hausenblase liefert,

Urfiſche (Selachier). Schmelzfiſche (Ganoiden).

ſelben in jener altersgrauen Vorzeit ſchließen koͤnnen. Sie finden ſich
ſogar ſchon in den ſiluriſchen Schichten, welche von anderen Wirbelthie-
ren nur ſchwache Reſte von Schmelzfiſchen (und dieſe erſt in den juͤng-
ſten Schichten, im oberen Silur) einſchließen. Von den drei Ordnun-
gen der Urfiſche ſind die bei weitem wichtigſten und intereſſanteſten die
Haifiſche, welche wahrſcheinlich unter allen lebenden Paarnaſen der
urſpruͤnglichen Stammform der ganzen Gruppe, den Proſelachiern,
am naͤchſten ſtehen. Aus Paarnaſen, welche von echten Haifiſchen
vermuthlich nur wenig verſchieden waren, haben ſich als drei diver-
gente Linien einerſeits die Schmelzfiſche, andrerſeits die Lurchfiſche,
und drittens, als wenig veraͤnderte Stammlinie, die uͤbrigen Selachier
entwickelt.

Die Schmelzfiſche (Ganoides) ſtehen in anatomiſcher Be-
ziehung vollſtaͤndig in der Mitte zwiſchen den Urfiſchen einerſeits und
den Knochenfiſchen andrerſeits. Jn vielen Merkmalen ſtimmen ſie
mit jenen, in vielen anderen mit dieſen uͤberein. Wir ziehen daraus
den Schluß, daß ſie auch genealogiſch den Uebergang von den Urfi-
ſchen zu den Knochenfiſchen vermittelten. Jn noch hoͤherem Maaße,
als die Urfiſche, ſind auch die Ganoiden heutzutage groͤßtentheils aus-
geſtorben, wogegen ſie waͤhrend der ganzen palaͤolithiſchen und meſo-
lithiſchen Zeit in großer Mannichfaltigkeit und Maſſe entwickelt wa-
ren. Nach der verſchiedenen Form der aͤußeren Hautbedeckung theilt
man die Schmelzfiſche in drei Legionen: Gepanzerte, Eckſchuppige und
Rundſchuppige. Die gepanzerten Schmelzfiſche (Tabuliferi)
ſind die aͤlteſten und ſchließen ſich unmittelbar an die Selachier an,
aus denen ſie entſprungen ſind. Foſſile Reſte von ihnen finden ſich,
obwohl ſelten, bereits im oberen Silur vor (Pteraspis ludensis aus
den Ludlowſchichten). Rieſige, gegen 30 Fuß lange Arten derſelben,
mit maͤchtigen Knochentafeln gepanzert, finden ſich namentlich im de-
voniſchen Syſtem. Heute aber lebt von dieſer Legion nur noch die
kleine Ordnung der Stoͤrfiſche (Sturiones), naͤmlich die Loͤffelſtoͤre
(Spatularides), und die Stoͤre (Accipenserides), zu denen u. A. der
Hauſen gehoͤrt, welcher uns den Fiſchleim oder die Hauſenblaſe liefert,

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[445/0470] Urfiſche (Selachier). Schmelzfiſche (Ganoiden). ſelben in jener altersgrauen Vorzeit ſchließen koͤnnen. Sie finden ſich ſogar ſchon in den ſiluriſchen Schichten, welche von anderen Wirbelthie- ren nur ſchwache Reſte von Schmelzfiſchen (und dieſe erſt in den juͤng- ſten Schichten, im oberen Silur) einſchließen. Von den drei Ordnun- gen der Urfiſche ſind die bei weitem wichtigſten und intereſſanteſten die Haifiſche, welche wahrſcheinlich unter allen lebenden Paarnaſen der urſpruͤnglichen Stammform der ganzen Gruppe, den Proſelachiern, am naͤchſten ſtehen. Aus Paarnaſen, welche von echten Haifiſchen vermuthlich nur wenig verſchieden waren, haben ſich als drei diver- gente Linien einerſeits die Schmelzfiſche, andrerſeits die Lurchfiſche, und drittens, als wenig veraͤnderte Stammlinie, die uͤbrigen Selachier entwickelt. Die Schmelzfiſche (Ganoides) ſtehen in anatomiſcher Be- ziehung vollſtaͤndig in der Mitte zwiſchen den Urfiſchen einerſeits und den Knochenfiſchen andrerſeits. Jn vielen Merkmalen ſtimmen ſie mit jenen, in vielen anderen mit dieſen uͤberein. Wir ziehen daraus den Schluß, daß ſie auch genealogiſch den Uebergang von den Urfi- ſchen zu den Knochenfiſchen vermittelten. Jn noch hoͤherem Maaße, als die Urfiſche, ſind auch die Ganoiden heutzutage groͤßtentheils aus- geſtorben, wogegen ſie waͤhrend der ganzen palaͤolithiſchen und meſo- lithiſchen Zeit in großer Mannichfaltigkeit und Maſſe entwickelt wa- ren. Nach der verſchiedenen Form der aͤußeren Hautbedeckung theilt man die Schmelzfiſche in drei Legionen: Gepanzerte, Eckſchuppige und Rundſchuppige. Die gepanzerten Schmelzfiſche (Tabuliferi) ſind die aͤlteſten und ſchließen ſich unmittelbar an die Selachier an, aus denen ſie entſprungen ſind. Foſſile Reſte von ihnen finden ſich, obwohl ſelten, bereits im oberen Silur vor (Pteraspis ludensis aus den Ludlowſchichten). Rieſige, gegen 30 Fuß lange Arten derſelben, mit maͤchtigen Knochentafeln gepanzert, finden ſich namentlich im de- voniſchen Syſtem. Heute aber lebt von dieſer Legion nur noch die kleine Ordnung der Stoͤrfiſche (Sturiones), naͤmlich die Loͤffelſtoͤre (Spatularides), und die Stoͤre (Accipenserides), zu denen u. A. der Hauſen gehoͤrt, welcher uns den Fiſchleim oder die Hauſenblaſe liefert,

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/470>, abgerufen am 24.11.2024.