verwandt sind die Krallenwürmer(Onychophora). Als ein besonderer Zweig ist aus den Strudelwürmern die nahverwandte Gruppe der langen Schnurwürmer(Nemertina) hervorgegangen, welche größtentheils im Meere leben und wahrscheinlich die Stamm- eltern der Ringelwürmer sind.
Die Rundwürmer(Nematelminthes), die zweite Klasse der Weichwürmer, unterscheidet sich von der ersten Klasse, den Platt- würmern, durch ihre drehrunde oder cylindrische, nicht plattgedrückte Körpergestalt. Gleich vielen Plattwürmern sind auch die meisten Rund- würmer Schmarotzer, welche im Jnneren anderer Thiere parasitisch leben. Frei im Meere lebend findet sich die eigenthümliche Gruppe der Pfeilwürmer (Chaetognathi oder Sagittae). Aus Rundwürmern, welche diesen wahrscheinlich sehr nahe standen, haben sich durch An- passung an parasitische Lebensweise die Fadenwürmer(Nema- toda) entwickelt, zu denen unter anderen die gemeinen Spulwürmer, die berühmten Trichinen, Medinawürmer und viele andere Schma- rotzer des Menschen gehören. Noch weiter entartete Parasiten dieser Klasse sind die mit einem Hakenrüssel versehenen Kratzwürmer (Acanthocephala oder Echinorhynchi). Wahrscheinlich ist die ge- meinsame Stammform aller dieser Rundwürmer ein unbekannter Wurm, welcher sich aus einem Zweige der Plattwürmer entwickelt hat.
Eine ganz eigenthümliche und sehr merkwürdige Astgruppe des Würmerstammes bildet die dritte Hauptklasse, die Sackwürmer (Himatega). Wir fassen unter dieser Bezeichnung die beiden Klassen der Mosthiere oder Bryozoen und der Mantelthiere oder Tunikaten zusammen. Bisher stellte man diese beiden Thierklassen im zoologi- schen Systeme gewöhnlich zu dem Stamme der Weichthiere oder Mollusken und setzte sie hier den echten Weichthieren (Muscheln, Schnecken u. s. w.) als Weichthierartige(Molluscoida) gegen- über. Diese Auffassung läßt sich dadurch rechtfertigen, daß allerdings die echten Weichthiere wahrscheinlich von denselben abstammen, und zwar von den Mosthieren. Allein andrerseits erscheinen die Mantel- thiere näher mit den Wirbelthieren verwandt, und aus diesem Grunde
Sackwuͤrmer oder Himategen.
verwandt ſind die Krallenwuͤrmer(Onychophora). Als ein beſonderer Zweig iſt aus den Strudelwuͤrmern die nahverwandte Gruppe der langen Schnurwuͤrmer(Nemertina) hervorgegangen, welche groͤßtentheils im Meere leben und wahrſcheinlich die Stamm- eltern der Ringelwuͤrmer ſind.
Die Rundwuͤrmer(Nematelminthes), die zweite Klaſſe der Weichwuͤrmer, unterſcheidet ſich von der erſten Klaſſe, den Platt- wuͤrmern, durch ihre drehrunde oder cylindriſche, nicht plattgedruͤckte Koͤrpergeſtalt. Gleich vielen Plattwuͤrmern ſind auch die meiſten Rund- wuͤrmer Schmarotzer, welche im Jnneren anderer Thiere paraſitiſch leben. Frei im Meere lebend findet ſich die eigenthuͤmliche Gruppe der Pfeilwuͤrmer (Chaetognathi oder Sagittae). Aus Rundwuͤrmern, welche dieſen wahrſcheinlich ſehr nahe ſtanden, haben ſich durch An- paſſung an paraſitiſche Lebensweiſe die Fadenwuͤrmer(Nema- toda) entwickelt, zu denen unter anderen die gemeinen Spulwuͤrmer, die beruͤhmten Trichinen, Medinawuͤrmer und viele andere Schma- rotzer des Menſchen gehoͤren. Noch weiter entartete Paraſiten dieſer Klaſſe ſind die mit einem Hakenruͤſſel verſehenen Kratzwuͤrmer (Acanthocephala oder Echinorhynchi). Wahrſcheinlich iſt die ge- meinſame Stammform aller dieſer Rundwuͤrmer ein unbekannter Wurm, welcher ſich aus einem Zweige der Plattwuͤrmer entwickelt hat.
Eine ganz eigenthuͤmliche und ſehr merkwuͤrdige Aſtgruppe des Wuͤrmerſtammes bildet die dritte Hauptklaſſe, die Sackwuͤrmer (Himatega). Wir faſſen unter dieſer Bezeichnung die beiden Klaſſen der Mosthiere oder Bryozoen und der Mantelthiere oder Tunikaten zuſammen. Bisher ſtellte man dieſe beiden Thierklaſſen im zoologi- ſchen Syſteme gewoͤhnlich zu dem Stamme der Weichthiere oder Mollusken und ſetzte ſie hier den echten Weichthieren (Muſcheln, Schnecken u. ſ. w.) als Weichthierartige(Molluscoida) gegen- uͤber. Dieſe Auffaſſung laͤßt ſich dadurch rechtfertigen, daß allerdings die echten Weichthiere wahrſcheinlich von denſelben abſtammen, und zwar von den Mosthieren. Allein andrerſeits erſcheinen die Mantel- thiere naͤher mit den Wirbelthieren verwandt, und aus dieſem Grunde
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0432"n="407"/><fwplace="top"type="header">Sackwuͤrmer oder Himategen.</fw><lb/>
verwandt ſind die <hirendition="#g">Krallenwuͤrmer</hi><hirendition="#aq">(Onychophora).</hi> Als ein<lb/>
beſonderer Zweig iſt aus den Strudelwuͤrmern die nahverwandte<lb/>
Gruppe der langen <hirendition="#g">Schnurwuͤrmer</hi><hirendition="#aq">(Nemertina)</hi> hervorgegangen,<lb/>
welche groͤßtentheils im Meere leben und wahrſcheinlich die Stamm-<lb/>
eltern der Ringelwuͤrmer ſind.</p><lb/><p>Die <hirendition="#g">Rundwuͤrmer</hi><hirendition="#aq">(Nematelminthes),</hi> die zweite Klaſſe der<lb/>
Weichwuͤrmer, unterſcheidet ſich von der erſten Klaſſe, den Platt-<lb/>
wuͤrmern, durch ihre drehrunde oder cylindriſche, nicht plattgedruͤckte<lb/>
Koͤrpergeſtalt. Gleich vielen Plattwuͤrmern ſind auch die meiſten Rund-<lb/>
wuͤrmer Schmarotzer, welche im Jnneren anderer Thiere paraſitiſch<lb/>
leben. Frei im Meere lebend findet ſich die eigenthuͤmliche Gruppe der<lb/><hirendition="#g">Pfeilwuͤrmer</hi> (<hirendition="#aq">Chaetognathi</hi> oder <hirendition="#aq">Sagittae</hi>). Aus Rundwuͤrmern,<lb/>
welche dieſen wahrſcheinlich ſehr nahe ſtanden, haben ſich durch An-<lb/>
paſſung an paraſitiſche Lebensweiſe die <hirendition="#g">Fadenwuͤrmer</hi><hirendition="#aq">(Nema-<lb/>
toda)</hi> entwickelt, zu denen unter anderen die gemeinen Spulwuͤrmer,<lb/>
die beruͤhmten Trichinen, Medinawuͤrmer und viele andere Schma-<lb/>
rotzer des Menſchen gehoͤren. Noch weiter entartete Paraſiten dieſer<lb/>
Klaſſe ſind die mit einem Hakenruͤſſel verſehenen <hirendition="#g">Kratzwuͤrmer</hi><lb/>
(<hirendition="#aq">Acanthocephala</hi> oder <hirendition="#aq">Echinorhynchi</hi>). Wahrſcheinlich iſt die ge-<lb/>
meinſame Stammform aller dieſer Rundwuͤrmer ein unbekannter<lb/>
Wurm, welcher ſich aus einem Zweige der Plattwuͤrmer entwickelt hat.</p><lb/><p>Eine ganz eigenthuͤmliche und ſehr merkwuͤrdige Aſtgruppe des<lb/>
Wuͤrmerſtammes bildet die dritte Hauptklaſſe, die <hirendition="#g">Sackwuͤrmer</hi><lb/><hirendition="#aq">(Himatega).</hi> Wir faſſen unter dieſer Bezeichnung die beiden Klaſſen<lb/>
der Mosthiere oder Bryozoen und der Mantelthiere oder Tunikaten<lb/>
zuſammen. Bisher ſtellte man dieſe beiden Thierklaſſen im zoologi-<lb/>ſchen Syſteme gewoͤhnlich zu dem Stamme der Weichthiere oder<lb/>
Mollusken und ſetzte ſie hier den echten Weichthieren (Muſcheln,<lb/>
Schnecken u. ſ. w.) als <hirendition="#g">Weichthierartige</hi><hirendition="#aq">(Molluscoida)</hi> gegen-<lb/>
uͤber. Dieſe Auffaſſung laͤßt ſich dadurch rechtfertigen, daß allerdings<lb/>
die echten Weichthiere wahrſcheinlich von denſelben abſtammen, und<lb/>
zwar von den Mosthieren. Allein andrerſeits erſcheinen die Mantel-<lb/>
thiere naͤher mit den Wirbelthieren verwandt, und aus dieſem Grunde<lb/></p></div></body></text></TEI>
[407/0432]
Sackwuͤrmer oder Himategen.
verwandt ſind die Krallenwuͤrmer (Onychophora). Als ein
beſonderer Zweig iſt aus den Strudelwuͤrmern die nahverwandte
Gruppe der langen Schnurwuͤrmer (Nemertina) hervorgegangen,
welche groͤßtentheils im Meere leben und wahrſcheinlich die Stamm-
eltern der Ringelwuͤrmer ſind.
Die Rundwuͤrmer (Nematelminthes), die zweite Klaſſe der
Weichwuͤrmer, unterſcheidet ſich von der erſten Klaſſe, den Platt-
wuͤrmern, durch ihre drehrunde oder cylindriſche, nicht plattgedruͤckte
Koͤrpergeſtalt. Gleich vielen Plattwuͤrmern ſind auch die meiſten Rund-
wuͤrmer Schmarotzer, welche im Jnneren anderer Thiere paraſitiſch
leben. Frei im Meere lebend findet ſich die eigenthuͤmliche Gruppe der
Pfeilwuͤrmer (Chaetognathi oder Sagittae). Aus Rundwuͤrmern,
welche dieſen wahrſcheinlich ſehr nahe ſtanden, haben ſich durch An-
paſſung an paraſitiſche Lebensweiſe die Fadenwuͤrmer (Nema-
toda) entwickelt, zu denen unter anderen die gemeinen Spulwuͤrmer,
die beruͤhmten Trichinen, Medinawuͤrmer und viele andere Schma-
rotzer des Menſchen gehoͤren. Noch weiter entartete Paraſiten dieſer
Klaſſe ſind die mit einem Hakenruͤſſel verſehenen Kratzwuͤrmer
(Acanthocephala oder Echinorhynchi). Wahrſcheinlich iſt die ge-
meinſame Stammform aller dieſer Rundwuͤrmer ein unbekannter
Wurm, welcher ſich aus einem Zweige der Plattwuͤrmer entwickelt hat.
Eine ganz eigenthuͤmliche und ſehr merkwuͤrdige Aſtgruppe des
Wuͤrmerſtammes bildet die dritte Hauptklaſſe, die Sackwuͤrmer
(Himatega). Wir faſſen unter dieſer Bezeichnung die beiden Klaſſen
der Mosthiere oder Bryozoen und der Mantelthiere oder Tunikaten
zuſammen. Bisher ſtellte man dieſe beiden Thierklaſſen im zoologi-
ſchen Syſteme gewoͤhnlich zu dem Stamme der Weichthiere oder
Mollusken und ſetzte ſie hier den echten Weichthieren (Muſcheln,
Schnecken u. ſ. w.) als Weichthierartige (Molluscoida) gegen-
uͤber. Dieſe Auffaſſung laͤßt ſich dadurch rechtfertigen, daß allerdings
die echten Weichthiere wahrſcheinlich von denſelben abſtammen, und
zwar von den Mosthieren. Allein andrerſeits erſcheinen die Mantel-
thiere naͤher mit den Wirbelthieren verwandt, und aus dieſem Grunde
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/432>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.