den Schwämmen allgemein die charakteristischen Nesselorgane, welche sämmtliche Nesselthiere besitzen. Das sind kleine, mit Gift ge- füllte Bläschen, welche in großer Anzahl, meist zu vielen Millionen, in der Haut der Nesselthiere vertheilt sind, und bei Berührung derselben hervortreten und ihren Jnhalt entleeren. Kleinere Thiere werden da- durch getödtet; bei größeren bringt das Nesselgift, ganz ähnlich dem Gift unserer Brennnesseln, eine leichte Entzündung in der Haut her- vor. Diejenigen von Jhnen, welche öfter in der See gebadet haben, werden dabei wohl schon bisweilen mit größeren Schirmquallen in Berührung gekommen sein und das unangenehme brennende Gefühl kennen gelernt haben, das die Nesselorgane derselben hervorbringen. Bei den prachtvollen blauen Seeblasen oder Physalien wirkt das Gift so heftig, daß es den Tod des Menschen zur Folge haben kann.
Die Hauptklasse der Schwämme (Spongiae oder Porifera ge- nannt), welche gewöhnlich als eine einzige Klasse aufgefaßt wird, kann man in zwei Gruppen oder Unterklassen vertheilen, in die Weich- schwämme und Hartschwämme. Die Weichschwämme(Malaco- spongiae) besitzen gar keine harten Theile, kein Skelet, und ihr gan- zer Körper besteht entweder aus einfachem ungesondertem Urschleim, oder aus nackten, amöbenartigen Urzellen. Wir unterscheiden in dieser Klasse zwei Ordnungen: die Urschwämme und die Schleimschwämme. Unter den Urschwämmen(Archispongiae) verstehen wir die längst ausgestorbenen hypothetischen Stammformen, aus denen sich die ganze Schwammklasse und somit auch der ganze Stamm der Cölente- raten entwickelt hat. Es würden hierher gehören 1) die durch Ur- zeugung entstandenen Moneren, welche in ältester antelaurentischer Zeit dem ganzen Stamm den Ursprung gaben; 2) diejenigen Amöben oder einfachen nackten beweglichen Urzellen, welche aus diesen Moneren dadurch entstanden, daß sich im Jnneren ein Kern von dem umge- benden Zellstoff differenzirte; 3) endlich die einfachsten vielzelligen Schwämme, welche sich aus den letzteren durch Coloniebildung ent- wickelten, d. h. dadurch, daß mehrere nackte Amoeben sich vereinig- ten und einen schleimigen Urschwammkörper darstellten (Prospongia).
Schwaͤmme oder Spongien.
den Schwaͤmmen allgemein die charakteriſtiſchen Neſſelorgane, welche ſaͤmmtliche Neſſelthiere beſitzen. Das ſind kleine, mit Gift ge- fuͤllte Blaͤschen, welche in großer Anzahl, meiſt zu vielen Millionen, in der Haut der Neſſelthiere vertheilt ſind, und bei Beruͤhrung derſelben hervortreten und ihren Jnhalt entleeren. Kleinere Thiere werden da- durch getoͤdtet; bei groͤßeren bringt das Neſſelgift, ganz aͤhnlich dem Gift unſerer Brennneſſeln, eine leichte Entzuͤndung in der Haut her- vor. Diejenigen von Jhnen, welche oͤfter in der See gebadet haben, werden dabei wohl ſchon bisweilen mit groͤßeren Schirmquallen in Beruͤhrung gekommen ſein und das unangenehme brennende Gefuͤhl kennen gelernt haben, das die Neſſelorgane derſelben hervorbringen. Bei den prachtvollen blauen Seeblaſen oder Phyſalien wirkt das Gift ſo heftig, daß es den Tod des Menſchen zur Folge haben kann.
Die Hauptklaſſe der Schwaͤmme (Spongiae oder Porifera ge- nannt), welche gewoͤhnlich als eine einzige Klaſſe aufgefaßt wird, kann man in zwei Gruppen oder Unterklaſſen vertheilen, in die Weich- ſchwaͤmme und Hartſchwaͤmme. Die Weichſchwaͤmme(Malaco- spongiae) beſitzen gar keine harten Theile, kein Skelet, und ihr gan- zer Koͤrper beſteht entweder aus einfachem ungeſondertem Urſchleim, oder aus nackten, amoͤbenartigen Urzellen. Wir unterſcheiden in dieſer Klaſſe zwei Ordnungen: die Urſchwaͤmme und die Schleimſchwaͤmme. Unter den Urſchwaͤmmen(Archispongiae) verſtehen wir die laͤngſt ausgeſtorbenen hypothetiſchen Stammformen, aus denen ſich die ganze Schwammklaſſe und ſomit auch der ganze Stamm der Coͤlente- raten entwickelt hat. Es wuͤrden hierher gehoͤren 1) die durch Ur- zeugung entſtandenen Moneren, welche in aͤlteſter antelaurentiſcher Zeit dem ganzen Stamm den Urſprung gaben; 2) diejenigen Amoͤben oder einfachen nackten beweglichen Urzellen, welche aus dieſen Moneren dadurch entſtanden, daß ſich im Jnneren ein Kern von dem umge- benden Zellſtoff differenzirte; 3) endlich die einfachſten vielzelligen Schwaͤmme, welche ſich aus den letzteren durch Coloniebildung ent- wickelten, d. h. dadurch, daß mehrere nackte Amoeben ſich vereinig- ten und einen ſchleimigen Urſchwammkoͤrper darſtellten (Prospongia).
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Schwaͤmme oder Spongien.
den Schwaͤmmen allgemein die charakteriſtiſchen Neſſelorgane,
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in der Haut der Neſſelthiere vertheilt ſind, und bei Beruͤhrung derſelben
hervortreten und ihren Jnhalt entleeren. Kleinere Thiere werden da-
durch getoͤdtet; bei groͤßeren bringt das Neſſelgift, ganz aͤhnlich dem
Gift unſerer Brennneſſeln, eine leichte Entzuͤndung in der Haut her-
vor. Diejenigen von Jhnen, welche oͤfter in der See gebadet haben,
werden dabei wohl ſchon bisweilen mit groͤßeren Schirmquallen in
Beruͤhrung gekommen ſein und das unangenehme brennende Gefuͤhl
kennen gelernt haben, das die Neſſelorgane derſelben hervorbringen.
Bei den prachtvollen blauen Seeblaſen oder Phyſalien wirkt das Gift
ſo heftig, daß es den Tod des Menſchen zur Folge haben kann.
Die Hauptklaſſe der Schwaͤmme (Spongiae oder Porifera ge-
nannt), welche gewoͤhnlich als eine einzige Klaſſe aufgefaßt wird, kann
man in zwei Gruppen oder Unterklaſſen vertheilen, in die Weich-
ſchwaͤmme und Hartſchwaͤmme. Die Weichſchwaͤmme (Malaco-
spongiae) beſitzen gar keine harten Theile, kein Skelet, und ihr gan-
zer Koͤrper beſteht entweder aus einfachem ungeſondertem Urſchleim,
oder aus nackten, amoͤbenartigen Urzellen. Wir unterſcheiden in dieſer
Klaſſe zwei Ordnungen: die Urſchwaͤmme und die Schleimſchwaͤmme.
Unter den Urſchwaͤmmen (Archispongiae) verſtehen wir die laͤngſt
ausgeſtorbenen hypothetiſchen Stammformen, aus denen ſich die
ganze Schwammklaſſe und ſomit auch der ganze Stamm der Coͤlente-
raten entwickelt hat. Es wuͤrden hierher gehoͤren 1) die durch Ur-
zeugung entſtandenen Moneren, welche in aͤlteſter antelaurentiſcher
Zeit dem ganzen Stamm den Urſprung gaben; 2) diejenigen Amoͤben
oder einfachen nackten beweglichen Urzellen, welche aus dieſen Moneren
dadurch entſtanden, daß ſich im Jnneren ein Kern von dem umge-
benden Zellſtoff differenzirte; 3) endlich die einfachſten vielzelligen
Schwaͤmme, welche ſich aus den letzteren durch Coloniebildung ent-
wickelten, d. h. dadurch, daß mehrere nackte Amoeben ſich vereinig-
ten und einen ſchleimigen Urſchwammkoͤrper darſtellten (Prospongia).
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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/422>, abgerufen am 16.02.2025.
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