Eintheilung des Thierreichs in 16 Hauptklassen und 32 Klassen.
Bedenken in der nachfolgenden Entwickelung des thierischen Stamm- baums dadurch einen berechtigten Ausdruck geben, daß ich die Pflan- zenthiere als eine eigene, von den übrigen Thierstämmen entferntere Gruppe voranstelle, und auf diese erst die Würmer folgen lasse, aus denen sich die vier höheren Stämme des Thierreichs entwickelt haben.
Bevor ich nun diese Aufgabe in Angriff nehme und Jhnen meine genealogische Hypothese von der historischen Entwickelung der Thier- stämme näher erläutere, wird es zweckmäßig sein, wie wir schon vor- her beim Pflanzenreiche gethan haben, das ganze "natürliche System" des Thierreichs in einer Tabelle übersichtlich zusammen zu stellen, und die Hauptklassen und Klassen zu nennen, welche wir in jedem der sechs großen Thierstämme unterscheiden. Die Zahl dieser obersten Hauptabtheilungen ist im Thierreiche viel größer als im Pflanzenreiche, schon aus dem einfachen Grunde, weil der Thierkörper, entsprechend sei- ner viel mannichfaltigeren und vollkommneren Lebensthätigkeit, sich in viel mehr verschiedenen Richtungen differenziren und vervollkommnen konnte. Während wir daher das ganze Pflanzenreich in sechs Haupt- klassen und achtzehn Klassen eintheilen konnten, müssen wir im Thier- reich wenigstens sechszehn Hauptklassen und zwei und dreißig Klas- sen unterscheiden. Diese vertheilen sich in der Art, wie es die vor- stehende systematische Uebersicht zeigt, auf die sechs verschiedenen Stämme des Thierreichs (S. 393).
Die Pflanzenthiere(Coelenterata), welche wir den übrigen fünf Stämmen des Thierreichs aus den angeführten Gründen gegen- überstellen, verdienen in mehr als einer Beziehung den Anfang zu machen. Denn abgesehen davon, daß dieselben in der That in ihrem gesammten Körperbau viel mehr von den übrigen fünf Stämmen ver- schieden sind, als diese unter sich, abgesehen ferner davon, daß auch ihre höchstentwickelten Formen nicht denjenigen Grad der Vollkom- menheit und Differenzirung erreichen, wie die höchsten Formen der fünf anderen Stämme, schließen sich die Pflanzenthiere in mancher Hinsicht mehr den Pflanzen als den übrigen Thieren an. Jnsbeson- dere ist bei den fest gewachsenen Schwämmen und Korallen die äußere
Eintheilung des Thierreichs in 16 Hauptklaſſen und 32 Klaſſen.
Bedenken in der nachfolgenden Entwickelung des thieriſchen Stamm- baums dadurch einen berechtigten Ausdruck geben, daß ich die Pflan- zenthiere als eine eigene, von den uͤbrigen Thierſtaͤmmen entferntere Gruppe voranſtelle, und auf dieſe erſt die Wuͤrmer folgen laſſe, aus denen ſich die vier hoͤheren Staͤmme des Thierreichs entwickelt haben.
Bevor ich nun dieſe Aufgabe in Angriff nehme und Jhnen meine genealogiſche Hypotheſe von der hiſtoriſchen Entwickelung der Thier- ſtaͤmme naͤher erlaͤutere, wird es zweckmaͤßig ſein, wie wir ſchon vor- her beim Pflanzenreiche gethan haben, das ganze „natuͤrliche Syſtem“ des Thierreichs in einer Tabelle uͤberſichtlich zuſammen zu ſtellen, und die Hauptklaſſen und Klaſſen zu nennen, welche wir in jedem der ſechs großen Thierſtaͤmme unterſcheiden. Die Zahl dieſer oberſten Hauptabtheilungen iſt im Thierreiche viel groͤßer als im Pflanzenreiche, ſchon aus dem einfachen Grunde, weil der Thierkoͤrper, entſprechend ſei- ner viel mannichfaltigeren und vollkommneren Lebensthaͤtigkeit, ſich in viel mehr verſchiedenen Richtungen differenziren und vervollkommnen konnte. Waͤhrend wir daher das ganze Pflanzenreich in ſechs Haupt- klaſſen und achtzehn Klaſſen eintheilen konnten, muͤſſen wir im Thier- reich wenigſtens ſechszehn Hauptklaſſen und zwei und dreißig Klaſ- ſen unterſcheiden. Dieſe vertheilen ſich in der Art, wie es die vor- ſtehende ſyſtematiſche Ueberſicht zeigt, auf die ſechs verſchiedenen Staͤmme des Thierreichs (S. 393).
Die Pflanzenthiere(Coelenterata), welche wir den uͤbrigen fuͤnf Staͤmmen des Thierreichs aus den angefuͤhrten Gruͤnden gegen- uͤberſtellen, verdienen in mehr als einer Beziehung den Anfang zu machen. Denn abgeſehen davon, daß dieſelben in der That in ihrem geſammten Koͤrperbau viel mehr von den uͤbrigen fuͤnf Staͤmmen ver- ſchieden ſind, als dieſe unter ſich, abgeſehen ferner davon, daß auch ihre hoͤchſtentwickelten Formen nicht denjenigen Grad der Vollkom- menheit und Differenzirung erreichen, wie die hoͤchſten Formen der fuͤnf anderen Staͤmme, ſchließen ſich die Pflanzenthiere in mancher Hinſicht mehr den Pflanzen als den uͤbrigen Thieren an. Jnsbeſon- dere iſt bei den feſt gewachſenen Schwaͤmmen und Korallen die aͤußere
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Eintheilung des Thierreichs in 16 Hauptklaſſen und 32 Klaſſen.
Bedenken in der nachfolgenden Entwickelung des thieriſchen Stamm-
baums dadurch einen berechtigten Ausdruck geben, daß ich die Pflan-
zenthiere als eine eigene, von den uͤbrigen Thierſtaͤmmen entferntere
Gruppe voranſtelle, und auf dieſe erſt die Wuͤrmer folgen laſſe, aus
denen ſich die vier hoͤheren Staͤmme des Thierreichs entwickelt haben.
Bevor ich nun dieſe Aufgabe in Angriff nehme und Jhnen meine
genealogiſche Hypotheſe von der hiſtoriſchen Entwickelung der Thier-
ſtaͤmme naͤher erlaͤutere, wird es zweckmaͤßig ſein, wie wir ſchon vor-
her beim Pflanzenreiche gethan haben, das ganze „natuͤrliche Syſtem“
des Thierreichs in einer Tabelle uͤberſichtlich zuſammen zu ſtellen, und
die Hauptklaſſen und Klaſſen zu nennen, welche wir in jedem der
ſechs großen Thierſtaͤmme unterſcheiden. Die Zahl dieſer oberſten
Hauptabtheilungen iſt im Thierreiche viel groͤßer als im Pflanzenreiche,
ſchon aus dem einfachen Grunde, weil der Thierkoͤrper, entſprechend ſei-
ner viel mannichfaltigeren und vollkommneren Lebensthaͤtigkeit, ſich
in viel mehr verſchiedenen Richtungen differenziren und vervollkommnen
konnte. Waͤhrend wir daher das ganze Pflanzenreich in ſechs Haupt-
klaſſen und achtzehn Klaſſen eintheilen konnten, muͤſſen wir im Thier-
reich wenigſtens ſechszehn Hauptklaſſen und zwei und dreißig Klaſ-
ſen unterſcheiden. Dieſe vertheilen ſich in der Art, wie es die vor-
ſtehende ſyſtematiſche Ueberſicht zeigt, auf die ſechs verſchiedenen
Staͤmme des Thierreichs (S. 393).
Die Pflanzenthiere (Coelenterata), welche wir den uͤbrigen
fuͤnf Staͤmmen des Thierreichs aus den angefuͤhrten Gruͤnden gegen-
uͤberſtellen, verdienen in mehr als einer Beziehung den Anfang zu
machen. Denn abgeſehen davon, daß dieſelben in der That in ihrem
geſammten Koͤrperbau viel mehr von den uͤbrigen fuͤnf Staͤmmen ver-
ſchieden ſind, als dieſe unter ſich, abgeſehen ferner davon, daß auch
ihre hoͤchſtentwickelten Formen nicht denjenigen Grad der Vollkom-
menheit und Differenzirung erreichen, wie die hoͤchſten Formen der
fuͤnf anderen Staͤmme, ſchließen ſich die Pflanzenthiere in mancher
Hinſicht mehr den Pflanzen als den uͤbrigen Thieren an. Jnsbeſon-
dere iſt bei den feſt gewachſenen Schwaͤmmen und Korallen die aͤußere
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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/420>, abgerufen am 22.11.2024.
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