Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite

Schaftfarne oder Calamophyten.
seits die höheren Schuppenfarne näher mit den Wasserfarnen ver-
wandt, so daß man auch zwei gabelspaltige Aeste oder einen doppelt
gabelspaltigen Hauptast als die Stammbasis der ganzen Farnhaupt-
klasse ansehen kann.

Auf der niedersten Organisationsstufe bleibt unter den Farnen
die erste Klasse stehen, die Schaftfarne (Calamariae oder Cala-
mophyta
). Sie umfaßt drei verschiedene Ordnungen, von denen
nur eine noch gegenwärtig lebt, nämlich die Schafthalme (Equi-
setaceae).
Die beiden anderen Ordnungen, die Riesenhalme
(Calamiteae) und die Sternblatthalme (Asterophylliteae)
sind längst ausgestorben. Alle Schaftfarne zeichnen sich durch einen
hohlen und gegliederten Schaft, Stengel oder Stamm aus, an wel-
chem Aeste und Blätter, wenn sie vorhanden sind, quirlförmig um die
Stengelglieder herumstehen. Die hohlen Stengelglieder sind durch Quer-
scheidewände von einander getrennt. Bei den Schafthalmen und Ca-
lamiten ist die Oberfläche von längsverlaufenden parallelen Rippen
durchzogen, wie bei einer cannulirten Säule, und die Oberhaut ent-
hält so viel Kieselerde, daß sie zum Scheuern und Poliren verwendet
werden kann. Bei den Sternblatthalmen oder Asterophylliten waren
die sternförmig in Quirle gestellten Blätter stärker entwickelt als bei den
beiden anderen Ordnungen. Jn der Gegenwart leben von den
Schaftfarnen nur noch die unansehnlichen Schafthalme oder Equi-
setum-
Arten unserer Sümpfe und Moore, welche während der gan-
zen Primär- und Secundärzeit durch mächtige Bäume aus der Gat-
tung Equisetites vertreten waren. Zur selben Zeit lebte auch die
nächstverwandte Ordnung der Riesenhalme (Calamites), deren starke
Stämme gegen 50 Fuß Höhe erreichten. Die Ordnung der Stern-
blatthalme (Asterophyllites) dagegen enthielt kleinere, zierliche Pflan-
zen von sehr eigenthümlicher Form, und blieb ausschließlich auf die
Primärzeit beschränkt.

Die Hauptmasse der Farngruppe bildete zu allen Zeiten die Klasse
der eigentlichen Farne im engeren Sinne, der Laubfarne oder We-
delfarne (Filices), auch Landfarne oder Geopteriden genannt, im Ge-

Haeckel, Natürliche Schöpfungsgeschichte. 24

Schaftfarne oder Calamophyten.
ſeits die hoͤheren Schuppenfarne naͤher mit den Waſſerfarnen ver-
wandt, ſo daß man auch zwei gabelſpaltige Aeſte oder einen doppelt
gabelſpaltigen Hauptaſt als die Stammbaſis der ganzen Farnhaupt-
klaſſe anſehen kann.

Auf der niederſten Organiſationsſtufe bleibt unter den Farnen
die erſte Klaſſe ſtehen, die Schaftfarne (Calamariae oder Cala-
mophyta
). Sie umfaßt drei verſchiedene Ordnungen, von denen
nur eine noch gegenwaͤrtig lebt, naͤmlich die Schafthalme (Equi-
setaceae).
Die beiden anderen Ordnungen, die Rieſenhalme
(Calamiteae) und die Sternblatthalme (Asterophylliteae)
ſind laͤngſt ausgeſtorben. Alle Schaftfarne zeichnen ſich durch einen
hohlen und gegliederten Schaft, Stengel oder Stamm aus, an wel-
chem Aeſte und Blaͤtter, wenn ſie vorhanden ſind, quirlfoͤrmig um die
Stengelglieder herumſtehen. Die hohlen Stengelglieder ſind durch Quer-
ſcheidewaͤnde von einander getrennt. Bei den Schafthalmen und Ca-
lamiten iſt die Oberflaͤche von laͤngsverlaufenden parallelen Rippen
durchzogen, wie bei einer cannulirten Saͤule, und die Oberhaut ent-
haͤlt ſo viel Kieſelerde, daß ſie zum Scheuern und Poliren verwendet
werden kann. Bei den Sternblatthalmen oder Aſterophylliten waren
die ſternfoͤrmig in Quirle geſtellten Blaͤtter ſtaͤrker entwickelt als bei den
beiden anderen Ordnungen. Jn der Gegenwart leben von den
Schaftfarnen nur noch die unanſehnlichen Schafthalme oder Equi-
setum-
Arten unſerer Suͤmpfe und Moore, welche waͤhrend der gan-
zen Primaͤr- und Secundaͤrzeit durch maͤchtige Baͤume aus der Gat-
tung Equisetites vertreten waren. Zur ſelben Zeit lebte auch die
naͤchſtverwandte Ordnung der Rieſenhalme (Calamites), deren ſtarke
Staͤmme gegen 50 Fuß Hoͤhe erreichten. Die Ordnung der Stern-
blatthalme (Asterophyllites) dagegen enthielt kleinere, zierliche Pflan-
zen von ſehr eigenthuͤmlicher Form, und blieb ausſchließlich auf die
Primaͤrzeit beſchraͤnkt.

Die Hauptmaſſe der Farngruppe bildete zu allen Zeiten die Klaſſe
der eigentlichen Farne im engeren Sinne, der Laubfarne oder We-
delfarne (Filices), auch Landfarne oder Geopteriden genannt, im Ge-

Haeckel, Natuͤrliche Schoͤpfungsgeſchichte. 24
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0394" n="369"/><fw place="top" type="header">Schaftfarne oder Calamophyten.</fw><lb/>
&#x017F;eits die ho&#x0364;heren Schuppenfarne na&#x0364;her mit den Wa&#x017F;&#x017F;erfarnen ver-<lb/>
wandt, &#x017F;o daß man auch zwei gabel&#x017F;paltige Ae&#x017F;te oder einen doppelt<lb/>
gabel&#x017F;paltigen Haupta&#x017F;t als die Stammba&#x017F;is der ganzen Farnhaupt-<lb/>
kla&#x017F;&#x017F;e an&#x017F;ehen kann.</p><lb/>
        <p>Auf der nieder&#x017F;ten Organi&#x017F;ations&#x017F;tufe bleibt unter den Farnen<lb/>
die er&#x017F;te Kla&#x017F;&#x017F;e &#x017F;tehen, die <hi rendition="#g">Schaftfarne</hi> (<hi rendition="#aq">Calamariae</hi> oder <hi rendition="#aq">Cala-<lb/>
mophyta</hi>). Sie umfaßt drei ver&#x017F;chiedene Ordnungen, von denen<lb/>
nur eine noch gegenwa&#x0364;rtig lebt, na&#x0364;mlich die <hi rendition="#g">Schafthalme</hi> <hi rendition="#aq">(Equi-<lb/>
setaceae).</hi> Die beiden anderen Ordnungen, die <hi rendition="#g">Rie&#x017F;enhalme</hi><lb/><hi rendition="#aq">(Calamiteae)</hi> und die <hi rendition="#g">Sternblatthalme</hi> <hi rendition="#aq">(Asterophylliteae)</hi><lb/>
&#x017F;ind la&#x0364;ng&#x017F;t ausge&#x017F;torben. Alle Schaftfarne zeichnen &#x017F;ich durch einen<lb/>
hohlen und gegliederten Schaft, Stengel oder Stamm aus, an wel-<lb/>
chem Ae&#x017F;te und Bla&#x0364;tter, wenn &#x017F;ie vorhanden &#x017F;ind, quirlfo&#x0364;rmig um die<lb/>
Stengelglieder herum&#x017F;tehen. Die hohlen Stengelglieder &#x017F;ind durch Quer-<lb/>
&#x017F;cheidewa&#x0364;nde von einander getrennt. Bei den Schafthalmen und Ca-<lb/>
lamiten i&#x017F;t die Oberfla&#x0364;che von la&#x0364;ngsverlaufenden parallelen Rippen<lb/>
durchzogen, wie bei einer cannulirten Sa&#x0364;ule, und die Oberhaut ent-<lb/>
ha&#x0364;lt &#x017F;o viel Kie&#x017F;elerde, daß &#x017F;ie zum Scheuern und Poliren verwendet<lb/>
werden kann. Bei den Sternblatthalmen oder A&#x017F;terophylliten waren<lb/>
die &#x017F;ternfo&#x0364;rmig in Quirle ge&#x017F;tellten Bla&#x0364;tter &#x017F;ta&#x0364;rker entwickelt als bei den<lb/>
beiden anderen Ordnungen. Jn der Gegenwart leben von den<lb/>
Schaftfarnen nur noch die unan&#x017F;ehnlichen Schafthalme oder <hi rendition="#aq">Equi-<lb/>
setum-</hi>Arten un&#x017F;erer Su&#x0364;mpfe und Moore, welche wa&#x0364;hrend der gan-<lb/>
zen Prima&#x0364;r- und Secunda&#x0364;rzeit durch ma&#x0364;chtige Ba&#x0364;ume aus der Gat-<lb/>
tung <hi rendition="#aq">Equisetites</hi> vertreten waren. Zur &#x017F;elben Zeit lebte auch die<lb/>
na&#x0364;ch&#x017F;tverwandte Ordnung der Rie&#x017F;enhalme <hi rendition="#aq">(Calamites),</hi> deren &#x017F;tarke<lb/>
Sta&#x0364;mme gegen 50 Fuß Ho&#x0364;he erreichten. Die Ordnung der Stern-<lb/>
blatthalme <hi rendition="#aq">(Asterophyllites)</hi> dagegen enthielt kleinere, zierliche Pflan-<lb/>
zen von &#x017F;ehr eigenthu&#x0364;mlicher Form, und blieb aus&#x017F;chließlich auf die<lb/>
Prima&#x0364;rzeit be&#x017F;chra&#x0364;nkt.</p><lb/>
        <p>Die Hauptma&#x017F;&#x017F;e der Farngruppe bildete zu allen Zeiten die Kla&#x017F;&#x017F;e<lb/>
der eigentlichen Farne im engeren Sinne, der <hi rendition="#g">Laubfarne</hi> oder We-<lb/>
delfarne <hi rendition="#aq">(Filices),</hi> auch Landfarne oder Geopteriden genannt, im Ge-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Haeckel, Natu&#x0364;rliche Scho&#x0364;pfungsge&#x017F;chichte. 24</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[369/0394] Schaftfarne oder Calamophyten. ſeits die hoͤheren Schuppenfarne naͤher mit den Waſſerfarnen ver- wandt, ſo daß man auch zwei gabelſpaltige Aeſte oder einen doppelt gabelſpaltigen Hauptaſt als die Stammbaſis der ganzen Farnhaupt- klaſſe anſehen kann. Auf der niederſten Organiſationsſtufe bleibt unter den Farnen die erſte Klaſſe ſtehen, die Schaftfarne (Calamariae oder Cala- mophyta). Sie umfaßt drei verſchiedene Ordnungen, von denen nur eine noch gegenwaͤrtig lebt, naͤmlich die Schafthalme (Equi- setaceae). Die beiden anderen Ordnungen, die Rieſenhalme (Calamiteae) und die Sternblatthalme (Asterophylliteae) ſind laͤngſt ausgeſtorben. Alle Schaftfarne zeichnen ſich durch einen hohlen und gegliederten Schaft, Stengel oder Stamm aus, an wel- chem Aeſte und Blaͤtter, wenn ſie vorhanden ſind, quirlfoͤrmig um die Stengelglieder herumſtehen. Die hohlen Stengelglieder ſind durch Quer- ſcheidewaͤnde von einander getrennt. Bei den Schafthalmen und Ca- lamiten iſt die Oberflaͤche von laͤngsverlaufenden parallelen Rippen durchzogen, wie bei einer cannulirten Saͤule, und die Oberhaut ent- haͤlt ſo viel Kieſelerde, daß ſie zum Scheuern und Poliren verwendet werden kann. Bei den Sternblatthalmen oder Aſterophylliten waren die ſternfoͤrmig in Quirle geſtellten Blaͤtter ſtaͤrker entwickelt als bei den beiden anderen Ordnungen. Jn der Gegenwart leben von den Schaftfarnen nur noch die unanſehnlichen Schafthalme oder Equi- setum-Arten unſerer Suͤmpfe und Moore, welche waͤhrend der gan- zen Primaͤr- und Secundaͤrzeit durch maͤchtige Baͤume aus der Gat- tung Equisetites vertreten waren. Zur ſelben Zeit lebte auch die naͤchſtverwandte Ordnung der Rieſenhalme (Calamites), deren ſtarke Staͤmme gegen 50 Fuß Hoͤhe erreichten. Die Ordnung der Stern- blatthalme (Asterophyllites) dagegen enthielt kleinere, zierliche Pflan- zen von ſehr eigenthuͤmlicher Form, und blieb ausſchließlich auf die Primaͤrzeit beſchraͤnkt. Die Hauptmaſſe der Farngruppe bildete zu allen Zeiten die Klaſſe der eigentlichen Farne im engeren Sinne, der Laubfarne oder We- delfarne (Filices), auch Landfarne oder Geopteriden genannt, im Ge- Haeckel, Natuͤrliche Schoͤpfungsgeſchichte. 24

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/394
Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/394>, abgerufen am 23.11.2024.