Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite

Hauptklasse der Farne oder Filicinen.
Hauptklasse der Prothalluspflanzen, die der Farne, für die Geschichte
der Pflanzenwelt gehabt hat. Die Farne, oder genauer ausgedrückt,
die "farnartigen Pflanzen" (Filicinae oder Pteridoidae, auch Pteri-
dophyta
genannt) bildeten während eines außerordentlich langen
Zeitraums, nämlich während des ganzen primären oder paläolithi-
schen Zeitalters, die Hauptmasse der Pflanzenwelt, so daß wir das-
selbe gradezu als das Zeitalter der Farnwälder bezeichnen
konnten. Von Anbeginn der antedevonischen Zeit, in welcher zum
ersten Male die landbewohnenden Organismen auftraten, während
der Ablagerung der devonischen, carbonischen und permischen Schich-
ten, sowie während der langen Zwischenräume zwischen den Bil-
dungszeiten dieser Schichtensysteme, überwogen die farnartigen Pflan-
zen so sehr alle übrigen, daß jene Benennung dieses Zeitalters in der
That gerechtfertigt ist. Jn den devonischen, carbonischen und permi-
schen Schichtensystemen, vor allen aber in den ungeheuer mächtigen
Steinkohlenflötzen der carbonischen oder Steinkohlenzeit, finden wir
so zahlreiche und zum Theil wohl erhaltene Reste von Farnen, daß
wir uns daraus ein ziemlich lebendiges Bild von der ganz eigenthüm-
lichen Landflora des paläolithischen Zeitalters machen können. Jm
Jahre 1855 betrug die Gesammtzahl der damals bekannten paläoli-
thischen Pflanzenarten ungefähr Eintausend, und unter diesen befanden
sich nicht weniger als 872 farnartige Pflanzen. Unter den übrigen
128 Arten befanden sich 77 Gymnospermen (Nadelhölzer und Palm-
farne), 40 Thalluspflanzen (größtentheils Tange) und gegen 20 nicht
sicher bestimmbare Cormophyten.

Wie schon vorher bemerkt, haben sich die Farne entweder aus niede-
ren unbekannten Mosen oder unabhängig von diesen, direkt aus Thallus-
pflanzen, und zwar aus Grüntangen entwickelt. Wahrscheinlich fällt dieser
Entwickelungsprozeß, wie der der Mose, in den Beginn der Primärzeit, in
die antedevonische Zeit. Jn ihrer Organisation erheben sich die Farne
bereits bedeutend über die Mose und schließen sich in ihren höheren Formen
schon an die Blumenpflanzen an. Während bei den Mosen noch
ebenso wie bei den Thalluspflanzen der ganze Körper aus ziemlich

Hauptklaſſe der Farne oder Filicinen.
Hauptklaſſe der Prothalluspflanzen, die der Farne, fuͤr die Geſchichte
der Pflanzenwelt gehabt hat. Die Farne, oder genauer ausgedruͤckt,
die „farnartigen Pflanzen“ (Filicinae oder Pteridoidae, auch Pteri-
dophyta
genannt) bildeten waͤhrend eines außerordentlich langen
Zeitraums, naͤmlich waͤhrend des ganzen primaͤren oder palaͤolithi-
ſchen Zeitalters, die Hauptmaſſe der Pflanzenwelt, ſo daß wir das-
ſelbe gradezu als das Zeitalter der Farnwaͤlder bezeichnen
konnten. Von Anbeginn der antedevoniſchen Zeit, in welcher zum
erſten Male die landbewohnenden Organismen auftraten, waͤhrend
der Ablagerung der devoniſchen, carboniſchen und permiſchen Schich-
ten, ſowie waͤhrend der langen Zwiſchenraͤume zwiſchen den Bil-
dungszeiten dieſer Schichtenſyſteme, uͤberwogen die farnartigen Pflan-
zen ſo ſehr alle uͤbrigen, daß jene Benennung dieſes Zeitalters in der
That gerechtfertigt iſt. Jn den devoniſchen, carboniſchen und permi-
ſchen Schichtenſyſtemen, vor allen aber in den ungeheuer maͤchtigen
Steinkohlenfloͤtzen der carboniſchen oder Steinkohlenzeit, finden wir
ſo zahlreiche und zum Theil wohl erhaltene Reſte von Farnen, daß
wir uns daraus ein ziemlich lebendiges Bild von der ganz eigenthuͤm-
lichen Landflora des palaͤolithiſchen Zeitalters machen koͤnnen. Jm
Jahre 1855 betrug die Geſammtzahl der damals bekannten palaͤoli-
thiſchen Pflanzenarten ungefaͤhr Eintauſend, und unter dieſen befanden
ſich nicht weniger als 872 farnartige Pflanzen. Unter den uͤbrigen
128 Arten befanden ſich 77 Gymnoſpermen (Nadelhoͤlzer und Palm-
farne), 40 Thalluspflanzen (groͤßtentheils Tange) und gegen 20 nicht
ſicher beſtimmbare Cormophyten.

Wie ſchon vorher bemerkt, haben ſich die Farne entweder aus niede-
ren unbekannten Moſen oder unabhaͤngig von dieſen, direkt aus Thallus-
pflanzen, und zwar aus Gruͤntangen entwickelt. Wahrſcheinlich faͤllt dieſer
Entwickelungsprozeß, wie der der Moſe, in den Beginn der Primaͤrzeit, in
die antedevoniſche Zeit. Jn ihrer Organiſation erheben ſich die Farne
bereits bedeutend uͤber die Moſe und ſchließen ſich in ihren hoͤheren Formen
ſchon an die Blumenpflanzen an. Waͤhrend bei den Moſen noch
ebenſo wie bei den Thalluspflanzen der ganze Koͤrper aus ziemlich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0392" n="367"/><fw place="top" type="header">Hauptkla&#x017F;&#x017F;e der Farne oder Filicinen.</fw><lb/>
Hauptkla&#x017F;&#x017F;e der Prothalluspflanzen, die der Farne, fu&#x0364;r die Ge&#x017F;chichte<lb/>
der Pflanzenwelt gehabt hat. Die <hi rendition="#g">Farne,</hi> oder genauer ausgedru&#x0364;ckt,<lb/>
die &#x201E;farnartigen Pflanzen&#x201C; (<hi rendition="#aq">Filicinae</hi> oder <hi rendition="#aq">Pteridoidae,</hi> auch <hi rendition="#aq">Pteri-<lb/>
dophyta</hi> genannt) bildeten wa&#x0364;hrend eines außerordentlich langen<lb/>
Zeitraums, na&#x0364;mlich wa&#x0364;hrend des ganzen prima&#x0364;ren oder pala&#x0364;olithi-<lb/>
&#x017F;chen Zeitalters, die Hauptma&#x017F;&#x017F;e der Pflanzenwelt, &#x017F;o daß wir das-<lb/>
&#x017F;elbe gradezu als das <hi rendition="#g">Zeitalter der Farnwa&#x0364;lder</hi> bezeichnen<lb/>
konnten. Von Anbeginn der antedevoni&#x017F;chen Zeit, in welcher zum<lb/>
er&#x017F;ten Male die landbewohnenden Organismen auftraten, wa&#x0364;hrend<lb/>
der Ablagerung der devoni&#x017F;chen, carboni&#x017F;chen und permi&#x017F;chen Schich-<lb/>
ten, &#x017F;owie wa&#x0364;hrend der langen Zwi&#x017F;chenra&#x0364;ume zwi&#x017F;chen den Bil-<lb/>
dungszeiten die&#x017F;er Schichten&#x017F;y&#x017F;teme, u&#x0364;berwogen die farnartigen Pflan-<lb/>
zen &#x017F;o &#x017F;ehr alle u&#x0364;brigen, daß jene Benennung die&#x017F;es Zeitalters in der<lb/>
That gerechtfertigt i&#x017F;t. Jn den devoni&#x017F;chen, carboni&#x017F;chen und permi-<lb/>
&#x017F;chen Schichten&#x017F;y&#x017F;temen, vor allen aber in den ungeheuer ma&#x0364;chtigen<lb/>
Steinkohlenflo&#x0364;tzen der carboni&#x017F;chen oder Steinkohlenzeit, finden wir<lb/>
&#x017F;o zahlreiche und zum Theil wohl erhaltene Re&#x017F;te von Farnen, daß<lb/>
wir uns daraus ein ziemlich lebendiges Bild von der ganz eigenthu&#x0364;m-<lb/>
lichen Landflora des pala&#x0364;olithi&#x017F;chen Zeitalters machen ko&#x0364;nnen. Jm<lb/>
Jahre 1855 betrug die Ge&#x017F;ammtzahl der damals bekannten pala&#x0364;oli-<lb/>
thi&#x017F;chen Pflanzenarten ungefa&#x0364;hr Eintau&#x017F;end, und unter die&#x017F;en befanden<lb/>
&#x017F;ich nicht weniger als 872 farnartige Pflanzen. Unter den u&#x0364;brigen<lb/>
128 Arten befanden &#x017F;ich 77 Gymno&#x017F;permen (Nadelho&#x0364;lzer und Palm-<lb/>
farne), 40 Thalluspflanzen (gro&#x0364;ßtentheils Tange) und gegen 20 nicht<lb/>
&#x017F;icher be&#x017F;timmbare Cormophyten.</p><lb/>
        <p>Wie &#x017F;chon vorher bemerkt, haben &#x017F;ich die Farne entweder aus niede-<lb/>
ren unbekannten Mo&#x017F;en oder unabha&#x0364;ngig von die&#x017F;en, direkt aus Thallus-<lb/>
pflanzen, und zwar aus Gru&#x0364;ntangen entwickelt. Wahr&#x017F;cheinlich fa&#x0364;llt die&#x017F;er<lb/>
Entwickelungsprozeß, wie der der Mo&#x017F;e, in den Beginn der Prima&#x0364;rzeit, in<lb/>
die antedevoni&#x017F;che Zeit. Jn ihrer Organi&#x017F;ation erheben &#x017F;ich die Farne<lb/>
bereits bedeutend u&#x0364;ber die Mo&#x017F;e und &#x017F;chließen &#x017F;ich in ihren ho&#x0364;heren Formen<lb/>
&#x017F;chon an die Blumenpflanzen an. Wa&#x0364;hrend bei den Mo&#x017F;en noch<lb/>
eben&#x017F;o wie bei den Thalluspflanzen der ganze Ko&#x0364;rper aus ziemlich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[367/0392] Hauptklaſſe der Farne oder Filicinen. Hauptklaſſe der Prothalluspflanzen, die der Farne, fuͤr die Geſchichte der Pflanzenwelt gehabt hat. Die Farne, oder genauer ausgedruͤckt, die „farnartigen Pflanzen“ (Filicinae oder Pteridoidae, auch Pteri- dophyta genannt) bildeten waͤhrend eines außerordentlich langen Zeitraums, naͤmlich waͤhrend des ganzen primaͤren oder palaͤolithi- ſchen Zeitalters, die Hauptmaſſe der Pflanzenwelt, ſo daß wir das- ſelbe gradezu als das Zeitalter der Farnwaͤlder bezeichnen konnten. Von Anbeginn der antedevoniſchen Zeit, in welcher zum erſten Male die landbewohnenden Organismen auftraten, waͤhrend der Ablagerung der devoniſchen, carboniſchen und permiſchen Schich- ten, ſowie waͤhrend der langen Zwiſchenraͤume zwiſchen den Bil- dungszeiten dieſer Schichtenſyſteme, uͤberwogen die farnartigen Pflan- zen ſo ſehr alle uͤbrigen, daß jene Benennung dieſes Zeitalters in der That gerechtfertigt iſt. Jn den devoniſchen, carboniſchen und permi- ſchen Schichtenſyſtemen, vor allen aber in den ungeheuer maͤchtigen Steinkohlenfloͤtzen der carboniſchen oder Steinkohlenzeit, finden wir ſo zahlreiche und zum Theil wohl erhaltene Reſte von Farnen, daß wir uns daraus ein ziemlich lebendiges Bild von der ganz eigenthuͤm- lichen Landflora des palaͤolithiſchen Zeitalters machen koͤnnen. Jm Jahre 1855 betrug die Geſammtzahl der damals bekannten palaͤoli- thiſchen Pflanzenarten ungefaͤhr Eintauſend, und unter dieſen befanden ſich nicht weniger als 872 farnartige Pflanzen. Unter den uͤbrigen 128 Arten befanden ſich 77 Gymnoſpermen (Nadelhoͤlzer und Palm- farne), 40 Thalluspflanzen (groͤßtentheils Tange) und gegen 20 nicht ſicher beſtimmbare Cormophyten. Wie ſchon vorher bemerkt, haben ſich die Farne entweder aus niede- ren unbekannten Moſen oder unabhaͤngig von dieſen, direkt aus Thallus- pflanzen, und zwar aus Gruͤntangen entwickelt. Wahrſcheinlich faͤllt dieſer Entwickelungsprozeß, wie der der Moſe, in den Beginn der Primaͤrzeit, in die antedevoniſche Zeit. Jn ihrer Organiſation erheben ſich die Farne bereits bedeutend uͤber die Moſe und ſchließen ſich in ihren hoͤheren Formen ſchon an die Blumenpflanzen an. Waͤhrend bei den Moſen noch ebenſo wie bei den Thalluspflanzen der ganze Koͤrper aus ziemlich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/392
Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/392>, abgerufen am 27.11.2024.