ob man sie Lebenskraft (vis vitalis) oder Endursache (causa finalis) nannte. Jn allen Fällen flüchtete man hier, um es mit einem Worte zu sagen, zum Wunder als der Erklärung. Man warf sich einer Glaubensdichtung in die Arme, welche als solche auf dem Gebiete na- turwissenschaftlicher Erkenntniß durchaus keine Geltung haben kann.
Alles nun, was vor Darwin geschehen ist, um eine natürliche, mechanische Auffassung von der Entstehung der Thier- und Pflanzen- formen zu begründen, vermochte diese nicht zum Durchbruch und zu allgemeinerer Anerkennung zu bringen. Dies gelang erst Darwins Lehre, und hierin liegt ein unermeßliches Verdienst derselben. Denn es wird dadurch die Ansicht von der Einheit der organischen und der anorganischen Natur fest begründet; und derjenige. Theil der Naturwissenschaft, welcher bisher am längsten und am hart- näckigsten sich einer mechanischen Auffassung und Erklärung widersetzte, die Lehre vom Bau der lebendigen Formen, von der Bedeutung und dem Entstehen derselben, wird dadurch mit allen übrigen naturwissen- schaftlichen Lehren auf einen und denselben Weg der Vollendung ge- bracht. Es wird die Einheit aller Naturerscheinungen dadurch end- gültig festgestellt.
Diese Einheit der ganzen Natur, die Beseelung aller Materie, die Untrennbarkeit der geistigen Kraft und des körperlichen Stoffes hat Goethe mit den Worten behauptet: "die Materie kann nie ohne Geist, der Geist nie ohne Materie existiren und wirksam sein". Von den großen monistischen Philosophen aller Zeiten sind diese obersten Grundsätze der mechanischen Weltanschauung vertreten worden. Schon Demokritus von Abdera, der unsterbliche Begründer der Atomen- lehre, sprach dieselben fast ein halbes Jahrtausend vor Christus klar aus, ganz vorzüglich aber der große Dominikanermönch Giordano Bruno. Dieser wurde dafür am 17. Februar 1600 in Rom von der christlichen Jnquisition auf dem Scheiterhaufen verbrannt, an demsel- ben Tage, an welchem 36 Jahre früher sein großer Landsmann und Kampfesgenosse Galilei geboren wurde. Solche Männer, die für eine große Jdee leben und sterben, pflegt man "Materialisten" zu nen-
Einheit der organiſchen und anorganiſchen Natur.
ob man ſie Lebenskraft (vis vitalis) oder Endurſache (causa finalis) nannte. Jn allen Faͤllen fluͤchtete man hier, um es mit einem Worte zu ſagen, zum Wunder als der Erklaͤrung. Man warf ſich einer Glaubensdichtung in die Arme, welche als ſolche auf dem Gebiete na- turwiſſenſchaftlicher Erkenntniß durchaus keine Geltung haben kann.
Alles nun, was vor Darwin geſchehen iſt, um eine natuͤrliche, mechaniſche Auffaſſung von der Entſtehung der Thier- und Pflanzen- formen zu begruͤnden, vermochte dieſe nicht zum Durchbruch und zu allgemeinerer Anerkennung zu bringen. Dies gelang erſt Darwins Lehre, und hierin liegt ein unermeßliches Verdienſt derſelben. Denn es wird dadurch die Anſicht von der Einheit der organiſchen und der anorganiſchen Natur feſt begruͤndet; und derjenige. Theil der Naturwiſſenſchaft, welcher bisher am laͤngſten und am hart- naͤckigſten ſich einer mechaniſchen Auffaſſung und Erklaͤrung widerſetzte, die Lehre vom Bau der lebendigen Formen, von der Bedeutung und dem Entſtehen derſelben, wird dadurch mit allen uͤbrigen naturwiſſen- ſchaftlichen Lehren auf einen und denſelben Weg der Vollendung ge- bracht. Es wird die Einheit aller Naturerſcheinungen dadurch end- guͤltig feſtgeſtellt.
Dieſe Einheit der ganzen Natur, die Beſeelung aller Materie, die Untrennbarkeit der geiſtigen Kraft und des koͤrperlichen Stoffes hat Goethe mit den Worten behauptet: „die Materie kann nie ohne Geiſt, der Geiſt nie ohne Materie exiſtiren und wirkſam ſein“. Von den großen moniſtiſchen Philoſophen aller Zeiten ſind dieſe oberſten Grundſaͤtze der mechaniſchen Weltanſchauung vertreten worden. Schon Demokritus von Abdera, der unſterbliche Begruͤnder der Atomen- lehre, ſprach dieſelben faſt ein halbes Jahrtauſend vor Chriſtus klar aus, ganz vorzuͤglich aber der große Dominikanermoͤnch Giordano Bruno. Dieſer wurde dafuͤr am 17. Februar 1600 in Rom von der chriſtlichen Jnquiſition auf dem Scheiterhaufen verbrannt, an demſel- ben Tage, an welchem 36 Jahre fruͤher ſein großer Landsmann und Kampfesgenoſſe Galilei geboren wurde. Solche Maͤnner, die fuͤr eine große Jdee leben und ſterben, pflegt man „Materialiſten“ zu nen-
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Einheit der organiſchen und anorganiſchen Natur.
ob man ſie Lebenskraft (vis vitalis) oder Endurſache (causa finalis)
nannte. Jn allen Faͤllen fluͤchtete man hier, um es mit einem Worte
zu ſagen, zum Wunder als der Erklaͤrung. Man warf ſich einer
Glaubensdichtung in die Arme, welche als ſolche auf dem Gebiete na-
turwiſſenſchaftlicher Erkenntniß durchaus keine Geltung haben kann.
Alles nun, was vor Darwin geſchehen iſt, um eine natuͤrliche,
mechaniſche Auffaſſung von der Entſtehung der Thier- und Pflanzen-
formen zu begruͤnden, vermochte dieſe nicht zum Durchbruch und zu
allgemeinerer Anerkennung zu bringen. Dies gelang erſt Darwins
Lehre, und hierin liegt ein unermeßliches Verdienſt derſelben. Denn
es wird dadurch die Anſicht von der Einheit der organiſchen
und der anorganiſchen Natur feſt begruͤndet; und derjenige.
Theil der Naturwiſſenſchaft, welcher bisher am laͤngſten und am hart-
naͤckigſten ſich einer mechaniſchen Auffaſſung und Erklaͤrung widerſetzte,
die Lehre vom Bau der lebendigen Formen, von der Bedeutung und
dem Entſtehen derſelben, wird dadurch mit allen uͤbrigen naturwiſſen-
ſchaftlichen Lehren auf einen und denſelben Weg der Vollendung ge-
bracht. Es wird die Einheit aller Naturerſcheinungen dadurch end-
guͤltig feſtgeſtellt.
Dieſe Einheit der ganzen Natur, die Beſeelung aller Materie, die
Untrennbarkeit der geiſtigen Kraft und des koͤrperlichen Stoffes hat
Goethe mit den Worten behauptet: „die Materie kann nie ohne
Geiſt, der Geiſt nie ohne Materie exiſtiren und wirkſam ſein“. Von
den großen moniſtiſchen Philoſophen aller Zeiten ſind dieſe oberſten
Grundſaͤtze der mechaniſchen Weltanſchauung vertreten worden. Schon
Demokritus von Abdera, der unſterbliche Begruͤnder der Atomen-
lehre, ſprach dieſelben faſt ein halbes Jahrtauſend vor Chriſtus klar
aus, ganz vorzuͤglich aber der große Dominikanermoͤnch Giordano
Bruno. Dieſer wurde dafuͤr am 17. Februar 1600 in Rom von der
chriſtlichen Jnquiſition auf dem Scheiterhaufen verbrannt, an demſel-
ben Tage, an welchem 36 Jahre fruͤher ſein großer Landsmann und
Kampfesgenoſſe Galilei geboren wurde. Solche Maͤnner, die fuͤr
eine große Jdee leben und ſterben, pflegt man „Materialiſten“ zu nen-
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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/39>, abgerufen am 23.11.2024.
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