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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

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Thalluspflanzen und Stockpflanzen.
einander, entsprechend jenen beiden verschiedenen Auffassungen, macht
Jhnen nachstehende Uebersicht deutlich.

I. Blumenlose
(Cryptogamae).
A. Thalluspflanzen
(Thallophyta).
B. Prothalluspflanzen
(Prothallophyta).
I. Thalluspflanzen
(Thallophyta).
II. Stockpflanzen
(Cormophyta).
II. Blumenpflanzen
(Phanerogamae).
C. Blumenpflanzen
(Phanerogamae).

Die Stockpflanzen oder Cormophyten, in deren Organisation
bereits der Unterschied von Stengelorganen und Blattorganen ent-
wickelt ist, bilden gegenwärtig und schon seit sehr langer Zeit die
Hauptmasse der Pflanzenwelt. Allein so war es nicht immer. Vielmehr
fehlten die Stockpflanzen, und zwar nicht allein die Blumenpflanzen,
sondern auch die Prothalluspflanzen, noch gänzlich während jenes
unermeßlich langen Zeitraums, welcher als das archolithische oder
primordiale Zeitalter den Beginn und den ersten Hauptabschnitt der
organischen Erdgeschichte bildet. Sie erinnern sich, daß während
dieses Zeitraums sich die laurentischen, cambrischen und silurischen
Schichtensysteme ablagerten, deren Dicke zusammengenommen unge-
fähr 70,000 Fuß beträgt. Da nun die Dicke aller darüber liegenden
jüngeren Schichten, von den devonischen bis zu den Ablagerungen
der Gegenwart zusammen nur ungefähr 60,000 Fuß erreicht, so
konnten wir hieraus allein den auch aus anderen Gründen wahrschein-
lichen Schluß ziehen, daß jenes archolithische oder primordiale Zeitalter
eine längere Dauer besaß, als die ganze darauf folgende Zeit bis zur
Gegenwart. Während dieses ganzen unermeßlichen Zeitraums, der viel-
leicht viele Millionen von Jahrhunderten umschloß, scheint das Pflan-
zenleben auf unserer Erde ausschließlich durch die Stammgruppe der
Thalluspflanzen, und zwar nur durch die Hauptklasse der wasserbe-
wohnenden Thalluspflanzen, durch die Tange oder Algen, vertreten
gewesen zu sein. Wenigstens gehören alle versteinerten Pflanzenreste,
welche wir mit Sicherheit aus der Primordialzeit kennen, ausschließlich
dieser Hauptklasse an. Da auch alle Thierreste dieses ungeheuren

Thalluspflanzen und Stockpflanzen.
einander, entſprechend jenen beiden verſchiedenen Auffaſſungen, macht
Jhnen nachſtehende Ueberſicht deutlich.

I. Blumenloſe
(Cryptogamae).
A. Thalluspflanzen
(Thallophyta).
B. Prothalluspflanzen
(Prothallophyta).
I. Thalluspflanzen
(Thallophyta).
II. Stockpflanzen
(Cormophyta).
II. Blumenpflanzen
(Phanerogamae).
C. Blumenpflanzen
(Phanerogamae).

Die Stockpflanzen oder Cormophyten, in deren Organiſation
bereits der Unterſchied von Stengelorganen und Blattorganen ent-
wickelt iſt, bilden gegenwaͤrtig und ſchon ſeit ſehr langer Zeit die
Hauptmaſſe der Pflanzenwelt. Allein ſo war es nicht immer. Vielmehr
fehlten die Stockpflanzen, und zwar nicht allein die Blumenpflanzen,
ſondern auch die Prothalluspflanzen, noch gaͤnzlich waͤhrend jenes
unermeßlich langen Zeitraums, welcher als das archolithiſche oder
primordiale Zeitalter den Beginn und den erſten Hauptabſchnitt der
organiſchen Erdgeſchichte bildet. Sie erinnern ſich, daß waͤhrend
dieſes Zeitraums ſich die laurentiſchen, cambriſchen und ſiluriſchen
Schichtenſyſteme ablagerten, deren Dicke zuſammengenommen unge-
faͤhr 70,000 Fuß betraͤgt. Da nun die Dicke aller daruͤber liegenden
juͤngeren Schichten, von den devoniſchen bis zu den Ablagerungen
der Gegenwart zuſammen nur ungefaͤhr 60,000 Fuß erreicht, ſo
konnten wir hieraus allein den auch aus anderen Gruͤnden wahrſchein-
lichen Schluß ziehen, daß jenes archolithiſche oder primordiale Zeitalter
eine laͤngere Dauer beſaß, als die ganze darauf folgende Zeit bis zur
Gegenwart. Waͤhrend dieſes ganzen unermeßlichen Zeitraums, der viel-
leicht viele Millionen von Jahrhunderten umſchloß, ſcheint das Pflan-
zenleben auf unſerer Erde ausſchließlich durch die Stammgruppe der
Thalluspflanzen, und zwar nur durch die Hauptklaſſe der waſſerbe-
wohnenden Thalluspflanzen, durch die Tange oder Algen, vertreten
geweſen zu ſein. Wenigſtens gehoͤren alle verſteinerten Pflanzenreſte,
welche wir mit Sicherheit aus der Primordialzeit kennen, ausſchließlich
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[351/0376] Thalluspflanzen und Stockpflanzen. einander, entſprechend jenen beiden verſchiedenen Auffaſſungen, macht Jhnen nachſtehende Ueberſicht deutlich. I. Blumenloſe (Cryptogamae). A. Thalluspflanzen (Thallophyta). B. Prothalluspflanzen (Prothallophyta). I. Thalluspflanzen (Thallophyta). II. Stockpflanzen (Cormophyta). II. Blumenpflanzen (Phanerogamae). C. Blumenpflanzen (Phanerogamae). Die Stockpflanzen oder Cormophyten, in deren Organiſation bereits der Unterſchied von Stengelorganen und Blattorganen ent- wickelt iſt, bilden gegenwaͤrtig und ſchon ſeit ſehr langer Zeit die Hauptmaſſe der Pflanzenwelt. Allein ſo war es nicht immer. Vielmehr fehlten die Stockpflanzen, und zwar nicht allein die Blumenpflanzen, ſondern auch die Prothalluspflanzen, noch gaͤnzlich waͤhrend jenes unermeßlich langen Zeitraums, welcher als das archolithiſche oder primordiale Zeitalter den Beginn und den erſten Hauptabſchnitt der organiſchen Erdgeſchichte bildet. Sie erinnern ſich, daß waͤhrend dieſes Zeitraums ſich die laurentiſchen, cambriſchen und ſiluriſchen Schichtenſyſteme ablagerten, deren Dicke zuſammengenommen unge- faͤhr 70,000 Fuß betraͤgt. Da nun die Dicke aller daruͤber liegenden juͤngeren Schichten, von den devoniſchen bis zu den Ablagerungen der Gegenwart zuſammen nur ungefaͤhr 60,000 Fuß erreicht, ſo konnten wir hieraus allein den auch aus anderen Gruͤnden wahrſchein- lichen Schluß ziehen, daß jenes archolithiſche oder primordiale Zeitalter eine laͤngere Dauer beſaß, als die ganze darauf folgende Zeit bis zur Gegenwart. Waͤhrend dieſes ganzen unermeßlichen Zeitraums, der viel- leicht viele Millionen von Jahrhunderten umſchloß, ſcheint das Pflan- zenleben auf unſerer Erde ausſchließlich durch die Stammgruppe der Thalluspflanzen, und zwar nur durch die Hauptklaſſe der waſſerbe- wohnenden Thalluspflanzen, durch die Tange oder Algen, vertreten geweſen zu ſein. Wenigſtens gehoͤren alle verſteinerten Pflanzenreſte, welche wir mit Sicherheit aus der Primordialzeit kennen, ausſchließlich dieſer Hauptklaſſe an. Da auch alle Thierreſte dieſes ungeheuren

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/376>, abgerufen am 25.11.2024.