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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

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Chemische Zusammensetzung des Protistenkörpers.
mit ersterer regelmäßig in Generationen abwechselnd (Metagenesis
S. 88). Sämmtliche Protisten dagegen pflanzen sich ausschließlich
nur auf dem ungeschlechtlichen Wege fort und der Gegensatz der beiden
Geschlechter ist bei ihnen überhaupt noch nicht durch Differenzirung
entstanden. Es giebt weder männliche noch weibliche Protisten.

Wie die Protisten in ihren Lebenserscheinungen zwischen Thieren
und Pflanzen (und zwar vorzüglich zwischen den niedersten Formen
derselben) mitten inne stehen, so gilt dasselbe auch von der chemi-
schen Zusammensetzung
ihres Körpers. Einer der wichtigsten
Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung des Thier- und Pflan-
zenkörpers besteht in ihrer charakteristischen Skeletbildung. Das Skelet
oder das feste Gerüste des Körpers besteht bei den meisten echten
Pflanzen aus der stickstofffreien Cellulose, welche ein Ausschwitzungs-
produkt des stickstoffhaltigen Zellstoffs oder Protoplasma ist. Bei den
meisten echten Thieren dagegen besteht das Skelet gewöhnlich entweder
aus stickstoffhaltigen Verbindungen (Chitin u. s. w.), oder aus Kalk-
erde. Jn dieser Beziehung verhalten sich die einen Protisten mehr wie
Pflanzen, die anderen mehr wie Thiere. Bei Vielen ist das Skelet
vorzugsweise oder ganz aus Kieselerde gebildet, welche sowohl im
Thier- als Pflanzenkörper vorkommt. Der active Lebensstoff ist aber
in allen Fällen immer das schleimige Protoplasma.

Jn Bezug auf die Formbildung der Protisten ist insbeson-
dere hervorzuheben, daß die Jndividualität ihres Körpers fast
immer auf einer außerordentlich tiefen Stufe der Entwickelung stehen
bleibt. Sehr viele Protisten bleiben zeitlebens einfache Plastiden oder
Jndividuen erster Ordnung. Andere bilden zwar durch Vereinigung
von mehreren Jndividuen Colonien oder Staaten von Plastiden. Al-
lein auch diese höheren Jndividuen zweiter Ordnung bleiben meistens
auf einer sehr tiefen Ausbildungsstufe stehen. Die Bürger dieser Pla-
stidengemeinden bleiben sehr gleichartig, gehen nur in sehr geringem
Grade Arbeitstheilung ein, und vermögen daher ebenso wenig ihren
staatlichen Organismus zu höheren Leistungen zu befähigen, als etwa
die Wilden Neuhollands dies im Stande sind. Der Zusammenhang der

Chemiſche Zuſammenſetzung des Protiſtenkoͤrpers.
mit erſterer regelmaͤßig in Generationen abwechſelnd (Metageneſis
S. 88). Saͤmmtliche Protiſten dagegen pflanzen ſich ausſchließlich
nur auf dem ungeſchlechtlichen Wege fort und der Gegenſatz der beiden
Geſchlechter iſt bei ihnen uͤberhaupt noch nicht durch Differenzirung
entſtanden. Es giebt weder maͤnnliche noch weibliche Protiſten.

Wie die Protiſten in ihren Lebenserſcheinungen zwiſchen Thieren
und Pflanzen (und zwar vorzuͤglich zwiſchen den niederſten Formen
derſelben) mitten inne ſtehen, ſo gilt daſſelbe auch von der chemi-
ſchen Zuſammenſetzung
ihres Koͤrpers. Einer der wichtigſten
Unterſchiede in der chemiſchen Zuſammenſetzung des Thier- und Pflan-
zenkoͤrpers beſteht in ihrer charakteriſtiſchen Skeletbildung. Das Skelet
oder das feſte Geruͤſte des Koͤrpers beſteht bei den meiſten echten
Pflanzen aus der ſtickſtofffreien Celluloſe, welche ein Ausſchwitzungs-
produkt des ſtickſtoffhaltigen Zellſtoffs oder Protoplasma iſt. Bei den
meiſten echten Thieren dagegen beſteht das Skelet gewoͤhnlich entweder
aus ſtickſtoffhaltigen Verbindungen (Chitin u. ſ. w.), oder aus Kalk-
erde. Jn dieſer Beziehung verhalten ſich die einen Protiſten mehr wie
Pflanzen, die anderen mehr wie Thiere. Bei Vielen iſt das Skelet
vorzugsweiſe oder ganz aus Kieſelerde gebildet, welche ſowohl im
Thier- als Pflanzenkoͤrper vorkommt. Der active Lebensſtoff iſt aber
in allen Faͤllen immer das ſchleimige Protoplasma.

Jn Bezug auf die Formbildung der Protiſten iſt insbeſon-
dere hervorzuheben, daß die Jndividualitaͤt ihres Koͤrpers faſt
immer auf einer außerordentlich tiefen Stufe der Entwickelung ſtehen
bleibt. Sehr viele Protiſten bleiben zeitlebens einfache Plaſtiden oder
Jndividuen erſter Ordnung. Andere bilden zwar durch Vereinigung
von mehreren Jndividuen Colonien oder Staaten von Plaſtiden. Al-
lein auch dieſe hoͤheren Jndividuen zweiter Ordnung bleiben meiſtens
auf einer ſehr tiefen Ausbildungsſtufe ſtehen. Die Buͤrger dieſer Pla-
ſtidengemeinden bleiben ſehr gleichartig, gehen nur in ſehr geringem
Grade Arbeitstheilung ein, und vermoͤgen daher ebenſo wenig ihren
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[342/0367] Chemiſche Zuſammenſetzung des Protiſtenkoͤrpers. mit erſterer regelmaͤßig in Generationen abwechſelnd (Metageneſis S. 88). Saͤmmtliche Protiſten dagegen pflanzen ſich ausſchließlich nur auf dem ungeſchlechtlichen Wege fort und der Gegenſatz der beiden Geſchlechter iſt bei ihnen uͤberhaupt noch nicht durch Differenzirung entſtanden. Es giebt weder maͤnnliche noch weibliche Protiſten. Wie die Protiſten in ihren Lebenserſcheinungen zwiſchen Thieren und Pflanzen (und zwar vorzuͤglich zwiſchen den niederſten Formen derſelben) mitten inne ſtehen, ſo gilt daſſelbe auch von der chemi- ſchen Zuſammenſetzung ihres Koͤrpers. Einer der wichtigſten Unterſchiede in der chemiſchen Zuſammenſetzung des Thier- und Pflan- zenkoͤrpers beſteht in ihrer charakteriſtiſchen Skeletbildung. Das Skelet oder das feſte Geruͤſte des Koͤrpers beſteht bei den meiſten echten Pflanzen aus der ſtickſtofffreien Celluloſe, welche ein Ausſchwitzungs- produkt des ſtickſtoffhaltigen Zellſtoffs oder Protoplasma iſt. Bei den meiſten echten Thieren dagegen beſteht das Skelet gewoͤhnlich entweder aus ſtickſtoffhaltigen Verbindungen (Chitin u. ſ. w.), oder aus Kalk- erde. Jn dieſer Beziehung verhalten ſich die einen Protiſten mehr wie Pflanzen, die anderen mehr wie Thiere. Bei Vielen iſt das Skelet vorzugsweiſe oder ganz aus Kieſelerde gebildet, welche ſowohl im Thier- als Pflanzenkoͤrper vorkommt. Der active Lebensſtoff iſt aber in allen Faͤllen immer das ſchleimige Protoplasma. Jn Bezug auf die Formbildung der Protiſten iſt insbeſon- dere hervorzuheben, daß die Jndividualitaͤt ihres Koͤrpers faſt immer auf einer außerordentlich tiefen Stufe der Entwickelung ſtehen bleibt. Sehr viele Protiſten bleiben zeitlebens einfache Plaſtiden oder Jndividuen erſter Ordnung. Andere bilden zwar durch Vereinigung von mehreren Jndividuen Colonien oder Staaten von Plaſtiden. Al- lein auch dieſe hoͤheren Jndividuen zweiter Ordnung bleiben meiſtens auf einer ſehr tiefen Ausbildungsſtufe ſtehen. Die Buͤrger dieſer Pla- ſtidengemeinden bleiben ſehr gleichartig, gehen nur in ſehr geringem Grade Arbeitstheilung ein, und vermoͤgen daher ebenſo wenig ihren ſtaatlichen Organismus zu hoͤheren Leiſtungen zu befaͤhigen, als etwa die Wilden Neuhollands dies im Stande ſind. Der Zuſammenhang der

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/367>, abgerufen am 26.11.2024.