ßen, nämlich einerseits 9. die Phykochromalgen oder Phykochromaceen und 10. die Pilze oder Fungen; andrerseits 11 die Schwämme oder Spongien. Jndessen erscheint es, (für unsere Betrachtung hier we- nigstens) vortheilhafter, die letztere Klasse im Thierreich, die beiden er- steren im Pflanzen reiche stehen zu lassen.
Der Stammbaum des Protistenreichs ist noch in tiefes Dunkel gehüllt. Die eigenthümliche Verbindung von thierischen und pflanzlichen Eigenschaften, der indifferente und unbestimmte Charakter ihrer Formverhältnisse und Lebenserscheinungen, dabei andrerseits eine Anzahl von mehreren, ganz eigenthümlichen Merkmalen, welche die mei- sten der genannten Klassen scharf von den anderen trennen, vereiteln vor- läufig noch jeden Versuch, ihre Blutsverwandtschaft untereinander, oder mit den niedersten Thieren einerseits, mit den niedersten Pflanzen andrer- seits, bestimmter zu erkennen. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die ge- nannten und noch viele andere uns unbekannte Protistenklassen ganz selbstständige organische Stämme oder Phylen darstellen, deren jeder sich aus einer, vielleicht sogar aus mehreren, durch Urzeugung entstandenen Moneren unabhängig entwickelt hat. Will man dieser vielstämmigen oder polyphyletischen Descendenzhypothese nicht beipflichten, und zieht man die einstämmige oder monophyletische Annahme von der Blutsverwandt- schaft aller Organismen vor, so wird man die verschiedenen Protisten- klassen als niedere Wurzelschößlinge zu betrachten haben, aus derselben einfachen Monerenwurzel heraussprossend, aus welcher die beiden mäch- tigen und vielverzweigten Stammbäume einerseits des Thierreichs, andrerseits des Pflanzenreichs entstanden sind (Taf. I.) Bevor ich Jhnen diese schwierige und dunkle Frage näher erläutere, wird es wohl passend sein, noch Einiges über den Jnhalt der vorstehend angeführten Protistenklassen und ihre allgemeine Naturgeschichte vorauszuschicken.
Daß ich hier wieder mit den merkwürdigen Moneren(Mo- nera) als erster Klasse des Protistenreichs beginne, wird Jhnen viel- leicht seltsam vorkommen, da ich ja Moneren als die ältesten Stamm- formen aller Organismen ohne Ausnahme ansehe. Allein was sollen wir sonst mit den gegenwärtig noch lebenden Moneren an-
Der Stammbaum des Protiſtenreichs.
ßen, naͤmlich einerſeits 9. die Phykochromalgen oder Phykochromaceen und 10. die Pilze oder Fungen; andrerſeits 11 die Schwaͤmme oder Spongien. Jndeſſen erſcheint es, (fuͤr unſere Betrachtung hier we- nigſtens) vortheilhafter, die letztere Klaſſe im Thierreich, die beiden er- ſteren im Pflanzen reiche ſtehen zu laſſen.
Der Stammbaum des Protiſtenreichs iſt noch in tiefes Dunkel gehuͤllt. Die eigenthuͤmliche Verbindung von thieriſchen und pflanzlichen Eigenſchaften, der indifferente und unbeſtimmte Charakter ihrer Formverhaͤltniſſe und Lebenserſcheinungen, dabei andrerſeits eine Anzahl von mehreren, ganz eigenthuͤmlichen Merkmalen, welche die mei- ſten der genannten Klaſſen ſcharf von den anderen trennen, vereiteln vor- laͤufig noch jeden Verſuch, ihre Blutsverwandtſchaft untereinander, oder mit den niederſten Thieren einerſeits, mit den niederſten Pflanzen andrer- ſeits, beſtimmter zu erkennen. Es iſt nicht unwahrſcheinlich, daß die ge- nannten und noch viele andere uns unbekannte Protiſtenklaſſen ganz ſelbſtſtaͤndige organiſche Staͤmme oder Phylen darſtellen, deren jeder ſich aus einer, vielleicht ſogar aus mehreren, durch Urzeugung entſtandenen Moneren unabhaͤngig entwickelt hat. Will man dieſer vielſtaͤmmigen oder polyphyletiſchen Deſcendenzhypotheſe nicht beipflichten, und zieht man die einſtaͤmmige oder monophyletiſche Annahme von der Blutsverwandt- ſchaft aller Organismen vor, ſo wird man die verſchiedenen Protiſten- klaſſen als niedere Wurzelſchoͤßlinge zu betrachten haben, aus derſelben einfachen Monerenwurzel herausſproſſend, aus welcher die beiden maͤch- tigen und vielverzweigten Stammbaͤume einerſeits des Thierreichs, andrerſeits des Pflanzenreichs entſtanden ſind (Taf. I.) Bevor ich Jhnen dieſe ſchwierige und dunkle Frage naͤher erlaͤutere, wird es wohl paſſend ſein, noch Einiges uͤber den Jnhalt der vorſtehend angefuͤhrten Protiſtenklaſſen und ihre allgemeine Naturgeſchichte vorauszuſchicken.
Daß ich hier wieder mit den merkwuͤrdigen Moneren(Mo- nera) als erſter Klaſſe des Protiſtenreichs beginne, wird Jhnen viel- leicht ſeltſam vorkommen, da ich ja Moneren als die aͤlteſten Stamm- formen aller Organismen ohne Ausnahme anſehe. Allein was ſollen wir ſonſt mit den gegenwaͤrtig noch lebenden Moneren an-
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Der Stammbaum des Protiſtenreichs.
ßen, naͤmlich einerſeits 9. die Phykochromalgen oder Phykochromaceen
und 10. die Pilze oder Fungen; andrerſeits 11 die Schwaͤmme oder
Spongien. Jndeſſen erſcheint es, (fuͤr unſere Betrachtung hier we-
nigſtens) vortheilhafter, die letztere Klaſſe im Thierreich, die beiden er-
ſteren im Pflanzen reiche ſtehen zu laſſen.
Der Stammbaum des Protiſtenreichs iſt noch in tiefes
Dunkel gehuͤllt. Die eigenthuͤmliche Verbindung von thieriſchen und
pflanzlichen Eigenſchaften, der indifferente und unbeſtimmte Charakter
ihrer Formverhaͤltniſſe und Lebenserſcheinungen, dabei andrerſeits eine
Anzahl von mehreren, ganz eigenthuͤmlichen Merkmalen, welche die mei-
ſten der genannten Klaſſen ſcharf von den anderen trennen, vereiteln vor-
laͤufig noch jeden Verſuch, ihre Blutsverwandtſchaft untereinander, oder
mit den niederſten Thieren einerſeits, mit den niederſten Pflanzen andrer-
ſeits, beſtimmter zu erkennen. Es iſt nicht unwahrſcheinlich, daß die ge-
nannten und noch viele andere uns unbekannte Protiſtenklaſſen ganz
ſelbſtſtaͤndige organiſche Staͤmme oder Phylen darſtellen, deren jeder ſich
aus einer, vielleicht ſogar aus mehreren, durch Urzeugung entſtandenen
Moneren unabhaͤngig entwickelt hat. Will man dieſer vielſtaͤmmigen oder
polyphyletiſchen Deſcendenzhypotheſe nicht beipflichten, und zieht man die
einſtaͤmmige oder monophyletiſche Annahme von der Blutsverwandt-
ſchaft aller Organismen vor, ſo wird man die verſchiedenen Protiſten-
klaſſen als niedere Wurzelſchoͤßlinge zu betrachten haben, aus derſelben
einfachen Monerenwurzel herausſproſſend, aus welcher die beiden maͤch-
tigen und vielverzweigten Stammbaͤume einerſeits des Thierreichs,
andrerſeits des Pflanzenreichs entſtanden ſind (Taf. I.) Bevor ich
Jhnen dieſe ſchwierige und dunkle Frage naͤher erlaͤutere, wird es wohl
paſſend ſein, noch Einiges uͤber den Jnhalt der vorſtehend angefuͤhrten
Protiſtenklaſſen und ihre allgemeine Naturgeſchichte vorauszuſchicken.
Daß ich hier wieder mit den merkwuͤrdigen Moneren (Mo-
nera) als erſter Klaſſe des Protiſtenreichs beginne, wird Jhnen viel-
leicht ſeltſam vorkommen, da ich ja Moneren als die aͤlteſten Stamm-
formen aller Organismen ohne Ausnahme anſehe. Allein was ſollen
wir ſonſt mit den gegenwaͤrtig noch lebenden Moneren an-
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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/353>, abgerufen am 27.11.2024.
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