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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

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Geringe Ausdehnung der paläontologischen Erfahrungen.
Strecken untersucht. Dagegen vom größten Theile Asiens, des um-
fangreichsten aller Welttheile, wissen wir fast Nichts, -- von Afrika
fast Nichts, ausgenommen das Kap der guten Hoffnung und die Mit-
telmeerküste, -- von Neuholland fast Nichts, von Südamerika nur sehr
Wenig. Sie sehen also, daß erst ein ganz kleines Stück, wohl kaum
der zehntausendste Theil von der gesammten Erdoberfläche paläontolo-
gisch erforscht ist. Wir können daher wohl hoffen, bei weiterer Ausbrei-
tung der geologischen Untersuchungen, denen namentlich die Anlage
von Eisenbahnen und Bergwerken sehr zu Hilfe kommen wird, noch
einen großen Theil wichtiger Versteinerungen aufzufinden. Ein Finger-
zeig dafür ist uns durch die merkwürdigen Versteinerungen gegeben,
die man an den wenigen, genauer untersuchten Punkten von Afrika
und Asien, in den Kapgegenden und am Himalaya aufgefunden hat.
Eine Reihe von ganz neuen und sehr eigenthümlichen Thierformen ist
uns dadurch bekannt geworden. Freilich müssen wir andrerseits er-
wägen, daß der ausgedehnte Boden der jetzigen Meere vorläufig für
die paläontologischen Forschungen ganz unzugänglich ist, und daß wir
den größten Theil der hier seit uralten Zeiten begrabenen Versteine-
rungen entweder niemals oder im besten Fall erst nach Verlauf vieler
Jahrtausende werden kennen lernen, wenn durch allmähliche Hebungen
der gegenwärtige Meeresboden mehr zu Tage getreten sein wird.
Wenn Sie bedenken, daß die ganze Erdoberfläche zu ungefähr drei
Fünftheilen aus Wasser und nur zu zwei Fünftheilen aus Festland be-
steht, so können Sie ermessen, daß auch in dieser Beziehung die pa-
läontologische Urkunde eine ungeheure Lücke enthält.

Nun kommen aber noch eine Reihe von Schwierigkeiten für die
Paläontologie hinzu, welche in der Natur der Organismen selbst begrün-
det sind. Vor allen ist hier hervorzuheben, daß in der Regel nur
harte und feste Körpertheile der Organismen auf den Boden des
Meeres und der süßen Gewässer gelangen und hier in Schlamm ein-
geschlossen und versteinert werden können. Es sind also namentlich
die Knochen und Zähne der Wirbelthiere, die Kalkschalen der Weich-
thiere und Sternthiere, die Chitinskelete der Gliederthiere, die Kalk-

Geringe Ausdehnung der palaͤontologiſchen Erfahrungen.
Strecken unterſucht. Dagegen vom groͤßten Theile Aſiens, des um-
fangreichſten aller Welttheile, wiſſen wir faſt Nichts, — von Afrika
faſt Nichts, ausgenommen das Kap der guten Hoffnung und die Mit-
telmeerkuͤſte, — von Neuholland faſt Nichts, von Suͤdamerika nur ſehr
Wenig. Sie ſehen alſo, daß erſt ein ganz kleines Stuͤck, wohl kaum
der zehntauſendſte Theil von der geſammten Erdoberflaͤche palaͤontolo-
giſch erforſcht iſt. Wir koͤnnen daher wohl hoffen, bei weiterer Ausbrei-
tung der geologiſchen Unterſuchungen, denen namentlich die Anlage
von Eiſenbahnen und Bergwerken ſehr zu Hilfe kommen wird, noch
einen großen Theil wichtiger Verſteinerungen aufzufinden. Ein Finger-
zeig dafuͤr iſt uns durch die merkwuͤrdigen Verſteinerungen gegeben,
die man an den wenigen, genauer unterſuchten Punkten von Afrika
und Aſien, in den Kapgegenden und am Himalaya aufgefunden hat.
Eine Reihe von ganz neuen und ſehr eigenthuͤmlichen Thierformen iſt
uns dadurch bekannt geworden. Freilich muͤſſen wir andrerſeits er-
waͤgen, daß der ausgedehnte Boden der jetzigen Meere vorlaͤufig fuͤr
die palaͤontologiſchen Forſchungen ganz unzugaͤnglich iſt, und daß wir
den groͤßten Theil der hier ſeit uralten Zeiten begrabenen Verſteine-
rungen entweder niemals oder im beſten Fall erſt nach Verlauf vieler
Jahrtauſende werden kennen lernen, wenn durch allmaͤhliche Hebungen
der gegenwaͤrtige Meeresboden mehr zu Tage getreten ſein wird.
Wenn Sie bedenken, daß die ganze Erdoberflaͤche zu ungefaͤhr drei
Fuͤnftheilen aus Waſſer und nur zu zwei Fuͤnftheilen aus Feſtland be-
ſteht, ſo koͤnnen Sie ermeſſen, daß auch in dieſer Beziehung die pa-
laͤontologiſche Urkunde eine ungeheure Luͤcke enthaͤlt.

Nun kommen aber noch eine Reihe von Schwierigkeiten fuͤr die
Palaͤontologie hinzu, welche in der Natur der Organismen ſelbſt begruͤn-
det ſind. Vor allen iſt hier hervorzuheben, daß in der Regel nur
harte und feſte Koͤrpertheile der Organismen auf den Boden des
Meeres und der ſuͤßen Gewaͤſſer gelangen und hier in Schlamm ein-
geſchloſſen und verſteinert werden koͤnnen. Es ſind alſo namentlich
die Knochen und Zaͤhne der Wirbelthiere, die Kalkſchalen der Weich-
thiere und Sternthiere, die Chitinſkelete der Gliederthiere, die Kalk-

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[309/0334] Geringe Ausdehnung der palaͤontologiſchen Erfahrungen. Strecken unterſucht. Dagegen vom groͤßten Theile Aſiens, des um- fangreichſten aller Welttheile, wiſſen wir faſt Nichts, — von Afrika faſt Nichts, ausgenommen das Kap der guten Hoffnung und die Mit- telmeerkuͤſte, — von Neuholland faſt Nichts, von Suͤdamerika nur ſehr Wenig. Sie ſehen alſo, daß erſt ein ganz kleines Stuͤck, wohl kaum der zehntauſendſte Theil von der geſammten Erdoberflaͤche palaͤontolo- giſch erforſcht iſt. Wir koͤnnen daher wohl hoffen, bei weiterer Ausbrei- tung der geologiſchen Unterſuchungen, denen namentlich die Anlage von Eiſenbahnen und Bergwerken ſehr zu Hilfe kommen wird, noch einen großen Theil wichtiger Verſteinerungen aufzufinden. Ein Finger- zeig dafuͤr iſt uns durch die merkwuͤrdigen Verſteinerungen gegeben, die man an den wenigen, genauer unterſuchten Punkten von Afrika und Aſien, in den Kapgegenden und am Himalaya aufgefunden hat. Eine Reihe von ganz neuen und ſehr eigenthuͤmlichen Thierformen iſt uns dadurch bekannt geworden. Freilich muͤſſen wir andrerſeits er- waͤgen, daß der ausgedehnte Boden der jetzigen Meere vorlaͤufig fuͤr die palaͤontologiſchen Forſchungen ganz unzugaͤnglich iſt, und daß wir den groͤßten Theil der hier ſeit uralten Zeiten begrabenen Verſteine- rungen entweder niemals oder im beſten Fall erſt nach Verlauf vieler Jahrtauſende werden kennen lernen, wenn durch allmaͤhliche Hebungen der gegenwaͤrtige Meeresboden mehr zu Tage getreten ſein wird. Wenn Sie bedenken, daß die ganze Erdoberflaͤche zu ungefaͤhr drei Fuͤnftheilen aus Waſſer und nur zu zwei Fuͤnftheilen aus Feſtland be- ſteht, ſo koͤnnen Sie ermeſſen, daß auch in dieſer Beziehung die pa- laͤontologiſche Urkunde eine ungeheure Luͤcke enthaͤlt. Nun kommen aber noch eine Reihe von Schwierigkeiten fuͤr die Palaͤontologie hinzu, welche in der Natur der Organismen ſelbſt begruͤn- det ſind. Vor allen iſt hier hervorzuheben, daß in der Regel nur harte und feſte Koͤrpertheile der Organismen auf den Boden des Meeres und der ſuͤßen Gewaͤſſer gelangen und hier in Schlamm ein- geſchloſſen und verſteinert werden koͤnnen. Es ſind alſo namentlich die Knochen und Zaͤhne der Wirbelthiere, die Kalkſchalen der Weich- thiere und Sternthiere, die Chitinſkelete der Gliederthiere, die Kalk-

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/334>, abgerufen am 27.11.2024.