Die fünf großen Hauptabschnitte der organischen Erdgeschichte oder der paläontologischen Entwickelungsgeschichte bezeichnen wir als primordiales, primäres, secundäres, tertiäres und quartäres Zeitalter. Jedes ist durch die vorwiegende Entwickelung bestimmter Thier- und Pflanzengruppen in demselben bestimmt charakterisirt, und wir könnten demnach auch die fünf Zeitalter einerseits durch die natürlichen Haupt- gruppen des Pflanzenreichs, andrerseits durch die verschiedenen Klassen des Wirbelthierstammes anschaulich bezeichnen. Dann wäre das erste oder primordiale Zeitalter dasjenige der Tange und Rohrherzen, das zweite oder primäre Zeitalter das der Farne und Fische, das dritte oder secundäre Zeitalter das der Nadelwälder und Schleicher, das vierte oder tertiäre Zeitalter das der Laubwälder und Säuge- thiere, endlich das fünfte oder quartäre Zeitalter dasjenige des Men- schen und seiner Cultur. Die Abschnitte oder Perioden, welche wir in jedem der fünf Zeitalter unterscheiden, werden durch die verschiedenen Systeme von Schichten bestimmt, in die jedes der fünf großen Terrains zerfällt. Lassen Sie uns jetzt noch einen flüchtigen Blick auf die Reihe dieser Systeme und zugleich auf die charakteristische Bevölkerung der fünf großen Zeitalter werfen.
Den ersten und längsten Hauptabschnitt der organischen Erdge- schichte bildet die Primordialzeit oder das Zeitalter der Tangwälder, das auch das archolithische oder archozoische Zeit- alter genannt wird. Es umfaßt den ungeheuren Zeitraum von der ersten Urzeugung, von der Entstehung des ersten irdischen Orga- nismus, bis zum Ende der silurischen Schichtenbildung. Während dieses unermeßlichen Zeitraumes, welcher wahrscheinlich viel länger war, als alle übrigen vier Zeiträume zusammengenommen, lagerten sich die drei mächtigsten von allen neptunischen Schichtensystemen ab, nämlich zu unterst das laurentische, darüber das cambrische und darüber das silurische System. Die ungefähre Dicke oder Mäch- tigkeit dieser drei Systeme zusammengenommen beträgt siebzigtausend Fuß. Davon kommen ungefähr 30,000 auf das laurentische, 18,000 auf das cambrische und 22,000 auf das silurische System. Die
Die fuͤnf Zeitalter der organiſchen Erdgeſchichte.
Die fuͤnf großen Hauptabſchnitte der organiſchen Erdgeſchichte oder der palaͤontologiſchen Entwickelungsgeſchichte bezeichnen wir als primordiales, primaͤres, ſecundaͤres, tertiaͤres und quartaͤres Zeitalter. Jedes iſt durch die vorwiegende Entwickelung beſtimmter Thier- und Pflanzengruppen in demſelben beſtimmt charakteriſirt, und wir koͤnnten demnach auch die fuͤnf Zeitalter einerſeits durch die natuͤrlichen Haupt- gruppen des Pflanzenreichs, andrerſeits durch die verſchiedenen Klaſſen des Wirbelthierſtammes anſchaulich bezeichnen. Dann waͤre das erſte oder primordiale Zeitalter dasjenige der Tange und Rohrherzen, das zweite oder primaͤre Zeitalter das der Farne und Fiſche, das dritte oder ſecundaͤre Zeitalter das der Nadelwaͤlder und Schleicher, das vierte oder tertiaͤre Zeitalter das der Laubwaͤlder und Saͤuge- thiere, endlich das fuͤnfte oder quartaͤre Zeitalter dasjenige des Men- ſchen und ſeiner Cultur. Die Abſchnitte oder Perioden, welche wir in jedem der fuͤnf Zeitalter unterſcheiden, werden durch die verſchiedenen Syſteme von Schichten beſtimmt, in die jedes der fuͤnf großen Terrains zerfaͤllt. Laſſen Sie uns jetzt noch einen fluͤchtigen Blick auf die Reihe dieſer Syſteme und zugleich auf die charakteriſtiſche Bevoͤlkerung der fuͤnf großen Zeitalter werfen.
Den erſten und laͤngſten Hauptabſchnitt der organiſchen Erdge- ſchichte bildet die Primordialzeit oder das Zeitalter der Tangwaͤlder, das auch das archolithiſche oder archozoiſche Zeit- alter genannt wird. Es umfaßt den ungeheuren Zeitraum von der erſten Urzeugung, von der Entſtehung des erſten irdiſchen Orga- nismus, bis zum Ende der ſiluriſchen Schichtenbildung. Waͤhrend dieſes unermeßlichen Zeitraumes, welcher wahrſcheinlich viel laͤnger war, als alle uͤbrigen vier Zeitraͤume zuſammengenommen, lagerten ſich die drei maͤchtigſten von allen neptuniſchen Schichtenſyſtemen ab, naͤmlich zu unterſt das laurentiſche, daruͤber das cambriſche und daruͤber das ſiluriſche Syſtem. Die ungefaͤhre Dicke oder Maͤch- tigkeit dieſer drei Syſteme zuſammengenommen betraͤgt ſiebzigtauſend Fuß. Davon kommen ungefaͤhr 30,000 auf das laurentiſche, 18,000 auf das cambriſche und 22,000 auf das ſiluriſche Syſtem. Die
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Die fuͤnf großen Hauptabſchnitte der organiſchen Erdgeſchichte
oder der palaͤontologiſchen Entwickelungsgeſchichte bezeichnen wir als
primordiales, primaͤres, ſecundaͤres, tertiaͤres und quartaͤres Zeitalter.
Jedes iſt durch die vorwiegende Entwickelung beſtimmter Thier- und
Pflanzengruppen in demſelben beſtimmt charakteriſirt, und wir koͤnnten
demnach auch die fuͤnf Zeitalter einerſeits durch die natuͤrlichen Haupt-
gruppen des Pflanzenreichs, andrerſeits durch die verſchiedenen Klaſſen
des Wirbelthierſtammes anſchaulich bezeichnen. Dann waͤre das
erſte oder primordiale Zeitalter dasjenige der Tange und Rohrherzen,
das zweite oder primaͤre Zeitalter das der Farne und Fiſche, das
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das vierte oder tertiaͤre Zeitalter das der Laubwaͤlder und Saͤuge-
thiere, endlich das fuͤnfte oder quartaͤre Zeitalter dasjenige des Men-
ſchen und ſeiner Cultur. Die Abſchnitte oder Perioden, welche
wir in jedem der fuͤnf Zeitalter unterſcheiden, werden durch die
verſchiedenen Syſteme von Schichten beſtimmt, in die jedes der fuͤnf
großen Terrains zerfaͤllt. Laſſen Sie uns jetzt noch einen fluͤchtigen
Blick auf die Reihe dieſer Syſteme und zugleich auf die charakteriſtiſche
Bevoͤlkerung der fuͤnf großen Zeitalter werfen.
Den erſten und laͤngſten Hauptabſchnitt der organiſchen Erdge-
ſchichte bildet die Primordialzeit oder das Zeitalter der
Tangwaͤlder, das auch das archolithiſche oder archozoiſche Zeit-
alter genannt wird. Es umfaßt den ungeheuren Zeitraum von
der erſten Urzeugung, von der Entſtehung des erſten irdiſchen Orga-
nismus, bis zum Ende der ſiluriſchen Schichtenbildung. Waͤhrend
dieſes unermeßlichen Zeitraumes, welcher wahrſcheinlich viel laͤnger
war, als alle uͤbrigen vier Zeitraͤume zuſammengenommen, lagerten
ſich die drei maͤchtigſten von allen neptuniſchen Schichtenſyſtemen ab,
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und daruͤber das ſiluriſche Syſtem. Die ungefaͤhre Dicke oder Maͤch-
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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/320>, abgerufen am 26.11.2024.
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