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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

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Vier verschiedene Arten von Plastiden.
oder Nucleus enthalten (S. 145, Fig. 2). Jede dieser beiden Haupt-
formen von Plastiden zerfällt wieder in zwei untergeordnete Form-
gruppen, je nachdem sie eine äußere Umhüllung (Haut, Schale oder
Membran) besitzen oder nicht. Wir können demnach allgemein fol-
gende Stufenleiter von vier verschiedenen Plastidenarten unterscheiden,
nämlich: 1. Urcytoden (S. 144, Fig. 1 B); 2. Hüllcytoden;
3. Urzellen
(S. 145, Fig. 2B); 4. Hüllzellen (S. 145, Fig. 2 A)
(Gen. Morph. I, 269 -- 289).

Was das Verhältniß dieser vier Plastidenformen zur Urzeugung
betrifft, so ist folgendes das Wahrscheinlichste: 1. die Urcytoden
(Gymnocytoda), nackte Plasmastücke ohne Kern, gleich den heute
noch lebenden Moneren, sind die einzigen Plastiden, welche unmittel-
bar durch Urzeugung entstanden; 2. die Hüllcytoden (Lepo-
cytoda),
Plasmastücke ohne Kern, welche von einer Hülle (Membran
oder Schale) umgeben sind, entstanden aus den Urcytoden entweder
durch Verdichtung der oberflächlichsten Plasmaschichten oder durch
Ausscheidung einer Hülle; 3. die Urzellen (Gymnocyta) oder nackte
Zellen, Plasmastücke mit Kern, aber ohne Hülle, entstanden aus den
Urcytoden durch Verdichtung der innersten Plasmatheile zu einem Kerne
oder Nucleus, durch Differenzirung von centralem Kerne und peri-
pherischem Zellstoff; 4. die Hüllzellen (Lepocyta) oder Hautzellen,
Plasmastücke mit Kern und mit äußerer Hülle (Membran oder Schale),
entstanden entweder aus den Hüllcytoden durch Bildung eines Kernes
oder aus den Urzellen durch Bildung einer Membran. Alle übrigen
Formen von Bildnerinnen oder Plastiden, welche außerdem noch vor-
kommen, sind erst nachträglich durch natürliche Züchtung, durch
Abstammung mit Anpassung, durch Differenzirung und Umbildung
aus jenen vier Grundformen entstanden.

Durch diese Plastidentheorie, durch diese Ableitung aller
verschiedenen Plastidenformen und somit auch aller aus ihnen zu-
sammengesetzten Organismen von den Moneren, kommt ein einfacher
und natürlicher Zusammenhang in die gesammte Entwickelungs-
theorie. Die Entstehung der ersten Moneren durch Urzeugung er-

Vier verſchiedene Arten von Plaſtiden.
oder Nucleus enthalten (S. 145, Fig. 2). Jede dieſer beiden Haupt-
formen von Plaſtiden zerfaͤllt wieder in zwei untergeordnete Form-
gruppen, je nachdem ſie eine aͤußere Umhuͤllung (Haut, Schale oder
Membran) beſitzen oder nicht. Wir koͤnnen demnach allgemein fol-
gende Stufenleiter von vier verſchiedenen Plaſtidenarten unterſcheiden,
naͤmlich: 1. Urcytoden (S. 144, Fig. 1 B); 2. Huͤllcytoden;
3. Urzellen
(S. 145, Fig. 2B); 4. Huͤllzellen (S. 145, Fig. 2 A)
(Gen. Morph. I, 269 — 289).

Was das Verhaͤltniß dieſer vier Plaſtidenformen zur Urzeugung
betrifft, ſo iſt folgendes das Wahrſcheinlichſte: 1. die Urcytoden
(Gymnocytoda), nackte Plasmaſtuͤcke ohne Kern, gleich den heute
noch lebenden Moneren, ſind die einzigen Plaſtiden, welche unmittel-
bar durch Urzeugung entſtanden; 2. die Huͤllcytoden (Lepo-
cytoda),
Plasmaſtuͤcke ohne Kern, welche von einer Huͤlle (Membran
oder Schale) umgeben ſind, entſtanden aus den Urcytoden entweder
durch Verdichtung der oberflaͤchlichſten Plasmaſchichten oder durch
Ausſcheidung einer Huͤlle; 3. die Urzellen (Gymnocyta) oder nackte
Zellen, Plasmaſtuͤcke mit Kern, aber ohne Huͤlle, entſtanden aus den
Urcytoden durch Verdichtung der innerſten Plasmatheile zu einem Kerne
oder Nucleus, durch Differenzirung von centralem Kerne und peri-
pheriſchem Zellſtoff; 4. die Huͤllzellen (Lepocyta) oder Hautzellen,
Plasmaſtuͤcke mit Kern und mit aͤußerer Huͤlle (Membran oder Schale),
entſtanden entweder aus den Huͤllcytoden durch Bildung eines Kernes
oder aus den Urzellen durch Bildung einer Membran. Alle uͤbrigen
Formen von Bildnerinnen oder Plaſtiden, welche außerdem noch vor-
kommen, ſind erſt nachtraͤglich durch natuͤrliche Zuͤchtung, durch
Abſtammung mit Anpaſſung, durch Differenzirung und Umbildung
aus jenen vier Grundformen entſtanden.

Durch dieſe Plaſtidentheorie, durch dieſe Ableitung aller
verſchiedenen Plaſtidenformen und ſomit auch aller aus ihnen zu-
ſammengeſetzten Organismen von den Moneren, kommt ein einfacher
und natuͤrlicher Zuſammenhang in die geſammte Entwickelungs-
theorie. Die Entſtehung der erſten Moneren durch Urzeugung er-

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[286/0311] Vier verſchiedene Arten von Plaſtiden. oder Nucleus enthalten (S. 145, Fig. 2). Jede dieſer beiden Haupt- formen von Plaſtiden zerfaͤllt wieder in zwei untergeordnete Form- gruppen, je nachdem ſie eine aͤußere Umhuͤllung (Haut, Schale oder Membran) beſitzen oder nicht. Wir koͤnnen demnach allgemein fol- gende Stufenleiter von vier verſchiedenen Plaſtidenarten unterſcheiden, naͤmlich: 1. Urcytoden (S. 144, Fig. 1 B); 2. Huͤllcytoden; 3. Urzellen (S. 145, Fig. 2B); 4. Huͤllzellen (S. 145, Fig. 2 A) (Gen. Morph. I, 269 — 289). Was das Verhaͤltniß dieſer vier Plaſtidenformen zur Urzeugung betrifft, ſo iſt folgendes das Wahrſcheinlichſte: 1. die Urcytoden (Gymnocytoda), nackte Plasmaſtuͤcke ohne Kern, gleich den heute noch lebenden Moneren, ſind die einzigen Plaſtiden, welche unmittel- bar durch Urzeugung entſtanden; 2. die Huͤllcytoden (Lepo- cytoda), Plasmaſtuͤcke ohne Kern, welche von einer Huͤlle (Membran oder Schale) umgeben ſind, entſtanden aus den Urcytoden entweder durch Verdichtung der oberflaͤchlichſten Plasmaſchichten oder durch Ausſcheidung einer Huͤlle; 3. die Urzellen (Gymnocyta) oder nackte Zellen, Plasmaſtuͤcke mit Kern, aber ohne Huͤlle, entſtanden aus den Urcytoden durch Verdichtung der innerſten Plasmatheile zu einem Kerne oder Nucleus, durch Differenzirung von centralem Kerne und peri- pheriſchem Zellſtoff; 4. die Huͤllzellen (Lepocyta) oder Hautzellen, Plasmaſtuͤcke mit Kern und mit aͤußerer Huͤlle (Membran oder Schale), entſtanden entweder aus den Huͤllcytoden durch Bildung eines Kernes oder aus den Urzellen durch Bildung einer Membran. Alle uͤbrigen Formen von Bildnerinnen oder Plaſtiden, welche außerdem noch vor- kommen, ſind erſt nachtraͤglich durch natuͤrliche Zuͤchtung, durch Abſtammung mit Anpaſſung, durch Differenzirung und Umbildung aus jenen vier Grundformen entſtanden. Durch dieſe Plaſtidentheorie, durch dieſe Ableitung aller verſchiedenen Plaſtidenformen und ſomit auch aller aus ihnen zu- ſammengeſetzten Organismen von den Moneren, kommt ein einfacher und natuͤrlicher Zuſammenhang in die geſammte Entwickelungs- theorie. Die Entſtehung der erſten Moneren durch Urzeugung er-

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/311>, abgerufen am 25.11.2024.