Die kosmologische Gastheorie nnd die biologische Plasmatheorie.
ter, sechs um den Uranus sich bewegen. Der Ring des Saturnus stellt uns noch heute einen Mond auf jenem früheren Entwickelungssta- dium dar. Jndem bei immer weiter schreitender Abkühlung sich diese einfachen Vorgänge der Verdichtung und Abschleuderung vielfach wie- derholten, entstanden die verschiedenen Sonnensysteme, die Planeten, welche sich rotirend um ihre centrale Sonne, und die Trabanten oder Monde, welche sich drehend um ihren Planeten bewegten.
Der anfängliche gasförmige Zustand der rotirenden Weltkörper ging allmählich durch fortschreitende Abkühlung und Verdichtung in den feurigflüssigen oder geschmolzenen Aggregatzustand über. Durch den Verdichtungsvorgang selbst wurden große Mengen von Wärme frei, und so gestalteten sich die rotirenden Sonnen, Planeten und Monde bald zu glühenden Feuerbällen, gleich riesigen geschmolzenen Metalltropfen, welche Licht und Wärme ausstrahlten. Durch den damit verbundenen Wärmeverlust verdichtete sich wiederum die ge- schmolzene Masse an der Oberfläche der feuerflüssigen Bälle und so entstand eine dünne feste Rinde, welche einen feurigflüssigen Kern um- schloß. Jn allen diesen Beziehungen wird sich unsere mütterliche Erde nicht wesentlich verschieden von den übrigen Weltkörpern verhalten haben.
Gleich allen anderen großen Hypothesen und Theorien, welche die Wissenschaft gefördert und den Gesichtskreis der menschlichen Er- kenntniß erweitert haben, zeichnet sich auch Kant's Kosmogenie, welche man die kosmologische Gastheorie nennen könnte, durch große Einfachheit aus. Die einfachen Vorgänge der Verdich- tung rotirender Massen und der Hüllenbildung an ihrer erstarren- den Oberfläche führen zur Bildung der geformten Weltkörper. Wir werden dadurch lebhaft an die biologische Plasmatheorie erinnert. Das Plasma oder Protoplasma der neueren Biologie, der "Urschleim" der älteren Naturphilosophie, jene festflüssige, eiweiß- artige Kohlenstoffverbindung, aus welcher alles Leben hervorgegangen ist, bewirkte die erste Entwickelung desselben auch wesentlich durch die beiden Vorgänge der Verdichtung und Hüllenbildung. Die
Die kosmologiſche Gastheorie nnd die biologiſche Plasmatheorie.
ter, ſechs um den Uranus ſich bewegen. Der Ring des Saturnus ſtellt uns noch heute einen Mond auf jenem fruͤheren Entwickelungsſta- dium dar. Jndem bei immer weiter ſchreitender Abkuͤhlung ſich dieſe einfachen Vorgaͤnge der Verdichtung und Abſchleuderung vielfach wie- derholten, entſtanden die verſchiedenen Sonnenſyſteme, die Planeten, welche ſich rotirend um ihre centrale Sonne, und die Trabanten oder Monde, welche ſich drehend um ihren Planeten bewegten.
Der anfaͤngliche gasfoͤrmige Zuſtand der rotirenden Weltkoͤrper ging allmaͤhlich durch fortſchreitende Abkuͤhlung und Verdichtung in den feurigfluͤſſigen oder geſchmolzenen Aggregatzuſtand uͤber. Durch den Verdichtungsvorgang ſelbſt wurden große Mengen von Waͤrme frei, und ſo geſtalteten ſich die rotirenden Sonnen, Planeten und Monde bald zu gluͤhenden Feuerbaͤllen, gleich rieſigen geſchmolzenen Metalltropfen, welche Licht und Waͤrme ausſtrahlten. Durch den damit verbundenen Waͤrmeverluſt verdichtete ſich wiederum die ge- ſchmolzene Maſſe an der Oberflaͤche der feuerfluͤſſigen Baͤlle und ſo entſtand eine duͤnne feſte Rinde, welche einen feurigfluͤſſigen Kern um- ſchloß. Jn allen dieſen Beziehungen wird ſich unſere muͤtterliche Erde nicht weſentlich verſchieden von den uͤbrigen Weltkoͤrpern verhalten haben.
Gleich allen anderen großen Hypotheſen und Theorien, welche die Wiſſenſchaft gefoͤrdert und den Geſichtskreis der menſchlichen Er- kenntniß erweitert haben, zeichnet ſich auch Kant’s Kosmogenie, welche man die kosmologiſche Gastheorie nennen koͤnnte, durch große Einfachheit aus. Die einfachen Vorgaͤnge der Verdich- tung rotirender Maſſen und der Huͤllenbildung an ihrer erſtarren- den Oberflaͤche fuͤhren zur Bildung der geformten Weltkoͤrper. Wir werden dadurch lebhaft an die biologiſche Plasmatheorie erinnert. Das Plasma oder Protoplasma der neueren Biologie, der „Urſchleim“ der aͤlteren Naturphiloſophie, jene feſtfluͤſſige, eiweiß- artige Kohlenſtoffverbindung, aus welcher alles Leben hervorgegangen iſt, bewirkte die erſte Entwickelung deſſelben auch weſentlich durch die beiden Vorgaͤnge der Verdichtung und Huͤllenbildung. Die
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Die kosmologiſche Gastheorie nnd die biologiſche Plasmatheorie.
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ſtellt uns noch heute einen Mond auf jenem fruͤheren Entwickelungsſta-
dium dar. Jndem bei immer weiter ſchreitender Abkuͤhlung ſich dieſe
einfachen Vorgaͤnge der Verdichtung und Abſchleuderung vielfach wie-
derholten, entſtanden die verſchiedenen Sonnenſyſteme, die Planeten,
welche ſich rotirend um ihre centrale Sonne, und die Trabanten oder
Monde, welche ſich drehend um ihren Planeten bewegten.
Der anfaͤngliche gasfoͤrmige Zuſtand der rotirenden Weltkoͤrper
ging allmaͤhlich durch fortſchreitende Abkuͤhlung und Verdichtung in
den feurigfluͤſſigen oder geſchmolzenen Aggregatzuſtand uͤber. Durch
den Verdichtungsvorgang ſelbſt wurden große Mengen von Waͤrme
frei, und ſo geſtalteten ſich die rotirenden Sonnen, Planeten und
Monde bald zu gluͤhenden Feuerbaͤllen, gleich rieſigen geſchmolzenen
Metalltropfen, welche Licht und Waͤrme ausſtrahlten. Durch den
damit verbundenen Waͤrmeverluſt verdichtete ſich wiederum die ge-
ſchmolzene Maſſe an der Oberflaͤche der feuerfluͤſſigen Baͤlle und ſo
entſtand eine duͤnne feſte Rinde, welche einen feurigfluͤſſigen Kern um-
ſchloß. Jn allen dieſen Beziehungen wird ſich unſere muͤtterliche Erde
nicht weſentlich verſchieden von den uͤbrigen Weltkoͤrpern verhalten
haben.
Gleich allen anderen großen Hypotheſen und Theorien, welche
die Wiſſenſchaft gefoͤrdert und den Geſichtskreis der menſchlichen Er-
kenntniß erweitert haben, zeichnet ſich auch Kant’s Kosmogenie,
welche man die kosmologiſche Gastheorie nennen koͤnnte,
durch große Einfachheit aus. Die einfachen Vorgaͤnge der Verdich-
tung rotirender Maſſen und der Huͤllenbildung an ihrer erſtarren-
den Oberflaͤche fuͤhren zur Bildung der geformten Weltkoͤrper. Wir
werden dadurch lebhaft an die biologiſche Plasmatheorie
erinnert. Das Plasma oder Protoplasma der neueren Biologie, der
„Urſchleim“ der aͤlteren Naturphiloſophie, jene feſtfluͤſſige, eiweiß-
artige Kohlenſtoffverbindung, aus welcher alles Leben hervorgegangen
iſt, bewirkte die erſte Entwickelung deſſelben auch weſentlich durch die
beiden Vorgaͤnge der Verdichtung und Huͤllenbildung. Die
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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/290>, abgerufen am 28.11.2024.
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