Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.Kant's Entwickelungstheorie des Weltalls. der ungeheuer langen Primär- und Secundärzeit lebten tropische Pflan-zen, welche einen sehr hohen Temperaturgrad bedürfen, nicht allein in der heutigen heißen Zone unter dem Aequator, sondern auch in der heutigen gemäßigten und kalten Zone. Auch viele andere Erscheinun- gen haben eine allmähliche Abnahme der Temperatur des Erdkörpers im Ganzen, und insbesondere eine erst spät eingetretene Abkühlung der Erdrinde von den Polen her kennen gelehrt. Jn seinen ausge- zeichneten "Untersuchungen über die Entwickelungsgesetze der organi- schen Welt" hat der vortreffliche Bronn 19) die zahlreichen geologi- schen und paläontologischen Beweise dafür zusammengestellt. Auf diese Erscheinungen einerseits und auf die mathematisch-astro- Die Kosmogenie Kant's behauptet, daß das ganze Kant’s Entwickelungstheorie des Weltalls. der ungeheuer langen Primaͤr- und Secundaͤrzeit lebten tropiſche Pflan-zen, welche einen ſehr hohen Temperaturgrad beduͤrfen, nicht allein in der heutigen heißen Zone unter dem Aequator, ſondern auch in der heutigen gemaͤßigten und kalten Zone. Auch viele andere Erſcheinun- gen haben eine allmaͤhliche Abnahme der Temperatur des Erdkoͤrpers im Ganzen, und insbeſondere eine erſt ſpaͤt eingetretene Abkuͤhlung der Erdrinde von den Polen her kennen gelehrt. Jn ſeinen ausge- zeichneten „Unterſuchungen uͤber die Entwickelungsgeſetze der organi- ſchen Welt“ hat der vortreffliche Bronn 19) die zahlreichen geologi- ſchen und palaͤontologiſchen Beweiſe dafuͤr zuſammengeſtellt. Auf dieſe Erſcheinungen einerſeits und auf die mathematiſch-aſtro- Die Kosmogenie Kant’s behauptet, daß das ganze <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0288" n="263"/><fw place="top" type="header">Kant’s Entwickelungstheorie des Weltalls.</fw><lb/> der ungeheuer langen Primaͤr- und Secundaͤrzeit lebten tropiſche Pflan-<lb/> zen, welche einen ſehr hohen Temperaturgrad beduͤrfen, nicht allein<lb/> in der heutigen heißen Zone unter dem Aequator, ſondern auch in der<lb/> heutigen gemaͤßigten und kalten Zone. Auch viele andere Erſcheinun-<lb/> gen haben eine allmaͤhliche Abnahme der Temperatur des Erdkoͤrpers<lb/> im Ganzen, und insbeſondere eine erſt ſpaͤt eingetretene Abkuͤhlung<lb/> der Erdrinde von den Polen her kennen gelehrt. Jn ſeinen ausge-<lb/> zeichneten „Unterſuchungen uͤber die Entwickelungsgeſetze der organi-<lb/> ſchen Welt“ hat der vortreffliche <hi rendition="#g">Bronn</hi> <hi rendition="#sup">19</hi>) die zahlreichen geologi-<lb/> ſchen und palaͤontologiſchen Beweiſe dafuͤr zuſammengeſtellt.</p><lb/> <p>Auf dieſe Erſcheinungen einerſeits und auf die mathematiſch-aſtro-<lb/> nomiſchen Erkenntniſſe vom Bau des Weltgebaͤudes andrerſeits gruͤndet<lb/> ſich nun die Theorie, daß die ganze Erde vor undenklicher Zeit, lange<lb/> vor der erſten Entſtehung von Organismen auf derſelben, ein feuer-<lb/> fluͤſſiger Ball war. Dieſe Theorie aber ſteht wiederum in Uebereinſtim-<lb/> mung mit der bewunderungswuͤrdigen Theorie von der Entſtehung<lb/> des Weltgebaͤudes und ſpeciell unſeres Planetenſyſtems, welche auf<lb/> Grund von mathematiſchen und aſtronomiſchen Thatſachen 1755 unſer<lb/> kritiſcher Philoſoph <hi rendition="#g">Kant</hi> <hi rendition="#sup">22</hi>) aufſtellte, und welche ſpaͤter die beruͤhm-<lb/> ten Mathematiker <hi rendition="#g">Laplace</hi> und <hi rendition="#g">Herſchel</hi> ausfuͤhrlicher begruͤndeten.<lb/> Dieſe Kosmogenie oder Entwickelungstheorie des Weltalls ſteht noch<lb/> heute in faſt allgemeiner Geltung; ſie iſt durch keine beſſere erſetzt<lb/> worden, und Mathematiker, Aſtronomen und Geologen erſten Ranges<lb/> haben dieſelbe durch mannichfaltige Beweiſe immer feſter unterſtuͤtzt.<lb/> Wir muͤſſen ſie daher, gleich der <hi rendition="#g">Lamarck-Darwin’ſ</hi>chen Theorie,<lb/> ſo lange annehmen, bis ſie durch eine beſſere erſetzt wird.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Kosmogenie Kant’s</hi> behauptet, daß <hi rendition="#g">das ganze<lb/> Weltall</hi> in unvordenklichen Zeiten ein <hi rendition="#g">gasfoͤrmiges Chaos</hi> bil-<lb/> dete. Alle Materien, welche auf der Erde und anderen Weltkoͤrpern<lb/> gegenwaͤrtig in verſchiedenen Dichtigkeitszuſtaͤnden, in feſtem, feſt-<lb/> fluͤſſigem, tropfbarfluͤſſigem und elaſtiſch fluͤſſigem oder gasfoͤrmigem<lb/> Aggregatzuſtande ſich geſondert finden, bildeten urſpruͤnglich zuſam-<lb/> men eine einzige gleichartige, den Weltraum gleichmaͤßig erfuͤllende<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [263/0288]
Kant’s Entwickelungstheorie des Weltalls.
der ungeheuer langen Primaͤr- und Secundaͤrzeit lebten tropiſche Pflan-
zen, welche einen ſehr hohen Temperaturgrad beduͤrfen, nicht allein
in der heutigen heißen Zone unter dem Aequator, ſondern auch in der
heutigen gemaͤßigten und kalten Zone. Auch viele andere Erſcheinun-
gen haben eine allmaͤhliche Abnahme der Temperatur des Erdkoͤrpers
im Ganzen, und insbeſondere eine erſt ſpaͤt eingetretene Abkuͤhlung
der Erdrinde von den Polen her kennen gelehrt. Jn ſeinen ausge-
zeichneten „Unterſuchungen uͤber die Entwickelungsgeſetze der organi-
ſchen Welt“ hat der vortreffliche Bronn 19) die zahlreichen geologi-
ſchen und palaͤontologiſchen Beweiſe dafuͤr zuſammengeſtellt.
Auf dieſe Erſcheinungen einerſeits und auf die mathematiſch-aſtro-
nomiſchen Erkenntniſſe vom Bau des Weltgebaͤudes andrerſeits gruͤndet
ſich nun die Theorie, daß die ganze Erde vor undenklicher Zeit, lange
vor der erſten Entſtehung von Organismen auf derſelben, ein feuer-
fluͤſſiger Ball war. Dieſe Theorie aber ſteht wiederum in Uebereinſtim-
mung mit der bewunderungswuͤrdigen Theorie von der Entſtehung
des Weltgebaͤudes und ſpeciell unſeres Planetenſyſtems, welche auf
Grund von mathematiſchen und aſtronomiſchen Thatſachen 1755 unſer
kritiſcher Philoſoph Kant 22) aufſtellte, und welche ſpaͤter die beruͤhm-
ten Mathematiker Laplace und Herſchel ausfuͤhrlicher begruͤndeten.
Dieſe Kosmogenie oder Entwickelungstheorie des Weltalls ſteht noch
heute in faſt allgemeiner Geltung; ſie iſt durch keine beſſere erſetzt
worden, und Mathematiker, Aſtronomen und Geologen erſten Ranges
haben dieſelbe durch mannichfaltige Beweiſe immer feſter unterſtuͤtzt.
Wir muͤſſen ſie daher, gleich der Lamarck-Darwin’ſchen Theorie,
ſo lange annehmen, bis ſie durch eine beſſere erſetzt wird.
Die Kosmogenie Kant’s behauptet, daß das ganze
Weltall in unvordenklichen Zeiten ein gasfoͤrmiges Chaos bil-
dete. Alle Materien, welche auf der Erde und anderen Weltkoͤrpern
gegenwaͤrtig in verſchiedenen Dichtigkeitszuſtaͤnden, in feſtem, feſt-
fluͤſſigem, tropfbarfluͤſſigem und elaſtiſch fluͤſſigem oder gasfoͤrmigem
Aggregatzuſtande ſich geſondert finden, bildeten urſpruͤnglich zuſam-
men eine einzige gleichartige, den Weltraum gleichmaͤßig erfuͤllende
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |