der Oekonomie der Natur nirgends in Fülle ausgestreut, vielmehr im Ganzen sehr beschränkt, und nicht entfernt für die Masse von Jn- dividuen ausreichend, die sich aus den Keimen entwickeln könnte. Da- her müssen bei den meisten Thier- und Pflanzenarten die jugendlichen Jndividuen es sich sehr sauer werden lassen, um zu den nöthigen Mit- teln des Lebensunterhaltes zu gelangen; und es findet also nothwen- diger Weise ein Wettkampf zwischen denselben um die Erlangung die- ser unentbehrlichen Existenzbedingungen statt.
Dieser große Wettkampf um die Lebensbedürfnisse findet überall und jederzeit statt, ebenso bei den Menschen und Thieren, wie bei den Pflanzen, bei welchen auf den ersten Blick dies Verhältniß nicht so klar am Tage zu liegen scheint. Wenn Sie ein Feld betrachten, welches sehr reichlich mit Weizen besäet ist, so kann von den zahlreichen jun- gen Weizenpflanzen (vielleicht von einigen Tausenden), die auf ei- nem ganz beschränkten Raume emporkeimen, nur ein ganz kleiner Bruchtheil sich am Leben erhalten. Es findet da ein Wettkampf statt um den Bodenraum, den jede Pflanze braucht, um ihre Wur- zel zu befestigen, ein Wettkampf um Sonnenlicht und Feuchtig- keit. Und ebenso finden Sie bei jeder Thierart, daß alle Jndivi- duen einer und derselben Art mit einander streiten um die Erlangung der unentbehrlichen Lebensmittel, der Existenzbedingungen im weite- sten Sinne des Worts. Allen sind sie gleich unentbehrlich; aber nur wenigen werden sie wirklich zu Theil. Alle sind berufen; aber wenige sind auserwählt! Die Thatsache des großen Wettkampfes ist ganz allgemein. Sie brauchen bloß Jhren Blick auf die menschliche Gesell- schaft zu lenken, in der ja überall, in allen verschiedenen Fächern der menschlichen Thätigkeit dieser Wettkampf ebenfalls existirt, und in wel- cher auch die freie Concurrenz der verschiedenen Arbeiter einer und der- selben Klasse wesentlich die Verhältnisse des Wettkampfes regelt. Hier wie überall schlägt dieser Wettkampf zum Vortheil der Sache aus, zum Vortheil der Arbeit, welche Gegenstand der Concurrenz ist. Je grö- ßer und allgemeiner der Wettkampf oder die Concurrenz, desto schneller
Darwin’s Theorie vom Kampfe um’s Daſein.
der Oekonomie der Natur nirgends in Fuͤlle ausgeſtreut, vielmehr im Ganzen ſehr beſchraͤnkt, und nicht entfernt fuͤr die Maſſe von Jn- dividuen ausreichend, die ſich aus den Keimen entwickeln koͤnnte. Da- her muͤſſen bei den meiſten Thier- und Pflanzenarten die jugendlichen Jndividuen es ſich ſehr ſauer werden laſſen, um zu den noͤthigen Mit- teln des Lebensunterhaltes zu gelangen; und es findet alſo nothwen- diger Weiſe ein Wettkampf zwiſchen denſelben um die Erlangung die- ſer unentbehrlichen Exiſtenzbedingungen ſtatt.
Dieſer große Wettkampf um die Lebensbeduͤrfniſſe findet uͤberall und jederzeit ſtatt, ebenſo bei den Menſchen und Thieren, wie bei den Pflanzen, bei welchen auf den erſten Blick dies Verhaͤltniß nicht ſo klar am Tage zu liegen ſcheint. Wenn Sie ein Feld betrachten, welches ſehr reichlich mit Weizen beſaͤet iſt, ſo kann von den zahlreichen jun- gen Weizenpflanzen (vielleicht von einigen Tauſenden), die auf ei- nem ganz beſchraͤnkten Raume emporkeimen, nur ein ganz kleiner Bruchtheil ſich am Leben erhalten. Es findet da ein Wettkampf ſtatt um den Bodenraum, den jede Pflanze braucht, um ihre Wur- zel zu befeſtigen, ein Wettkampf um Sonnenlicht und Feuchtig- keit. Und ebenſo finden Sie bei jeder Thierart, daß alle Jndivi- duen einer und derſelben Art mit einander ſtreiten um die Erlangung der unentbehrlichen Lebensmittel, der Exiſtenzbedingungen im weite- ſten Sinne des Worts. Allen ſind ſie gleich unentbehrlich; aber nur wenigen werden ſie wirklich zu Theil. Alle ſind berufen; aber wenige ſind auserwaͤhlt! Die Thatſache des großen Wettkampfes iſt ganz allgemein. Sie brauchen bloß Jhren Blick auf die menſchliche Geſell- ſchaft zu lenken, in der ja uͤberall, in allen verſchiedenen Faͤchern der menſchlichen Thaͤtigkeit dieſer Wettkampf ebenfalls exiſtirt, und in wel- cher auch die freie Concurrenz der verſchiedenen Arbeiter einer und der- ſelben Klaſſe weſentlich die Verhaͤltniſſe des Wettkampfes regelt. Hier wie uͤberall ſchlaͤgt dieſer Wettkampf zum Vortheil der Sache aus, zum Vortheil der Arbeit, welche Gegenſtand der Concurrenz iſt. Je groͤ- ßer und allgemeiner der Wettkampf oder die Concurrenz, deſto ſchneller
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Darwin’s Theorie vom Kampfe um’s Daſein.
der Oekonomie der Natur nirgends in Fuͤlle ausgeſtreut, vielmehr
im Ganzen ſehr beſchraͤnkt, und nicht entfernt fuͤr die Maſſe von Jn-
dividuen ausreichend, die ſich aus den Keimen entwickeln koͤnnte. Da-
her muͤſſen bei den meiſten Thier- und Pflanzenarten die jugendlichen
Jndividuen es ſich ſehr ſauer werden laſſen, um zu den noͤthigen Mit-
teln des Lebensunterhaltes zu gelangen; und es findet alſo nothwen-
diger Weiſe ein Wettkampf zwiſchen denſelben um die Erlangung die-
ſer unentbehrlichen Exiſtenzbedingungen ſtatt.
Dieſer große Wettkampf um die Lebensbeduͤrfniſſe findet uͤberall
und jederzeit ſtatt, ebenſo bei den Menſchen und Thieren, wie bei den
Pflanzen, bei welchen auf den erſten Blick dies Verhaͤltniß nicht ſo klar
am Tage zu liegen ſcheint. Wenn Sie ein Feld betrachten, welches
ſehr reichlich mit Weizen beſaͤet iſt, ſo kann von den zahlreichen jun-
gen Weizenpflanzen (vielleicht von einigen Tauſenden), die auf ei-
nem ganz beſchraͤnkten Raume emporkeimen, nur ein ganz kleiner
Bruchtheil ſich am Leben erhalten. Es findet da ein Wettkampf
ſtatt um den Bodenraum, den jede Pflanze braucht, um ihre Wur-
zel zu befeſtigen, ein Wettkampf um Sonnenlicht und Feuchtig-
keit. Und ebenſo finden Sie bei jeder Thierart, daß alle Jndivi-
duen einer und derſelben Art mit einander ſtreiten um die Erlangung
der unentbehrlichen Lebensmittel, der Exiſtenzbedingungen im weite-
ſten Sinne des Worts. Allen ſind ſie gleich unentbehrlich; aber nur
wenigen werden ſie wirklich zu Theil. Alle ſind berufen; aber wenige
ſind auserwaͤhlt! Die Thatſache des großen Wettkampfes iſt ganz
allgemein. Sie brauchen bloß Jhren Blick auf die menſchliche Geſell-
ſchaft zu lenken, in der ja uͤberall, in allen verſchiedenen Faͤchern der
menſchlichen Thaͤtigkeit dieſer Wettkampf ebenfalls exiſtirt, und in wel-
cher auch die freie Concurrenz der verſchiedenen Arbeiter einer und der-
ſelben Klaſſe weſentlich die Verhaͤltniſſe des Wettkampfes regelt. Hier
wie uͤberall ſchlaͤgt dieſer Wettkampf zum Vortheil der Sache aus, zum
Vortheil der Arbeit, welche Gegenſtand der Concurrenz iſt. Je groͤ-
ßer und allgemeiner der Wettkampf oder die Concurrenz, deſto ſchneller
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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/149>, abgerufen am 27.11.2024.
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