Abstammung der zahlreichen Culturrassen von wenigen wilden Arten.
führen, daß alle verschiedenen Rassen Nachkommen einer einzigen ur- sprünglichen wilden Art sind, die vom Menschen in den Culturzustand übergeführt wurde. Für einige Hausthiere, namentlich die Hunde, Schweine und Rinder, ist es allerdings wahrscheinlicher, daß die man- nichfaltigen Rassen derselben von mehreren wilden Stammarten ab- zuleiten sind, welche sich nachträglich im Culturzustande mit einan- der vermischt haben. Jndessen ist die Zahl dieser ursprünglichen wil- den Stammarten immer viel geringer, als die Zahl der aus ihrer Vermischung und Züchtung hervorgegangenen Culturformen, und na- türlich stammen auch jene ersteren ursprünglich von einer einzigen ge- meinsamen Stammform der ganzen Gattung ab. Auf keinen Fall stammt jede besondere Culturrasse von einer eigenen wilden Art ab.
Jm Gegensatz hierzu behaupten fast alle Landwirthe und Gärt- ner mit der größten Bestimmtheit, daß jede einzelne, von ihnen gezüchtete Rasse von einer besonderen wilden Stammart abstammen müsse, weil sie die Unterschiede der Rassen scharf erkennen, die Ver- erbung ihrer Eigenschaften sehr hochschätzen, und nicht bedenken, daß dieselben erst durch langsame Häufung kleiner, kaum merklicher Abän- derungen entstanden sind. Auch in dieser Beziehung ist die Verglei- chung der Culturrassen mit den wilden Species äußerst lehrreich. Die Entstehungsart ist in beiden Fällen dieselbe.
Abſtammung der zahlreichen Culturraſſen von wenigen wilden Arten.
fuͤhren, daß alle verſchiedenen Raſſen Nachkommen einer einzigen ur- ſpruͤnglichen wilden Art ſind, die vom Menſchen in den Culturzuſtand uͤbergefuͤhrt wurde. Fuͤr einige Hausthiere, namentlich die Hunde, Schweine und Rinder, iſt es allerdings wahrſcheinlicher, daß die man- nichfaltigen Raſſen derſelben von mehreren wilden Stammarten ab- zuleiten ſind, welche ſich nachtraͤglich im Culturzuſtande mit einan- der vermiſcht haben. Jndeſſen iſt die Zahl dieſer urſpruͤnglichen wil- den Stammarten immer viel geringer, als die Zahl der aus ihrer Vermiſchung und Zuͤchtung hervorgegangenen Culturformen, und na- tuͤrlich ſtammen auch jene erſteren urſpruͤnglich von einer einzigen ge- meinſamen Stammform der ganzen Gattung ab. Auf keinen Fall ſtammt jede beſondere Culturraſſe von einer eigenen wilden Art ab.
Jm Gegenſatz hierzu behaupten faſt alle Landwirthe und Gaͤrt- ner mit der groͤßten Beſtimmtheit, daß jede einzelne, von ihnen gezuͤchtete Raſſe von einer beſonderen wilden Stammart abſtammen muͤſſe, weil ſie die Unterſchiede der Raſſen ſcharf erkennen, die Ver- erbung ihrer Eigenſchaften ſehr hochſchaͤtzen, und nicht bedenken, daß dieſelben erſt durch langſame Haͤufung kleiner, kaum merklicher Abaͤn- derungen entſtanden ſind. Auch in dieſer Beziehung iſt die Verglei- chung der Culturraſſen mit den wilden Species aͤußerſt lehrreich. Die Entſtehungsart iſt in beiden Faͤllen dieſelbe.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0137"n="116"/><fwplace="top"type="header">Abſtammung der zahlreichen Culturraſſen von wenigen wilden Arten.</fw><lb/>
fuͤhren, daß alle verſchiedenen Raſſen Nachkommen einer einzigen ur-<lb/>ſpruͤnglichen wilden Art ſind, die vom Menſchen in den Culturzuſtand<lb/>
uͤbergefuͤhrt wurde. Fuͤr einige Hausthiere, namentlich die Hunde,<lb/>
Schweine und Rinder, iſt es allerdings wahrſcheinlicher, daß die man-<lb/>
nichfaltigen Raſſen derſelben von mehreren wilden Stammarten ab-<lb/>
zuleiten ſind, welche ſich nachtraͤglich im Culturzuſtande mit einan-<lb/>
der vermiſcht haben. Jndeſſen iſt die Zahl dieſer urſpruͤnglichen wil-<lb/>
den Stammarten immer viel geringer, als die Zahl der aus ihrer<lb/>
Vermiſchung und Zuͤchtung hervorgegangenen Culturformen, und na-<lb/>
tuͤrlich ſtammen auch jene erſteren urſpruͤnglich von einer einzigen ge-<lb/>
meinſamen Stammform der ganzen Gattung ab. Auf keinen Fall<lb/>ſtammt jede beſondere Culturraſſe von einer eigenen wilden Art ab.</p><lb/><p>Jm Gegenſatz hierzu behaupten faſt alle Landwirthe und Gaͤrt-<lb/>
ner mit der groͤßten Beſtimmtheit, daß jede einzelne, von ihnen<lb/>
gezuͤchtete Raſſe von einer beſonderen wilden Stammart abſtammen<lb/>
muͤſſe, weil ſie die Unterſchiede der Raſſen ſcharf erkennen, die Ver-<lb/>
erbung ihrer Eigenſchaften ſehr hochſchaͤtzen, und nicht bedenken, daß<lb/>
dieſelben erſt durch langſame Haͤufung kleiner, kaum merklicher Abaͤn-<lb/>
derungen entſtanden ſind. Auch in dieſer Beziehung iſt die Verglei-<lb/>
chung der Culturraſſen mit den wilden Species aͤußerſt lehrreich.<lb/>
Die Entſtehungsart iſt in beiden Faͤllen dieſelbe.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/></body></text></TEI>
[116/0137]
Abſtammung der zahlreichen Culturraſſen von wenigen wilden Arten.
fuͤhren, daß alle verſchiedenen Raſſen Nachkommen einer einzigen ur-
ſpruͤnglichen wilden Art ſind, die vom Menſchen in den Culturzuſtand
uͤbergefuͤhrt wurde. Fuͤr einige Hausthiere, namentlich die Hunde,
Schweine und Rinder, iſt es allerdings wahrſcheinlicher, daß die man-
nichfaltigen Raſſen derſelben von mehreren wilden Stammarten ab-
zuleiten ſind, welche ſich nachtraͤglich im Culturzuſtande mit einan-
der vermiſcht haben. Jndeſſen iſt die Zahl dieſer urſpruͤnglichen wil-
den Stammarten immer viel geringer, als die Zahl der aus ihrer
Vermiſchung und Zuͤchtung hervorgegangenen Culturformen, und na-
tuͤrlich ſtammen auch jene erſteren urſpruͤnglich von einer einzigen ge-
meinſamen Stammform der ganzen Gattung ab. Auf keinen Fall
ſtammt jede beſondere Culturraſſe von einer eigenen wilden Art ab.
Jm Gegenſatz hierzu behaupten faſt alle Landwirthe und Gaͤrt-
ner mit der groͤßten Beſtimmtheit, daß jede einzelne, von ihnen
gezuͤchtete Raſſe von einer beſonderen wilden Stammart abſtammen
muͤſſe, weil ſie die Unterſchiede der Raſſen ſcharf erkennen, die Ver-
erbung ihrer Eigenſchaften ſehr hochſchaͤtzen, und nicht bedenken, daß
dieſelben erſt durch langſame Haͤufung kleiner, kaum merklicher Abaͤn-
derungen entſtanden ſind. Auch in dieſer Beziehung iſt die Verglei-
chung der Culturraſſen mit den wilden Species aͤußerſt lehrreich.
Die Entſtehungsart iſt in beiden Faͤllen dieſelbe.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/137>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.