Jnnerer Zusammenhang von Lyell's und Darwin's Theorie.
chen in der Umbildung der Erdrinde, daß in kurzer Zeit die Geolo- gie Cuvier's Hypothese vollkommen aufgab.
Nun ist es aber merkwürdig, daß die Paläontologie, die Wissen- schaft von den Versteinerungen, soweit sie von den Botanikern und Zoologen getrieben wurde, von diesem großen Fortschritt der Geolo- gie scheinbar unberührt blieb. Die Biologie nahm fortwährend noch jene wiederholte neue Schöpfung der gesammten Thier- und Pflan- zenbevölkerung am Beginne jeder neuen Periode der Erdgeschichte an, obwohl diese Hypothese von den einzelnen, schubweise in die Welt ge- setzten Schöpfungen ohne die Annahme der Revolutionen reiner Un- sinn wurde und gar keinen Halt mehr hatte. Offenbar ist es voll- kommen ungereimt, eine besondere neue Schöpfung der ganzen Thier- und Pflanzenwelt zu bestimmten Zeitabschnitten anzunehmen, ohne daß die Erdrinde selbst dabei irgend eine beträchtliche allgemeine Um- wälzung erfährt. Trotzdem also jene Vorstellung auf das Engste mit der Katastrophentheorie Cuvier's zusammenhängt, blieb sie den- noch herrschend, nachdem die letztere bereits zerstört war.
Es war nun dem großen englischen Naturforscher Charles Darwin vorbehalten, diesen Zwiespalt völlig zu beseitigen und zu zeigen, daß auch die Lebewelt der Erde eine ebenso continuirlich zu- sammenhängende Geschichte hat, wie die unorganische Rinde der Erde; daß auch die Thiere und Pflanzen ebenso allmählich durch Umwand- lung (Transmutation) auseinander hervorgegangen sind, wie die wech- selnden Formen der Erdrinde, der Continente und der sie umschließen- den und trennenden Meere aus früheren, ganz davon verschiedenen Formen hervorgegangen sind. Wir können in dieser Beziehung wohl sagen, daß Darwin auf dem Gebiete der Zoologie und Botanik den gleichen Fortschritt herbeiführte, wie Lyell, sein großer Landsmann, auf dem Gebiete der Geologie. Durch Beide wurde der ununterbro- chene Zusammenhang der geschichtlichen Entwickelung bewiesen, und eine allmähliche Umänderung der verschiedenen auf einander folgenden Zustände dargethan.
Das besondere Verdienst Darwin's ist nun, wie bereits in dem
Jnnerer Zuſammenhang von Lyell’s und Darwin’s Theorie.
chen in der Umbildung der Erdrinde, daß in kurzer Zeit die Geolo- gie Cuvier’s Hypotheſe vollkommen aufgab.
Nun iſt es aber merkwuͤrdig, daß die Palaͤontologie, die Wiſſen- ſchaft von den Verſteinerungen, ſoweit ſie von den Botanikern und Zoologen getrieben wurde, von dieſem großen Fortſchritt der Geolo- gie ſcheinbar unberuͤhrt blieb. Die Biologie nahm fortwaͤhrend noch jene wiederholte neue Schoͤpfung der geſammten Thier- und Pflan- zenbevoͤlkerung am Beginne jeder neuen Periode der Erdgeſchichte an, obwohl dieſe Hypotheſe von den einzelnen, ſchubweiſe in die Welt ge- ſetzten Schoͤpfungen ohne die Annahme der Revolutionen reiner Un- ſinn wurde und gar keinen Halt mehr hatte. Offenbar iſt es voll- kommen ungereimt, eine beſondere neue Schoͤpfung der ganzen Thier- und Pflanzenwelt zu beſtimmten Zeitabſchnitten anzunehmen, ohne daß die Erdrinde ſelbſt dabei irgend eine betraͤchtliche allgemeine Um- waͤlzung erfaͤhrt. Trotzdem alſo jene Vorſtellung auf das Engſte mit der Kataſtrophentheorie Cuvier’s zuſammenhaͤngt, blieb ſie den- noch herrſchend, nachdem die letztere bereits zerſtoͤrt war.
Es war nun dem großen engliſchen Naturforſcher Charles Darwin vorbehalten, dieſen Zwieſpalt voͤllig zu beſeitigen und zu zeigen, daß auch die Lebewelt der Erde eine ebenſo continuirlich zu- ſammenhaͤngende Geſchichte hat, wie die unorganiſche Rinde der Erde; daß auch die Thiere und Pflanzen ebenſo allmaͤhlich durch Umwand- lung (Transmutation) auseinander hervorgegangen ſind, wie die wech- ſelnden Formen der Erdrinde, der Continente und der ſie umſchließen- den und trennenden Meere aus fruͤheren, ganz davon verſchiedenen Formen hervorgegangen ſind. Wir koͤnnen in dieſer Beziehung wohl ſagen, daß Darwin auf dem Gebiete der Zoologie und Botanik den gleichen Fortſchritt herbeifuͤhrte, wie Lyell, ſein großer Landsmann, auf dem Gebiete der Geologie. Durch Beide wurde der ununterbro- chene Zuſammenhang der geſchichtlichen Entwickelung bewieſen, und eine allmaͤhliche Umaͤnderung der verſchiedenen auf einander folgenden Zuſtaͤnde dargethan.
Das beſondere Verdienſt Darwin’s iſt nun, wie bereits in dem
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0125"n="104"/><fwplace="top"type="header">Jnnerer Zuſammenhang von Lyell’s und Darwin’s Theorie.</fw><lb/>
chen in der Umbildung der Erdrinde, daß in kurzer Zeit die Geolo-<lb/>
gie <hirendition="#g">Cuvier’s</hi> Hypotheſe vollkommen aufgab.</p><lb/><p>Nun iſt es aber merkwuͤrdig, daß die Palaͤontologie, die Wiſſen-<lb/>ſchaft von den Verſteinerungen, ſoweit ſie von den Botanikern und<lb/>
Zoologen getrieben wurde, von dieſem großen Fortſchritt der Geolo-<lb/>
gie ſcheinbar unberuͤhrt blieb. Die Biologie nahm fortwaͤhrend noch<lb/>
jene wiederholte neue Schoͤpfung der geſammten Thier- und Pflan-<lb/>
zenbevoͤlkerung am Beginne jeder neuen Periode der Erdgeſchichte an,<lb/>
obwohl dieſe Hypotheſe von den einzelnen, ſchubweiſe in die Welt ge-<lb/>ſetzten Schoͤpfungen ohne die Annahme der Revolutionen reiner Un-<lb/>ſinn wurde und gar keinen Halt mehr hatte. Offenbar iſt es voll-<lb/>
kommen ungereimt, eine beſondere neue Schoͤpfung der ganzen Thier-<lb/>
und Pflanzenwelt zu beſtimmten Zeitabſchnitten anzunehmen, ohne<lb/>
daß die Erdrinde ſelbſt dabei irgend eine betraͤchtliche allgemeine Um-<lb/>
waͤlzung erfaͤhrt. Trotzdem alſo jene Vorſtellung auf das Engſte mit<lb/>
der Kataſtrophentheorie <hirendition="#g">Cuvier’s</hi> zuſammenhaͤngt, blieb ſie den-<lb/>
noch herrſchend, nachdem die letztere bereits zerſtoͤrt war.</p><lb/><p>Es war nun dem großen engliſchen Naturforſcher <hirendition="#g">Charles<lb/>
Darwin</hi> vorbehalten, dieſen Zwieſpalt voͤllig zu beſeitigen und zu<lb/>
zeigen, daß auch die Lebewelt der Erde eine ebenſo continuirlich zu-<lb/>ſammenhaͤngende Geſchichte hat, wie die unorganiſche Rinde der Erde;<lb/>
daß auch die Thiere und Pflanzen ebenſo allmaͤhlich durch Umwand-<lb/>
lung (Transmutation) auseinander hervorgegangen ſind, wie die wech-<lb/>ſelnden Formen der Erdrinde, der Continente und der ſie umſchließen-<lb/>
den und trennenden Meere aus fruͤheren, ganz davon verſchiedenen<lb/>
Formen hervorgegangen ſind. Wir koͤnnen in dieſer Beziehung wohl<lb/>ſagen, daß <hirendition="#g">Darwin</hi> auf dem Gebiete der Zoologie und Botanik den<lb/>
gleichen Fortſchritt herbeifuͤhrte, wie <hirendition="#g">Lyell,</hi>ſein großer Landsmann,<lb/>
auf dem Gebiete der Geologie. Durch Beide wurde der ununterbro-<lb/>
chene Zuſammenhang der geſchichtlichen Entwickelung bewieſen, und<lb/>
eine allmaͤhliche Umaͤnderung der verſchiedenen auf einander folgenden<lb/>
Zuſtaͤnde dargethan.</p><lb/><p>Das beſondere Verdienſt <hirendition="#g">Darwin’s</hi> iſt nun, wie bereits in dem<lb/></p></div></body></text></TEI>
[104/0125]
Jnnerer Zuſammenhang von Lyell’s und Darwin’s Theorie.
chen in der Umbildung der Erdrinde, daß in kurzer Zeit die Geolo-
gie Cuvier’s Hypotheſe vollkommen aufgab.
Nun iſt es aber merkwuͤrdig, daß die Palaͤontologie, die Wiſſen-
ſchaft von den Verſteinerungen, ſoweit ſie von den Botanikern und
Zoologen getrieben wurde, von dieſem großen Fortſchritt der Geolo-
gie ſcheinbar unberuͤhrt blieb. Die Biologie nahm fortwaͤhrend noch
jene wiederholte neue Schoͤpfung der geſammten Thier- und Pflan-
zenbevoͤlkerung am Beginne jeder neuen Periode der Erdgeſchichte an,
obwohl dieſe Hypotheſe von den einzelnen, ſchubweiſe in die Welt ge-
ſetzten Schoͤpfungen ohne die Annahme der Revolutionen reiner Un-
ſinn wurde und gar keinen Halt mehr hatte. Offenbar iſt es voll-
kommen ungereimt, eine beſondere neue Schoͤpfung der ganzen Thier-
und Pflanzenwelt zu beſtimmten Zeitabſchnitten anzunehmen, ohne
daß die Erdrinde ſelbſt dabei irgend eine betraͤchtliche allgemeine Um-
waͤlzung erfaͤhrt. Trotzdem alſo jene Vorſtellung auf das Engſte mit
der Kataſtrophentheorie Cuvier’s zuſammenhaͤngt, blieb ſie den-
noch herrſchend, nachdem die letztere bereits zerſtoͤrt war.
Es war nun dem großen engliſchen Naturforſcher Charles
Darwin vorbehalten, dieſen Zwieſpalt voͤllig zu beſeitigen und zu
zeigen, daß auch die Lebewelt der Erde eine ebenſo continuirlich zu-
ſammenhaͤngende Geſchichte hat, wie die unorganiſche Rinde der Erde;
daß auch die Thiere und Pflanzen ebenſo allmaͤhlich durch Umwand-
lung (Transmutation) auseinander hervorgegangen ſind, wie die wech-
ſelnden Formen der Erdrinde, der Continente und der ſie umſchließen-
den und trennenden Meere aus fruͤheren, ganz davon verſchiedenen
Formen hervorgegangen ſind. Wir koͤnnen in dieſer Beziehung wohl
ſagen, daß Darwin auf dem Gebiete der Zoologie und Botanik den
gleichen Fortſchritt herbeifuͤhrte, wie Lyell, ſein großer Landsmann,
auf dem Gebiete der Geologie. Durch Beide wurde der ununterbro-
chene Zuſammenhang der geſchichtlichen Entwickelung bewieſen, und
eine allmaͤhliche Umaͤnderung der verſchiedenen auf einander folgenden
Zuſtaͤnde dargethan.
Das beſondere Verdienſt Darwin’s iſt nun, wie bereits in dem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/125>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.