Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.Anhänger der Descendenztheorie in England. der eigentliche Ausgangsheerd für die weitere Ausbildung und die de-finitive Feststellung der Entwickelungstheorie geworden ist. Jm An- fange unseres Jahrhunderts haben die Engländer, welche sonst im- mer so lebendig an jedem großen wissenschaftlichen Fortschritt der Menschheit Theil nehmen, und die ewigen Wahrheiten der Natur- wissenschaft in erster Linie fördern, an der festländischen Naturphilo- sophie und an deren bedeutendstem Fortschritt, der Descendenztheorie, nur wenig Antheil gewonnen. Fast der einzige ältere englische Naturforscher, den wir hier zu nennen haben, ist Erasmus Dar- win, der Großvater des Reformators der Descendenztheorie. Er ver- öffentlichte im Jahre 1794 unter dem Titel "Zoonomia" ein na- turphilosophisches Werk, in welchem er ganz ähnliche Ansichten, wie Goethe und Lamarck ausspricht, ohne jedoch von diesen Män- nern damals irgend Etwas gewußt zu haben. Die Descendenztheorie lag offenbar schon damals in der Luft. Auch Erasmus Darwin legt großes Gewicht auf die Umgestaltung der Thier- und Pflanzen- arten durch ihre eigene Lebensthätigkeit, durch die Angewöhnung an veränderte Existenzbedingungen u. s. w. Sodann spricht sich im Jahre 1822 W. Herbert dahin aus, daß die Arten oder Species der Thiere und Pflanzen Nichts weiter seien, als beständig gewordene Va- rietäten oder Spielarten. Ebenso erklärte 1826 Grant in Edinburg, als er die Fortpflanzungsorgane der Schwämme entdeckte, daß neue Arten durch fortdauernde Umbildung aus bestehenden Arten hervor- gehen. Schon 1831 sprach Patrik Matthew Ansichten über die Entstehung der Arten aus, welche Charles Darwin's Züchtungs- theorie sehr nahe kamen, aber damals gar nicht beachtet wurden. 1851 behauptete Freke, daß alle organischen Wesen von einer ein- zigen Urform abstammen müßten. Ausführlicher und in sehr klarer philosophischer Form bewies 1852 Herbert Spencer die Nothwen- digkeit der Abstammungslehre und begründete dieselbe näher in seinen 1858 erschienenen vortrefflichen "Essays" und in den später veröf- fentlichten "Principles of Biology". Derselbe hat zugleich das große Verdienst, die Entwickelungstheorie auf die Psychologie angewandt Anhaͤnger der Deſcendenztheorie in England. der eigentliche Ausgangsheerd fuͤr die weitere Ausbildung und die de-finitive Feſtſtellung der Entwickelungstheorie geworden iſt. Jm An- fange unſeres Jahrhunderts haben die Englaͤnder, welche ſonſt im- mer ſo lebendig an jedem großen wiſſenſchaftlichen Fortſchritt der Menſchheit Theil nehmen, und die ewigen Wahrheiten der Natur- wiſſenſchaft in erſter Linie foͤrdern, an der feſtlaͤndiſchen Naturphilo- ſophie und an deren bedeutendſtem Fortſchritt, der Deſcendenztheorie, nur wenig Antheil gewonnen. Faſt der einzige aͤltere engliſche Naturforſcher, den wir hier zu nennen haben, iſt Erasmus Dar- win, der Großvater des Reformators der Deſcendenztheorie. Er ver- oͤffentlichte im Jahre 1794 unter dem Titel „Zoonomia“ ein na- turphiloſophiſches Werk, in welchem er ganz aͤhnliche Anſichten, wie Goethe und Lamarck ausſpricht, ohne jedoch von dieſen Maͤn- nern damals irgend Etwas gewußt zu haben. Die Deſcendenztheorie lag offenbar ſchon damals in der Luft. Auch Erasmus Darwin legt großes Gewicht auf die Umgeſtaltung der Thier- und Pflanzen- arten durch ihre eigene Lebensthaͤtigkeit, durch die Angewoͤhnung an veraͤnderte Exiſtenzbedingungen u. ſ. w. Sodann ſpricht ſich im Jahre 1822 W. Herbert dahin aus, daß die Arten oder Species der Thiere und Pflanzen Nichts weiter ſeien, als beſtaͤndig gewordene Va- rietaͤten oder Spielarten. Ebenſo erklaͤrte 1826 Grant in Edinburg, als er die Fortpflanzungsorgane der Schwaͤmme entdeckte, daß neue Arten durch fortdauernde Umbildung aus beſtehenden Arten hervor- gehen. Schon 1831 ſprach Patrik Matthew Anſichten uͤber die Entſtehung der Arten aus, welche Charles Darwin’s Zuͤchtungs- theorie ſehr nahe kamen, aber damals gar nicht beachtet wurden. 1851 behauptete Freke, daß alle organiſchen Weſen von einer ein- zigen Urform abſtammen muͤßten. Ausfuͤhrlicher und in ſehr klarer philoſophiſcher Form bewies 1852 Herbert Spencer die Nothwen- digkeit der Abſtammungslehre und begruͤndete dieſelbe naͤher in ſeinen 1858 erſchienenen vortrefflichen „Essays“ und in den ſpaͤter veroͤf- fentlichten „Principles of Biology“. 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Anhaͤnger der Deſcendenztheorie in England.
der eigentliche Ausgangsheerd fuͤr die weitere Ausbildung und die de-
finitive Feſtſtellung der Entwickelungstheorie geworden iſt. Jm An-
fange unſeres Jahrhunderts haben die Englaͤnder, welche ſonſt im-
mer ſo lebendig an jedem großen wiſſenſchaftlichen Fortſchritt der
Menſchheit Theil nehmen, und die ewigen Wahrheiten der Natur-
wiſſenſchaft in erſter Linie foͤrdern, an der feſtlaͤndiſchen Naturphilo-
ſophie und an deren bedeutendſtem Fortſchritt, der Deſcendenztheorie,
nur wenig Antheil gewonnen. Faſt der einzige aͤltere engliſche
Naturforſcher, den wir hier zu nennen haben, iſt Erasmus Dar-
win, der Großvater des Reformators der Deſcendenztheorie. Er ver-
oͤffentlichte im Jahre 1794 unter dem Titel „Zoonomia“ ein na-
turphiloſophiſches Werk, in welchem er ganz aͤhnliche Anſichten, wie
Goethe und Lamarck ausſpricht, ohne jedoch von dieſen Maͤn-
nern damals irgend Etwas gewußt zu haben. Die Deſcendenztheorie
lag offenbar ſchon damals in der Luft. Auch Erasmus Darwin
legt großes Gewicht auf die Umgeſtaltung der Thier- und Pflanzen-
arten durch ihre eigene Lebensthaͤtigkeit, durch die Angewoͤhnung an
veraͤnderte Exiſtenzbedingungen u. ſ. w. Sodann ſpricht ſich im Jahre
1822 W. Herbert dahin aus, daß die Arten oder Species der
Thiere und Pflanzen Nichts weiter ſeien, als beſtaͤndig gewordene Va-
rietaͤten oder Spielarten. Ebenſo erklaͤrte 1826 Grant in Edinburg,
als er die Fortpflanzungsorgane der Schwaͤmme entdeckte, daß neue
Arten durch fortdauernde Umbildung aus beſtehenden Arten hervor-
gehen. Schon 1831 ſprach Patrik Matthew Anſichten uͤber die
Entſtehung der Arten aus, welche Charles Darwin’s Zuͤchtungs-
theorie ſehr nahe kamen, aber damals gar nicht beachtet wurden.
1851 behauptete Freke, daß alle organiſchen Weſen von einer ein-
zigen Urform abſtammen muͤßten. Ausfuͤhrlicher und in ſehr klarer
philoſophiſcher Form bewies 1852 Herbert Spencer die Nothwen-
digkeit der Abſtammungslehre und begruͤndete dieſelbe naͤher in ſeinen
1858 erſchienenen vortrefflichen „Essays“ und in den ſpaͤter veroͤf-
fentlichten „Principles of Biology“. Derſelbe hat zugleich das große
Verdienſt, die Entwickelungstheorie auf die Pſychologie angewandt
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