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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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Eintheilung der Morphologie in untergeordnete Wissenschaften.
Bau ganz ebenso die äussere Form, und zwar vergleichend berücksichtigen,
und wenn sie die so erworbenen Kenntnisse in kürzester Form zusammen-
fassen, und übersichtlich darstellen will, so muss sie sich dazu der Form
des Systems bedienen. Die Systematik ist dann also nur die allumfassende
Anatomie der Organismen in Form eines Specifications-Systems.

Wir haben hier absichtlich als Beispiel einer irrigen Auffassung des
Verhältnisses der Systematik zur Morphologie die Definition von Victor
Carus
gewählt, weil dieser Morphologe sehr hoch über den meisten Anderen
steht, und sich sonst besonders durch richtige Auffassung allgemeiner der-
artiger Beziehungen auszeichnet. Auch beweist sein "System der thierischen
Morphologie" selbst, dass er diese Wissenschaft nicht in dem engen Sinne
seiner Definition als "Erkenntniss der Form an sich" auffasst, sondern
ihr das höhere Ziel einer wirklichen vergleichenden Verwandtschaftslehre
steckt, wenn auch nicht in systematischer Form. Noch weit irriger, un-
klarer und dunkler sind aber die Vorstellungen, welche die meisten anderen
Morphologen über den Werth und die gegenseitigen Beziehungen der Morpho-
logie und ihrer einzelnen Zweige zur Systematik hegen. Wie überhaupt
Ziel und Aufgabe der Morphologie und der einzelnen ihr untergeordneten
Disciplinen meist gänzlich verkannt wird, und wie die wechselseitigen Be-
ziehungen der Organologie und Anatomie, der Zootomie und vergleichen-
den Anatomie, in der verschiedenartigsten Weise betrachtet werden, so ist
ganz besonders das Verhältniss der Morphologie zur Systematik von den
verschiedenen Autoren in so gänzlich verschiedenem Sinne aufgefasst wor-
den, dass es uns unerlässlich erscheint, diejenige bestimmte Auffassung
dieses Verhältnisses, welche wir für die allein richtige halten, an diesem
Orte ausführlich zu begründen. 1)

1) Es gilt hier von der Systematik dasselbe, was leider von so vielen Ar-
beiten auf den anderen oben genannten Gebieten behauptet werden muss. Mit wie
vielen "vergleichend anatomischen" und "comparativ morphologischen" Arbeiten
hat uns die neuere Zeit beschenkt, in denen kaum eine Spur von "Vergleichung"
zu entdecken ist! Wie viele "anatomische" und "zootomische" Monographieen
lassen in ihrer Untersuchung die wesentlichsten morphologischen Beziehungen,
z. B. die äusseren Form-Verhältnisse, ganz ausser Acht! Wie viele "morpholo-
gische" Untersuchungen erscheinen nicht, die weder von Logik, noch von Logos
die Spur an sich tragen; und in denen man den logos ebenso wenig erblicken
kann, als in den descriptiven "systematischen" Arbeiten auf dem Gebiete der
Ornithographie, Entomographie, Malakographie etc., die sich allerdings
mit dem Namen der Ornithologie, Entomologie, Malakologie u. s. w. brüsten.
Die Form des Systems, welche zunächst eben nur die übersichtlichste und be-
quemste Darstellungsform der complicirten verwandtschaftlichen Beziehungen
der Organismen sein soll, ist an sich das Ziel der Bestrebungen und der End-
zweck der Morphologie geworden, während der Inhalt selbst dabei in der ober-
flächlichsten Weise vernachlässigt worden ist. Nach unserer Ansicht kann aller-
dings das System wirklich als der höchste Zweck der Wissenschaft hingestellt
werden; dann muss es aber nach Inhalt und Form gleich vollendet sein. Der
Inhalt muss durch die Form des Systems nur seinen übersichtlichsten und kür-
zesten Ausdruck finden.

Eintheilung der Morphologie in untergeordnete Wissenschaften.
Bau ganz ebenso die äussere Form, und zwar vergleichend berücksichtigen,
und wenn sie die so erworbenen Kenntnisse in kürzester Form zusammen-
fassen, und übersichtlich darstellen will, so muss sie sich dazu der Form
des Systems bedienen. Die Systematik ist dann also nur die allumfassende
Anatomie der Organismen in Form eines Specifications-Systems.

Wir haben hier absichtlich als Beispiel einer irrigen Auffassung des
Verhältnisses der Systematik zur Morphologie die Definition von Victor
Carus
gewählt, weil dieser Morphologe sehr hoch über den meisten Anderen
steht, und sich sonst besonders durch richtige Auffassung allgemeiner der-
artiger Beziehungen auszeichnet. Auch beweist sein „System der thierischen
Morphologie“ selbst, dass er diese Wissenschaft nicht in dem engen Sinne
seiner Definition als „Erkenntniss der Form an sich“ auffasst, sondern
ihr das höhere Ziel einer wirklichen vergleichenden Verwandtschaftslehre
steckt, wenn auch nicht in systematischer Form. Noch weit irriger, un-
klarer und dunkler sind aber die Vorstellungen, welche die meisten anderen
Morphologen über den Werth und die gegenseitigen Beziehungen der Morpho-
logie und ihrer einzelnen Zweige zur Systematik hegen. Wie überhaupt
Ziel und Aufgabe der Morphologie und der einzelnen ihr untergeordneten
Disciplinen meist gänzlich verkannt wird, und wie die wechselseitigen Be-
ziehungen der Organologie und Anatomie, der Zootomie und vergleichen-
den Anatomie, in der verschiedenartigsten Weise betrachtet werden, so ist
ganz besonders das Verhältniss der Morphologie zur Systematik von den
verschiedenen Autoren in so gänzlich verschiedenem Sinne aufgefasst wor-
den, dass es uns unerlässlich erscheint, diejenige bestimmte Auffassung
dieses Verhältnisses, welche wir für die allein richtige halten, an diesem
Orte ausführlich zu begründen. 1)

1) Es gilt hier von der Systematik dasselbe, was leider von so vielen Ar-
beiten auf den anderen oben genannten Gebieten behauptet werden muss. Mit wie
vielen „vergleichend anatomischen“ und „comparativ morphologischen“ Arbeiten
hat uns die neuere Zeit beschenkt, in denen kaum eine Spur von „Vergleichung“
zu entdecken ist! Wie viele „anatomische“ und „zootomische“ Monographieen
lassen in ihrer Untersuchung die wesentlichsten morphologischen Beziehungen,
z. B. die äusseren Form-Verhältnisse, ganz ausser Acht! Wie viele „morpholo-
gische“ Untersuchungen erscheinen nicht, die weder von Logik, noch von Logos
die Spur an sich tragen; und in denen man den λόγος ebenso wenig erblicken
kann, als in den descriptiven „systematischen“ Arbeiten auf dem Gebiete der
Ornithographie, Entomographie, Malakographie etc., die sich allerdings
mit dem Namen der Ornithologie, Entomologie, Malakologie u. s. w. brüsten.
Die Form des Systems, welche zunächst eben nur die übersichtlichste und be-
quemste Darstellungsform der complicirten verwandtschaftlichen Beziehungen
der Organismen sein soll, ist an sich das Ziel der Bestrebungen und der End-
zweck der Morphologie geworden, während der Inhalt selbst dabei in der ober-
flächlichsten Weise vernachlässigt worden ist. Nach unserer Ansicht kann aller-
dings das System wirklich als der höchste Zweck der Wissenschaft hingestellt
werden; dann muss es aber nach Inhalt und Form gleich vollendet sein. Der
Inhalt muss durch die Form des Systems nur seinen übersichtlichsten und kür-
zesten Ausdruck finden.
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[36/0075] Eintheilung der Morphologie in untergeordnete Wissenschaften. Bau ganz ebenso die äussere Form, und zwar vergleichend berücksichtigen, und wenn sie die so erworbenen Kenntnisse in kürzester Form zusammen- fassen, und übersichtlich darstellen will, so muss sie sich dazu der Form des Systems bedienen. Die Systematik ist dann also nur die allumfassende Anatomie der Organismen in Form eines Specifications-Systems. Wir haben hier absichtlich als Beispiel einer irrigen Auffassung des Verhältnisses der Systematik zur Morphologie die Definition von Victor Carus gewählt, weil dieser Morphologe sehr hoch über den meisten Anderen steht, und sich sonst besonders durch richtige Auffassung allgemeiner der- artiger Beziehungen auszeichnet. Auch beweist sein „System der thierischen Morphologie“ selbst, dass er diese Wissenschaft nicht in dem engen Sinne seiner Definition als „Erkenntniss der Form an sich“ auffasst, sondern ihr das höhere Ziel einer wirklichen vergleichenden Verwandtschaftslehre steckt, wenn auch nicht in systematischer Form. Noch weit irriger, un- klarer und dunkler sind aber die Vorstellungen, welche die meisten anderen Morphologen über den Werth und die gegenseitigen Beziehungen der Morpho- logie und ihrer einzelnen Zweige zur Systematik hegen. Wie überhaupt Ziel und Aufgabe der Morphologie und der einzelnen ihr untergeordneten Disciplinen meist gänzlich verkannt wird, und wie die wechselseitigen Be- ziehungen der Organologie und Anatomie, der Zootomie und vergleichen- den Anatomie, in der verschiedenartigsten Weise betrachtet werden, so ist ganz besonders das Verhältniss der Morphologie zur Systematik von den verschiedenen Autoren in so gänzlich verschiedenem Sinne aufgefasst wor- den, dass es uns unerlässlich erscheint, diejenige bestimmte Auffassung dieses Verhältnisses, welche wir für die allein richtige halten, an diesem Orte ausführlich zu begründen. 1) 1) Es gilt hier von der Systematik dasselbe, was leider von so vielen Ar- beiten auf den anderen oben genannten Gebieten behauptet werden muss. Mit wie vielen „vergleichend anatomischen“ und „comparativ morphologischen“ Arbeiten hat uns die neuere Zeit beschenkt, in denen kaum eine Spur von „Vergleichung“ zu entdecken ist! Wie viele „anatomische“ und „zootomische“ Monographieen lassen in ihrer Untersuchung die wesentlichsten morphologischen Beziehungen, z. B. die äusseren Form-Verhältnisse, ganz ausser Acht! Wie viele „morpholo- gische“ Untersuchungen erscheinen nicht, die weder von Logik, noch von Logos die Spur an sich tragen; und in denen man den λόγος ebenso wenig erblicken kann, als in den descriptiven „systematischen“ Arbeiten auf dem Gebiete der Ornithographie, Entomographie, Malakographie etc., die sich allerdings mit dem Namen der Ornithologie, Entomologie, Malakologie u. s. w. brüsten. Die Form des Systems, welche zunächst eben nur die übersichtlichste und be- quemste Darstellungsform der complicirten verwandtschaftlichen Beziehungen der Organismen sein soll, ist an sich das Ziel der Bestrebungen und der End- zweck der Morphologie geworden, während der Inhalt selbst dabei in der ober- flächlichsten Weise vernachlässigt worden ist. Nach unserer Ansicht kann aller- dings das System wirklich als der höchste Zweck der Wissenschaft hingestellt werden; dann muss es aber nach Inhalt und Form gleich vollendet sein. Der Inhalt muss durch die Form des Systems nur seinen übersichtlichsten und kür- zesten Ausdruck finden.

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/75>, abgerufen am 23.11.2024.