I. Das promorphologische System als generelles Formen- System.
Das System der Grundformen, welches von uns im dreizehnten Capitel construirt und entwickelt worden ist, haben wir zunächst aufgestellt, um da- durch eine geordnete Uebersicht über die unendliche Fülle der gesetzmässig gebildeten organischen Formen zu gewinnen. Indem wir am Schlusse des vierten Buches, in diesem Anhange, die wichtigsten Kategorieen jener or- ganischen Grundformen nochmals, nach verschiedenen Gesichtspunkten ge- ordnet, übersichtlich zusammenstellen, wollen wir nicht unterlassen, den Hinweis darauf vorauszuschicken, dass unser Formen-System auch noch einer weiteren Anwendung fähig ist. Wie wir bereits die Krystallformen und die characteristischen Formen gewisser menschlicher Kunst-Producte (p. 521) als ebenfalls innerhalb des Formenkreises unseres Systems fallend nachgewiesen haben, wie auch die Sphaeroid-Form der Weltkörper sich der (anepipeden) Haplopolen-Form unterordnet, so werden wir bei allgemeinerer Betrachtung desselben finden, dass überhaupt alle verschiedenen Körper- formen, welche in der Natur, und ebenso auch die verschiedenen Formen der Kunst-Producte, welche in der Sphäre menschlicher Kunstthätigkeit entstehen, sich demselben einordnen lassen. Die Erkenntniss der formbe- stimmenden Axen und ihrer Pole wird uns auch hier überall als erklärende Leuchte in dem unendlichen Chaos der realen Formen dienen. So erken- nen wir z. B. in den meisten Bewegungswerkzeugen zu Wasser und zu Lande die Eudipleuren-Form, in den meisten Waffen (Gewehren etc.) die Dysdipleuren-Form, in den meisten Vasen die Diphragmen-Form, in den meisten Bechern, Schüsseln, Glasgefässen, Luftballons etc. entweder die homostaure oder die diplopole Grundform wieder. Der innige mechanische Zusammenhang zwischen Form und Function ist hier ebenso wie bei den organischen Formen in der Natur unverkennbar. Es wird daher unser promorphologisches System nur weniger Ergänzungen bedürfen, um als er- klärender Führer bei der geordneten vergleichenden Betrachtung sämmt- licher Körperformen überhaupt gute Dienste leisten zu können. Wir hoffen, damit die Grundlage eines generellen Formen-Systems gegeben zu haben.
Anhang zum vierten Buche.
I. Das promorphologische System als generelles Formen- System.
Das System der Grundformen, welches von uns im dreizehnten Capitel construirt und entwickelt worden ist, haben wir zunächst aufgestellt, um da- durch eine geordnete Uebersicht über die unendliche Fülle der gesetzmässig gebildeten organischen Formen zu gewinnen. Indem wir am Schlusse des vierten Buches, in diesem Anhange, die wichtigsten Kategorieen jener or- ganischen Grundformen nochmals, nach verschiedenen Gesichtspunkten ge- ordnet, übersichtlich zusammenstellen, wollen wir nicht unterlassen, den Hinweis darauf vorauszuschicken, dass unser Formen-System auch noch einer weiteren Anwendung fähig ist. Wie wir bereits die Krystallformen und die characteristischen Formen gewisser menschlicher Kunst-Producte (p. 521) als ebenfalls innerhalb des Formenkreises unseres Systems fallend nachgewiesen haben, wie auch die Sphaeroid-Form der Weltkörper sich der (anepipeden) Haplopolen-Form unterordnet, so werden wir bei allgemeinerer Betrachtung desselben finden, dass überhaupt alle verschiedenen Körper- formen, welche in der Natur, und ebenso auch die verschiedenen Formen der Kunst-Producte, welche in der Sphäre menschlicher Kunstthätigkeit entstehen, sich demselben einordnen lassen. Die Erkenntniss der formbe- stimmenden Axen und ihrer Pole wird uns auch hier überall als erklärende Leuchte in dem unendlichen Chaos der realen Formen dienen. So erken- nen wir z. B. in den meisten Bewegungswerkzeugen zu Wasser und zu Lande die Eudipleuren-Form, in den meisten Waffen (Gewehren etc.) die Dysdipleuren-Form, in den meisten Vasen die Diphragmen-Form, in den meisten Bechern, Schüsseln, Glasgefässen, Luftballons etc. entweder die homostaure oder die diplopole Grundform wieder. Der innige mechanische Zusammenhang zwischen Form und Function ist hier ebenso wie bei den organischen Formen in der Natur unverkennbar. Es wird daher unser promorphologisches System nur weniger Ergänzungen bedürfen, um als er- klärender Führer bei der geordneten vergleichenden Betrachtung sämmt- licher Körperformen überhaupt gute Dienste leisten zu können. Wir hoffen, damit die Grundlage eines generellen Formen-Systems gegeben zu haben.
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Anhang zum vierten Buche.
I. Das promorphologische System als generelles Formen-
System.
Das System der Grundformen, welches von uns im dreizehnten Capitel
construirt und entwickelt worden ist, haben wir zunächst aufgestellt, um da-
durch eine geordnete Uebersicht über die unendliche Fülle der gesetzmässig
gebildeten organischen Formen zu gewinnen. Indem wir am Schlusse des
vierten Buches, in diesem Anhange, die wichtigsten Kategorieen jener or-
ganischen Grundformen nochmals, nach verschiedenen Gesichtspunkten ge-
ordnet, übersichtlich zusammenstellen, wollen wir nicht unterlassen, den
Hinweis darauf vorauszuschicken, dass unser Formen-System auch noch
einer weiteren Anwendung fähig ist. Wie wir bereits die Krystallformen
und die characteristischen Formen gewisser menschlicher Kunst-Producte
(p. 521) als ebenfalls innerhalb des Formenkreises unseres Systems fallend
nachgewiesen haben, wie auch die Sphaeroid-Form der Weltkörper sich der
(anepipeden) Haplopolen-Form unterordnet, so werden wir bei allgemeinerer
Betrachtung desselben finden, dass überhaupt alle verschiedenen Körper-
formen, welche in der Natur, und ebenso auch die verschiedenen Formen
der Kunst-Producte, welche in der Sphäre menschlicher Kunstthätigkeit
entstehen, sich demselben einordnen lassen. Die Erkenntniss der formbe-
stimmenden Axen und ihrer Pole wird uns auch hier überall als erklärende
Leuchte in dem unendlichen Chaos der realen Formen dienen. So erken-
nen wir z. B. in den meisten Bewegungswerkzeugen zu Wasser und zu
Lande die Eudipleuren-Form, in den meisten Waffen (Gewehren etc.) die
Dysdipleuren-Form, in den meisten Vasen die Diphragmen-Form, in den
meisten Bechern, Schüsseln, Glasgefässen, Luftballons etc. entweder die
homostaure oder die diplopole Grundform wieder. Der innige mechanische
Zusammenhang zwischen Form und Function ist hier ebenso wie bei den
organischen Formen in der Natur unverkennbar. Es wird daher unser
promorphologisches System nur weniger Ergänzungen bedürfen, um als er-
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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. [554]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/593>, abgerufen am 24.11.2024.
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