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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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Einpaarige Grundformen. Dipleura.
Erste Unterart der Dipleuren:
Gleichhälftige Einpaarige. Eudipleura.
(Dipleura homopleura.)
(Bilateral-symmetrische Formen in der fünften (engsten) Bedeutung des Begriffes.)
Stereometrische Grundform: Einfach-gleichschenkelige Pyramide (mit zwei
symmetrisch-gleichen Seitenhälften
).
Realer Typus: Homo (oder Fumaria) Taf. I, Fig. 14.

Die Eudipleuren oder die vollkommen symmetrisch-gleichseitigen
und zweizähligen Formen dürfen als die vollkommensten aller orga-
nischen Formen angesehen werden. Offenbar sind mit der Zusammen-
setzung des Körpers aus nur zwei Antimeren, die symmetrisch-gleich
sind, eine Menge Vortheile verbunden, die jeder anderen Form ab-
gehen. Diese Vortheile sind grösstentheils mechanischer Natur und
kommen namentlich der freien und allseitigen Bewegung des Körpers
sehr zu Statten. Sehen wir doch nicht allein, dass die meisten frei-
beweglichen, vollkommeneren Organismen und namentlich alle höheren
Thiere, welche sich auf dem Festlande bewegen, fast ohne Ausnahme
nach der Eudipleuren-Form gebaut sind, (besonders die meisten Wirbel-
thiere, Gliederfüsser und Weichthiere), sondern dass auch alle voll-
kommeneren und selbst die unvollkommeneren Maschinen, welche der
Mensch zum Zwecke der Ortsbewegung erfunden und gebaut hat,
unbewusst nach demselben Princip construirt sind. Alle unsere Be-
wegungsmaschinen zu Wasser und zu Lande, die Locomotiven, Wagen
und alle Art Fuhrwerke, die Schiffe, Nachen u. s. w., ebenso sehr
viele andere mechanisch wirkende Instrumente sind nach diesem
Grundprincip gebaut. Vor Allem wird die Vorwärtsbewegung in einer
bestimmten Richtung, mit einem constanten Körperende voran, durch
keine andere mögliche Grundform so sicher bewerkstelligt, als durch
die Eudipleuren-Form.

Daher hat sich die Eudipleuren-Form in dem bei weitem grössten
Theile aller Thier-Personen mehr oder minder vollkommen rein aus-
gebildet, obwohl häufig einerseits in die dysdipleure, andererseits in
die eutetrapleure und selbst in die tetrarithme Grundform übergehend
(Cestoden!). Wenn wir von geringeren (besonders im inneren Bau
hervortretenden) Differenzen der rechten und linken Seitenhälfte absehen,
so finden wir die Eudipleuren-Form bei den Personen der allermei-
sten Wirbelthiere, Arthropoden und Mollusken, bei den höchststehen-
den Würmern, einzelnen Echinodermen-Ammen und Coelenteraten
(Siphonophoren). Ausgenommen sind von den Wirbelthieren die dys-
dipleuren Pleuronectiden, von den Arthropoden einige schmarotzende
oder an bestimmte Wohnorte angepasste Formen (Pagurus), von den

Einpaarige Grundformen. Dipleura.
Erste Unterart der Dipleuren:
Gleichhälftige Einpaarige. Eudipleura.
(Dipleura homopleura.)
(Bilateral-symmetrische Formen in der fünften (engsten) Bedeutung des Begriffes.)
Stereometrische Grundform: Einfach-gleichschenkelige Pyramide (mit zwei
symmetrisch-gleichen Seitenhälften
).
Realer Typus: Homo (oder Fumaria) Taf. I, Fig. 14.

Die Eudipleuren oder die vollkommen symmetrisch-gleichseitigen
und zweizähligen Formen dürfen als die vollkommensten aller orga-
nischen Formen angesehen werden. Offenbar sind mit der Zusammen-
setzung des Körpers aus nur zwei Antimeren, die symmetrisch-gleich
sind, eine Menge Vortheile verbunden, die jeder anderen Form ab-
gehen. Diese Vortheile sind grösstentheils mechanischer Natur und
kommen namentlich der freien und allseitigen Bewegung des Körpers
sehr zu Statten. Sehen wir doch nicht allein, dass die meisten frei-
beweglichen, vollkommeneren Organismen und namentlich alle höheren
Thiere, welche sich auf dem Festlande bewegen, fast ohne Ausnahme
nach der Eudipleuren-Form gebaut sind, (besonders die meisten Wirbel-
thiere, Gliederfüsser und Weichthiere), sondern dass auch alle voll-
kommeneren und selbst die unvollkommeneren Maschinen, welche der
Mensch zum Zwecke der Ortsbewegung erfunden und gebaut hat,
unbewusst nach demselben Princip construirt sind. Alle unsere Be-
wegungsmaschinen zu Wasser und zu Lande, die Locomotiven, Wagen
und alle Art Fuhrwerke, die Schiffe, Nachen u. s. w., ebenso sehr
viele andere mechanisch wirkende Instrumente sind nach diesem
Grundprincip gebaut. Vor Allem wird die Vorwärtsbewegung in einer
bestimmten Richtung, mit einem constanten Körperende voran, durch
keine andere mögliche Grundform so sicher bewerkstelligt, als durch
die Eudipleuren-Form.

Daher hat sich die Eudipleuren-Form in dem bei weitem grössten
Theile aller Thier-Personen mehr oder minder vollkommen rein aus-
gebildet, obwohl häufig einerseits in die dysdipleure, andererseits in
die eutetrapleure und selbst in die tetrarithme Grundform übergehend
(Cestoden!). Wenn wir von geringeren (besonders im inneren Bau
hervortretenden) Differenzen der rechten und linken Seitenhälfte absehen,
so finden wir die Eudipleuren-Form bei den Personen der allermei-
sten Wirbelthiere, Arthropoden und Mollusken, bei den höchststehen-
den Würmern, einzelnen Echinodermen-Ammen und Coelenteraten
(Siphonophoren). Ausgenommen sind von den Wirbelthieren die dys-
dipleuren Pleuronectiden, von den Arthropoden einige schmarotzende
oder an bestimmte Wohnorte angepasste Formen (Pagurus), von den

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[521/0560] Einpaarige Grundformen. Dipleura. Erste Unterart der Dipleuren: Gleichhälftige Einpaarige. Eudipleura. (Dipleura homopleura.) (Bilateral-symmetrische Formen in der fünften (engsten) Bedeutung des Begriffes.) Stereometrische Grundform: Einfach-gleichschenkelige Pyramide (mit zwei symmetrisch-gleichen Seitenhälften). Realer Typus: Homo (oder Fumaria) Taf. I, Fig. 14. Die Eudipleuren oder die vollkommen symmetrisch-gleichseitigen und zweizähligen Formen dürfen als die vollkommensten aller orga- nischen Formen angesehen werden. Offenbar sind mit der Zusammen- setzung des Körpers aus nur zwei Antimeren, die symmetrisch-gleich sind, eine Menge Vortheile verbunden, die jeder anderen Form ab- gehen. Diese Vortheile sind grösstentheils mechanischer Natur und kommen namentlich der freien und allseitigen Bewegung des Körpers sehr zu Statten. Sehen wir doch nicht allein, dass die meisten frei- beweglichen, vollkommeneren Organismen und namentlich alle höheren Thiere, welche sich auf dem Festlande bewegen, fast ohne Ausnahme nach der Eudipleuren-Form gebaut sind, (besonders die meisten Wirbel- thiere, Gliederfüsser und Weichthiere), sondern dass auch alle voll- kommeneren und selbst die unvollkommeneren Maschinen, welche der Mensch zum Zwecke der Ortsbewegung erfunden und gebaut hat, unbewusst nach demselben Princip construirt sind. Alle unsere Be- wegungsmaschinen zu Wasser und zu Lande, die Locomotiven, Wagen und alle Art Fuhrwerke, die Schiffe, Nachen u. s. w., ebenso sehr viele andere mechanisch wirkende Instrumente sind nach diesem Grundprincip gebaut. Vor Allem wird die Vorwärtsbewegung in einer bestimmten Richtung, mit einem constanten Körperende voran, durch keine andere mögliche Grundform so sicher bewerkstelligt, als durch die Eudipleuren-Form. Daher hat sich die Eudipleuren-Form in dem bei weitem grössten Theile aller Thier-Personen mehr oder minder vollkommen rein aus- gebildet, obwohl häufig einerseits in die dysdipleure, andererseits in die eutetrapleure und selbst in die tetrarithme Grundform übergehend (Cestoden!). Wenn wir von geringeren (besonders im inneren Bau hervortretenden) Differenzen der rechten und linken Seitenhälfte absehen, so finden wir die Eudipleuren-Form bei den Personen der allermei- sten Wirbelthiere, Arthropoden und Mollusken, bei den höchststehen- den Würmern, einzelnen Echinodermen-Ammen und Coelenteraten (Siphonophoren). Ausgenommen sind von den Wirbelthieren die dys- dipleuren Pleuronectiden, von den Arthropoden einige schmarotzende oder an bestimmte Wohnorte angepasste Formen (Pagurus), von den

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/560>, abgerufen am 24.11.2024.