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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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Verhältniss der Morphologie zu den anderen Naturwissenschaften.

So gut wir nun auch nach dieser Erörterung im Stande sind,
die beiden Hauptzweige der Chemie, den statischen und dynamischen,
den beiden selbstständigen Naturwissenschaften der Statik und Dyna-
mik unterzuordnen, und so sehr sich einerseits die Vereinigung der
Morphologie mit der Chemie der Substrate und andererseits die Ver-
schmelzung der Physik mit der Chemie der Processe rechtfertigen
lässt, so können wir doch nicht umhin, auch die beiden anderen, vor-
her angeführten Auffassungsweisen als ebenfalls in ihrer Weise berech-
tigt anzuerkennen. Es zeigt sieh hierin wieder der innige Zusammen-
hang, indem alle diese einzelnen naturwissenschaftlichen Disciplinen
unter einander stehen; und es zeigt sich zugleich, dass alle unsere
künstlichen Eintheilungs-Versuche subjectiver Natur sind und der be-
schränkten Stellung entspringen, welche das menschliche Erkenntniss-
Vermögen dem inneren Wesen der Naturkörper gegenüber einnimmt.

Mögen wir nun die Chemie als die oberste und umfassendste Na-
turwissenschaft betrachten, der die beiden gleichwerthigen Disciplinen
der Statik (Morphologie) und Dynamik (Physik) untergeordnet sind --
oder mögen wir Chemie, Physik und Morphologie, entsprechend den
drei Grundeigenschaften der Naturkörper, Stoff, Kraft und Form, als
drei coordinirte Hauptlehren der Gesammtnaturwissenschaft ansehen --
oder mögen wir endlich nur die Statik und Dynamik als solche be-
trachten, und die Chemie der Substrate mit der Morphologie, die Che-
mie der Processe mit der Physik als untergeordnete Disciplin vereini-
gen, stets wird uns überall das innige Wechselverhältniss dieser ver-
schiedenen Hauptzweige der Naturwissenschaft entgegentreten. Diese
Beziehungen sind so innig, wie das Verhältniss, welches zwischen Stoff,
Form und Kraft der Naturkörper selbst überall stattfindet. Wir sind
als Menschen nicht vermögend, uns eine Materie ohne Kraft und ohne
Form (sei letztere auch nur aus Aggregatszustand und Raum zusam-
mengesetzt) vorzustellen; ebenso wenig können wir eine Kraft begrei-
fen, welche ausserhalb der Materie steht und nie als Form in die
Erscheinung tritt; ebenso wenig endlich können wir uns einen Natur-
körper (keinen mathematischen Körper!) denken, welcher bloss als
Form und nicht zugleich als Stoff und Kraft uns entgegentritt. Auf
dem organischen, wie auf dem anorganischen Gebiete müssen stets
Stoff, Form und Kraft zusammenwirken, um uns den Naturkörper zur
vollständigen Anschauung zu bringen.

Ohne die innigen Wechselbeziehungen zwischen den eben behan-
delten Wissenschaften zu verkennen, erscheint doch behufs klaren Ver-
ständnisses eine scharfe Begriffsbestimmung und Abgrenzung ihres Ge-
biets sehr wünschenswerth. Vielleicht dürfte es sich nun in dieser
Beziehung empfehlen, die Morphologie der Naturkörper im weitesten
Sinne (mit Einbegriff der Chemie der Substrate) ausschliesslich mit

Verhältniss der Morphologie zu den anderen Naturwissenschaften.

So gut wir nun auch nach dieser Erörterung im Stande sind,
die beiden Hauptzweige der Chemie, den statischen und dynamischen,
den beiden selbstständigen Naturwissenschaften der Statik und Dyna-
mik unterzuordnen, und so sehr sich einerseits die Vereinigung der
Morphologie mit der Chemie der Substrate und andererseits die Ver-
schmelzung der Physik mit der Chemie der Processe rechtfertigen
lässt, so können wir doch nicht umhin, auch die beiden anderen, vor-
her angeführten Auffassungsweisen als ebenfalls in ihrer Weise berech-
tigt anzuerkennen. Es zeigt sieh hierin wieder der innige Zusammen-
hang, indem alle diese einzelnen naturwissenschaftlichen Disciplinen
unter einander stehen; und es zeigt sich zugleich, dass alle unsere
künstlichen Eintheilungs-Versuche subjectiver Natur sind und der be-
schränkten Stellung entspringen, welche das menschliche Erkenntniss-
Vermögen dem inneren Wesen der Naturkörper gegenüber einnimmt.

Mögen wir nun die Chemie als die oberste und umfassendste Na-
turwissenschaft betrachten, der die beiden gleichwerthigen Disciplinen
der Statik (Morphologie) und Dynamik (Physik) untergeordnet sind —
oder mögen wir Chemie, Physik und Morphologie, entsprechend den
drei Grundeigenschaften der Naturkörper, Stoff, Kraft und Form, als
drei coordinirte Hauptlehren der Gesammtnaturwissenschaft ansehen —
oder mögen wir endlich nur die Statik und Dynamik als solche be-
trachten, und die Chemie der Substrate mit der Morphologie, die Che-
mie der Processe mit der Physik als untergeordnete Disciplin vereini-
gen, stets wird uns überall das innige Wechselverhältniss dieser ver-
schiedenen Hauptzweige der Naturwissenschaft entgegentreten. Diese
Beziehungen sind so innig, wie das Verhältniss, welches zwischen Stoff,
Form und Kraft der Naturkörper selbst überall stattfindet. Wir sind
als Menschen nicht vermögend, uns eine Materie ohne Kraft und ohne
Form (sei letztere auch nur aus Aggregatszustand und Raum zusam-
mengesetzt) vorzustellen; ebenso wenig können wir eine Kraft begrei-
fen, welche ausserhalb der Materie steht und nie als Form in die
Erscheinung tritt; ebenso wenig endlich können wir uns einen Natur-
körper (keinen mathematischen Körper!) denken, welcher bloss als
Form und nicht zugleich als Stoff und Kraft uns entgegentritt. Auf
dem organischen, wie auf dem anorganischen Gebiete müssen stets
Stoff, Form und Kraft zusammenwirken, um uns den Naturkörper zur
vollständigen Anschauung zu bringen.

Ohne die innigen Wechselbeziehungen zwischen den eben behan-
delten Wissenschaften zu verkennen, erscheint doch behufs klaren Ver-
ständnisses eine scharfe Begriffsbestimmung und Abgrenzung ihres Ge-
biets sehr wünschenswerth. Vielleicht dürfte es sich nun in dieser
Beziehung empfehlen, die Morphologie der Naturkörper im weitesten
Sinne (mit Einbegriff der Chemie der Substrate) ausschliesslich mit

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[16/0055] Verhältniss der Morphologie zu den anderen Naturwissenschaften. So gut wir nun auch nach dieser Erörterung im Stande sind, die beiden Hauptzweige der Chemie, den statischen und dynamischen, den beiden selbstständigen Naturwissenschaften der Statik und Dyna- mik unterzuordnen, und so sehr sich einerseits die Vereinigung der Morphologie mit der Chemie der Substrate und andererseits die Ver- schmelzung der Physik mit der Chemie der Processe rechtfertigen lässt, so können wir doch nicht umhin, auch die beiden anderen, vor- her angeführten Auffassungsweisen als ebenfalls in ihrer Weise berech- tigt anzuerkennen. Es zeigt sieh hierin wieder der innige Zusammen- hang, indem alle diese einzelnen naturwissenschaftlichen Disciplinen unter einander stehen; und es zeigt sich zugleich, dass alle unsere künstlichen Eintheilungs-Versuche subjectiver Natur sind und der be- schränkten Stellung entspringen, welche das menschliche Erkenntniss- Vermögen dem inneren Wesen der Naturkörper gegenüber einnimmt. Mögen wir nun die Chemie als die oberste und umfassendste Na- turwissenschaft betrachten, der die beiden gleichwerthigen Disciplinen der Statik (Morphologie) und Dynamik (Physik) untergeordnet sind — oder mögen wir Chemie, Physik und Morphologie, entsprechend den drei Grundeigenschaften der Naturkörper, Stoff, Kraft und Form, als drei coordinirte Hauptlehren der Gesammtnaturwissenschaft ansehen — oder mögen wir endlich nur die Statik und Dynamik als solche be- trachten, und die Chemie der Substrate mit der Morphologie, die Che- mie der Processe mit der Physik als untergeordnete Disciplin vereini- gen, stets wird uns überall das innige Wechselverhältniss dieser ver- schiedenen Hauptzweige der Naturwissenschaft entgegentreten. Diese Beziehungen sind so innig, wie das Verhältniss, welches zwischen Stoff, Form und Kraft der Naturkörper selbst überall stattfindet. Wir sind als Menschen nicht vermögend, uns eine Materie ohne Kraft und ohne Form (sei letztere auch nur aus Aggregatszustand und Raum zusam- mengesetzt) vorzustellen; ebenso wenig können wir eine Kraft begrei- fen, welche ausserhalb der Materie steht und nie als Form in die Erscheinung tritt; ebenso wenig endlich können wir uns einen Natur- körper (keinen mathematischen Körper!) denken, welcher bloss als Form und nicht zugleich als Stoff und Kraft uns entgegentritt. Auf dem organischen, wie auf dem anorganischen Gebiete müssen stets Stoff, Form und Kraft zusammenwirken, um uns den Naturkörper zur vollständigen Anschauung zu bringen. Ohne die innigen Wechselbeziehungen zwischen den eben behan- delten Wissenschaften zu verkennen, erscheint doch behufs klaren Ver- ständnisses eine scharfe Begriffsbestimmung und Abgrenzung ihres Ge- biets sehr wünschenswerth. Vielleicht dürfte es sich nun in dieser Beziehung empfehlen, die Morphologie der Naturkörper im weitesten Sinne (mit Einbegriff der Chemie der Substrate) ausschliesslich mit

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/55>, abgerufen am 24.11.2024.