Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

Bild:
<< vorherige Seite

Schienige Grundformen. Amphipleura.
bilateralen oder irregulären Echinodermen, und im Pflanzenreiche, wo
die irregulären oder symmetrischen Blüthen der fünfzähligen Dicoty-
ledonen nach dieser Grundform gebaut sind, ist sie schon vielfach
Gegenstand der Untersuchung gewesen, aber wegen mangelnder oder
ungenügender Berücksichtigung der Axen und ihrer Pole niemals in
ihrem Wesen richtig erkannt worden. Und doch ist gerade das Ver-
ständniss dieser Grundform, sobald man letztere gehörig berücksich-
tigt und die Antimeren-Differenzirung ins Auge fasst, ebenso leicht
als interessant. (Vergl. Taf. I, Fig. 7, nebst Erklärung).

Die allgemeine stereometrische Grundform der fünfstrahligen
Amphipleuren ist die Hälfte einer zehnseitigen amphithecten
Pyramide.
Es ist diese Form stets aus fünf ungleichen Antimeren
zusammengesetzt, die sich so beiderseits der Medianebene gruppiren,
dass der Körper aus zwei symmetrisch gleichen Hälften zusammen-
gesetzt erscheint. Die Antimeren vertheilen sich auf zwei hinter ein-
ander liegende Paare und ein vor ihnen in der Mitte liegendes un-
paares Stück. Wenn wir von der Betrachtung der Echinodermen
ausgehen, so gewinnen wir feste Bezeichnungen für jedes der fünf
Antimeren, die wir dann auf die entsprechenden Stücke der Dicotyle-
donen-Blüthen übertragen können. 1)

Dasjenige Antimer, welches den vier anderen paarigen als un-
paares
gegenübersteht, liegt bei den amphipleuren Echinodermen in der
Mitte der Bauchseite und kann daher als ventrales bezeichnet werden
(Fig. 7, ci1r1 i2). Die zunächst an dieses anstossenden beiden mittleren
Antimeren (r2 und r5) werden dann passend als laterales Paar, und
endlich die beiden folgenden, dem unpaaren gerade gegenüberstehenden
als dorsales Paar bezeichnet (r3 und r4). An jedem der beiden
Paare kann dann weiter ein rechtes und linkes Stück unterschieden
werden. Die Summe des ventralen und der beiden lateralen Antime-
ren wird bei den Echinodermen als Trivium, das dorsale Paar im
Gegensatz dazu als Bivium bezeichnet.

Das unpaare oder ventrale Antimer ist, für sich allein betrachtet,
eudipleurisch, während jedes der vier anderen in der Regel dysdi-
pleurisch ist. Die beiden Stücke jedes Paares sind unter sich sym-
metrisch gleich. Jedes Stück eines Paares ist ähnlich jedem des
anderen und zwar positiv ähnlich dem auf derselben, negativ ähnlich
dem auf der entgegengesetzten Seite liegenden Antimer des anderen
Paares. Das ventrale Antimer ist meist sehr auffallend von den vier

1) Ueber die Begründung der im Folgenden angewandten, hier als festge-
stellt vorausgesetzten Auffassung und anatomischen Deutung der Echinodermen-
Theile, sowie über ihre allgemeine Topographie und Orismologie ist mein Auf-
satz über die Grundformen der Echinodermen nachzusehen.

Schienige Grundformen. Amphipleura.
bilateralen oder irregulären Echinodermen, und im Pflanzenreiche, wo
die irregulären oder symmetrischen Blüthen der fünfzähligen Dicoty-
ledonen nach dieser Grundform gebaut sind, ist sie schon vielfach
Gegenstand der Untersuchung gewesen, aber wegen mangelnder oder
ungenügender Berücksichtigung der Axen und ihrer Pole niemals in
ihrem Wesen richtig erkannt worden. Und doch ist gerade das Ver-
ständniss dieser Grundform, sobald man letztere gehörig berücksich-
tigt und die Antimeren-Differenzirung ins Auge fasst, ebenso leicht
als interessant. (Vergl. Taf. I, Fig. 7, nebst Erklärung).

Die allgemeine stereometrische Grundform der fünfstrahligen
Amphipleuren ist die Hälfte einer zehnseitigen amphithecten
Pyramide.
Es ist diese Form stets aus fünf ungleichen Antimeren
zusammengesetzt, die sich so beiderseits der Medianebene gruppiren,
dass der Körper aus zwei symmetrisch gleichen Hälften zusammen-
gesetzt erscheint. Die Antimeren vertheilen sich auf zwei hinter ein-
ander liegende Paare und ein vor ihnen in der Mitte liegendes un-
paares Stück. Wenn wir von der Betrachtung der Echinodermen
ausgehen, so gewinnen wir feste Bezeichnungen für jedes der fünf
Antimeren, die wir dann auf die entsprechenden Stücke der Dicotyle-
donen-Blüthen übertragen können. 1)

Dasjenige Antimer, welches den vier anderen paarigen als un-
paares
gegenübersteht, liegt bei den amphipleuren Echinodermen in der
Mitte der Bauchseite und kann daher als ventrales bezeichnet werden
(Fig. 7, ci1r1 i2). Die zunächst an dieses anstossenden beiden mittleren
Antimeren (r2 und r5) werden dann passend als laterales Paar, und
endlich die beiden folgenden, dem unpaaren gerade gegenüberstehenden
als dorsales Paar bezeichnet (r3 und r4). An jedem der beiden
Paare kann dann weiter ein rechtes und linkes Stück unterschieden
werden. Die Summe des ventralen und der beiden lateralen Antime-
ren wird bei den Echinodermen als Trivium, das dorsale Paar im
Gegensatz dazu als Bivium bezeichnet.

Das unpaare oder ventrale Antimer ist, für sich allein betrachtet,
eudipleurisch, während jedes der vier anderen in der Regel dysdi-
pleurisch ist. Die beiden Stücke jedes Paares sind unter sich sym-
metrisch gleich. Jedes Stück eines Paares ist ähnlich jedem des
anderen und zwar positiv ähnlich dem auf derselben, negativ ähnlich
dem auf der entgegengesetzten Seite liegenden Antimer des anderen
Paares. Das ventrale Antimer ist meist sehr auffallend von den vier

1) Ueber die Begründung der im Folgenden angewandten, hier als festge-
stellt vorausgesetzten Auffassung und anatomischen Deutung der Echinodermen-
Theile, sowie über ihre allgemeine Topographie und Orismologie ist mein Auf-
satz über die Grundformen der Echinodermen nachzusehen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0542" n="503"/><fw place="top" type="header">Schienige Grundformen. Amphipleura.</fw><lb/>
bilateralen oder irregulären Echinodermen, und im Pflanzenreiche, wo<lb/>
die irregulären oder symmetrischen Blüthen der fünfzähligen Dicoty-<lb/>
ledonen nach dieser Grundform gebaut sind, ist sie schon vielfach<lb/>
Gegenstand der Untersuchung gewesen, aber wegen mangelnder oder<lb/>
ungenügender Berücksichtigung der Axen und ihrer Pole niemals in<lb/>
ihrem Wesen richtig erkannt worden. Und doch ist gerade das Ver-<lb/>
ständniss dieser Grundform, sobald man letztere gehörig berücksich-<lb/>
tigt und die Antimeren-Differenzirung ins Auge fasst, ebenso leicht<lb/>
als interessant. (Vergl. Taf. I, Fig. 7, nebst Erklärung).</p><lb/>
            <p>Die allgemeine stereometrische Grundform der fünfstrahligen<lb/>
Amphipleuren ist die <hi rendition="#g">Hälfte einer zehnseitigen amphithecten<lb/>
Pyramide.</hi> Es ist diese Form stets aus fünf ungleichen Antimeren<lb/>
zusammengesetzt, die sich so beiderseits der Medianebene gruppiren,<lb/>
dass der Körper aus zwei symmetrisch gleichen Hälften zusammen-<lb/>
gesetzt erscheint. Die Antimeren vertheilen sich auf zwei hinter ein-<lb/>
ander liegende Paare und ein vor ihnen in der Mitte liegendes un-<lb/>
paares Stück. Wenn wir von der Betrachtung der Echinodermen<lb/>
ausgehen, so gewinnen wir feste Bezeichnungen für jedes der fünf<lb/>
Antimeren, die wir dann auf die entsprechenden Stücke der Dicotyle-<lb/>
donen-Blüthen übertragen können. <note place="foot" n="1)">Ueber die Begründung der im Folgenden angewandten, hier als festge-<lb/>
stellt vorausgesetzten Auffassung und anatomischen Deutung der Echinodermen-<lb/>
Theile, sowie über ihre allgemeine Topographie und Orismologie ist mein Auf-<lb/>
satz über die Grundformen der Echinodermen nachzusehen.</note></p><lb/>
            <p>Dasjenige Antimer, welches den vier anderen paarigen als <hi rendition="#g">un-<lb/>
paares</hi> gegenübersteht, liegt bei den amphipleuren Echinodermen in der<lb/>
Mitte der Bauchseite und kann daher als <hi rendition="#g">ventrales</hi> bezeichnet werden<lb/>
(Fig. 7, ci<hi rendition="#sub">1</hi>r<hi rendition="#sub">1</hi> i<hi rendition="#sub">2</hi>). Die zunächst an dieses anstossenden beiden <hi rendition="#g">mittleren</hi><lb/>
Antimeren (r<hi rendition="#sub">2</hi> und r<hi rendition="#sub">5</hi>) werden dann passend als <hi rendition="#g">laterales</hi> Paar, und<lb/>
endlich die beiden folgenden, dem unpaaren gerade gegenüberstehenden<lb/>
als <hi rendition="#g">dorsales</hi> Paar bezeichnet (r<hi rendition="#sub">3</hi> und r<hi rendition="#sub">4</hi>). An jedem der beiden<lb/>
Paare kann dann weiter ein rechtes und linkes Stück unterschieden<lb/>
werden. Die Summe des ventralen und der beiden lateralen Antime-<lb/>
ren wird bei den Echinodermen als Trivium, das dorsale Paar im<lb/>
Gegensatz dazu als Bivium bezeichnet.</p><lb/>
            <p>Das unpaare oder ventrale Antimer ist, für sich allein betrachtet,<lb/>
eudipleurisch, während jedes der vier anderen in der Regel dysdi-<lb/>
pleurisch ist. Die beiden Stücke jedes Paares sind unter sich sym-<lb/>
metrisch gleich. Jedes Stück eines Paares ist ähnlich jedem des<lb/>
anderen und zwar positiv ähnlich dem auf derselben, negativ ähnlich<lb/>
dem auf der entgegengesetzten Seite liegenden Antimer des anderen<lb/>
Paares. Das ventrale Antimer ist meist sehr auffallend von den vier<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[503/0542] Schienige Grundformen. Amphipleura. bilateralen oder irregulären Echinodermen, und im Pflanzenreiche, wo die irregulären oder symmetrischen Blüthen der fünfzähligen Dicoty- ledonen nach dieser Grundform gebaut sind, ist sie schon vielfach Gegenstand der Untersuchung gewesen, aber wegen mangelnder oder ungenügender Berücksichtigung der Axen und ihrer Pole niemals in ihrem Wesen richtig erkannt worden. Und doch ist gerade das Ver- ständniss dieser Grundform, sobald man letztere gehörig berücksich- tigt und die Antimeren-Differenzirung ins Auge fasst, ebenso leicht als interessant. (Vergl. Taf. I, Fig. 7, nebst Erklärung). Die allgemeine stereometrische Grundform der fünfstrahligen Amphipleuren ist die Hälfte einer zehnseitigen amphithecten Pyramide. Es ist diese Form stets aus fünf ungleichen Antimeren zusammengesetzt, die sich so beiderseits der Medianebene gruppiren, dass der Körper aus zwei symmetrisch gleichen Hälften zusammen- gesetzt erscheint. Die Antimeren vertheilen sich auf zwei hinter ein- ander liegende Paare und ein vor ihnen in der Mitte liegendes un- paares Stück. Wenn wir von der Betrachtung der Echinodermen ausgehen, so gewinnen wir feste Bezeichnungen für jedes der fünf Antimeren, die wir dann auf die entsprechenden Stücke der Dicotyle- donen-Blüthen übertragen können. 1) Dasjenige Antimer, welches den vier anderen paarigen als un- paares gegenübersteht, liegt bei den amphipleuren Echinodermen in der Mitte der Bauchseite und kann daher als ventrales bezeichnet werden (Fig. 7, ci1r1 i2). Die zunächst an dieses anstossenden beiden mittleren Antimeren (r2 und r5) werden dann passend als laterales Paar, und endlich die beiden folgenden, dem unpaaren gerade gegenüberstehenden als dorsales Paar bezeichnet (r3 und r4). An jedem der beiden Paare kann dann weiter ein rechtes und linkes Stück unterschieden werden. Die Summe des ventralen und der beiden lateralen Antime- ren wird bei den Echinodermen als Trivium, das dorsale Paar im Gegensatz dazu als Bivium bezeichnet. Das unpaare oder ventrale Antimer ist, für sich allein betrachtet, eudipleurisch, während jedes der vier anderen in der Regel dysdi- pleurisch ist. Die beiden Stücke jedes Paares sind unter sich sym- metrisch gleich. Jedes Stück eines Paares ist ähnlich jedem des anderen und zwar positiv ähnlich dem auf derselben, negativ ähnlich dem auf der entgegengesetzten Seite liegenden Antimer des anderen Paares. Das ventrale Antimer ist meist sehr auffallend von den vier 1) Ueber die Begründung der im Folgenden angewandten, hier als festge- stellt vorausgesetzten Auffassung und anatomischen Deutung der Echinodermen- Theile, sowie über ihre allgemeine Topographie und Orismologie ist mein Auf- satz über die Grundformen der Echinodermen nachzusehen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/542
Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 503. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/542>, abgerufen am 23.11.2024.