Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

Bild:
<< vorherige Seite

System der organischen Grundformen.
sammengedrückte Magen ist ebenfalls in der Median-Ebene ausgedehnt, so
dass also sein längerer Kreuzdurchmesser und ebenso die Länge der schma-
len Mundspalte von Oben nach Unten, vom Rücken zum Bauch verläuft.
Nur ist nicht zu vergessen, dass bei allen Ctenophoren die Rücken- von
der Bauch-Seite ebenso wenig verschieden ist, als die rechte von der
linken.

Da alle diejenigen Organe der Ctenophoren, welche unpaar vorhanden
sind (Mund, Magen, Sinnesorgan) und ebenso alle diejenigen Organe, welche
paarig vorhanden sind, in einer der beiden interradialen Richtebenen liegen,
so ergiebt sich, dass alle 4 Quadranten genau dieselbe Anzahl von Or-
ganen und Organtheilen enthalten, und mithin vollkommen gleich sind, nur
mit der Differenz, dass je 2 anstossende Quadranten symmetrisch-gleich, je
2 gegenständige congruent sind. Jeder Quadrant aber besteht aus zwei
ungleichen Antimeren, von denen zwar jedes einen radialen Nerven, ein
radiales Chylusgefäss, eine radiale Wimperrippe, eine radiale Doppelreihe
von Genitalien besitzt, von denen aber das eine (laterale) durch einen hal-
ben interradialen Senkfaden, ein halbes interradiales Magengefäss und
Hauptstammgefäss u. s. w. an seiner lateralen (die Breiten-Richtebene bil-
denden) Grenzebene ausgezeichnet ist, während das andere (dorsale oder
ventrale) einen halben interradialen Mundlappen, ein halbes interradiales
Trichtergefäss u. s. w. an seiner sagittalen (die Median-Richtebene bilden-
den) Grenzebene besitzt.

Es zeigt sich also bei genauerer Betrachtung der Ctenophoren-Körper
in der Weise aus 4 Antimeren-Paaren zusammengesetzt, dass sämmtliche
Organe des Körpers in jedem Antimeren-Paare oder Quadranten entweder
doppelt oder einfach oder halb oder geviertheilt vorhanden sind, während
jedes einzelne Antimer, für sich betrachtet, unvollständig erscheint. Es
könnte mithin die Frage aufgeworfen werden, ob wir die Ctenophoren nicht
vielmehr, gleich den Hydromedusen, als vierzählige Thiere ansehen sollen,
bei denen aber, wie es schon bei den Saphenien, Stomotoken etc. ange-
deutet ist, durch Differenzirung der Kreuzaxen aus 4 congruenten Anti-
meren 2 congruente Paare von je 2 symmetrisch-gleichen Antimeren ent-
standen sind. Dem steht aber einerseits der Umstand entgegen, dass die
Ctenophoren den achtstrahligen Alcyonarien durch ihren Bau näher ver-
wandt sind, als den vierstrahligen Hydromedusen, und andererseits die
Differenz, dass bei den heterostauren Medusen (Saphenia, Stomotoca etc.)
die beiden Richtebenen durch die beiden radialen, bei den Ctenophoren
dagegen durch 2 interradiale Kreuzebenen gebildet werden. Wenigstens
scheint der sicherste Anhaltpunkt dafür, dass die in den Richtebenen der
Ctenophoren angebrachten paarigen oder unpaaren (centralen) Organe in-
terradial sind, in den zwischen ihnen liegenden Chyluscanälen und den sie
begleitenden Organen, Nerven, Genitalien etc. gegeben zu sein, die wir all-
gemein bei den Coelenteraten als "radiale" anzusehen berechtigt sind.
Wollte man die Richtebenen der Ctenophoren als "radiale" Kreuzebenen
auffassen, gleich denen der Hydromedusen, so müsste man annehmen, dass
die 4 Radialcanäle und die sie begleitenden Organe sich derart gabelspaltig
getheilt hätten, dass die beiden Aeste jeder Gabel weit von der Mittel-

System der organischen Grundformen.
sammengedrückte Magen ist ebenfalls in der Median-Ebene ausgedehnt, so
dass also sein längerer Kreuzdurchmesser und ebenso die Länge der schma-
len Mundspalte von Oben nach Unten, vom Rücken zum Bauch verläuft.
Nur ist nicht zu vergessen, dass bei allen Ctenophoren die Rücken- von
der Bauch-Seite ebenso wenig verschieden ist, als die rechte von der
linken.

Da alle diejenigen Organe der Ctenophoren, welche unpaar vorhanden
sind (Mund, Magen, Sinnesorgan) und ebenso alle diejenigen Organe, welche
paarig vorhanden sind, in einer der beiden interradialen Richtebenen liegen,
so ergiebt sich, dass alle 4 Quadranten genau dieselbe Anzahl von Or-
ganen und Organtheilen enthalten, und mithin vollkommen gleich sind, nur
mit der Differenz, dass je 2 anstossende Quadranten symmetrisch-gleich, je
2 gegenständige congruent sind. Jeder Quadrant aber besteht aus zwei
ungleichen Antimeren, von denen zwar jedes einen radialen Nerven, ein
radiales Chylusgefäss, eine radiale Wimperrippe, eine radiale Doppelreihe
von Genitalien besitzt, von denen aber das eine (laterale) durch einen hal-
ben interradialen Senkfaden, ein halbes interradiales Magengefäss und
Hauptstammgefäss u. s. w. an seiner lateralen (die Breiten-Richtebene bil-
denden) Grenzebene ausgezeichnet ist, während das andere (dorsale oder
ventrale) einen halben interradialen Mundlappen, ein halbes interradiales
Trichtergefäss u. s. w. an seiner sagittalen (die Median-Richtebene bilden-
den) Grenzebene besitzt.

Es zeigt sich also bei genauerer Betrachtung der Ctenophoren-Körper
in der Weise aus 4 Antimeren-Paaren zusammengesetzt, dass sämmtliche
Organe des Körpers in jedem Antimeren-Paare oder Quadranten entweder
doppelt oder einfach oder halb oder geviertheilt vorhanden sind, während
jedes einzelne Antimer, für sich betrachtet, unvollständig erscheint. Es
könnte mithin die Frage aufgeworfen werden, ob wir die Ctenophoren nicht
vielmehr, gleich den Hydromedusen, als vierzählige Thiere ansehen sollen,
bei denen aber, wie es schon bei den Saphenien, Stomotoken etc. ange-
deutet ist, durch Differenzirung der Kreuzaxen aus 4 congruenten Anti-
meren 2 congruente Paare von je 2 symmetrisch-gleichen Antimeren ent-
standen sind. Dem steht aber einerseits der Umstand entgegen, dass die
Ctenophoren den achtstrahligen Alcyonarien durch ihren Bau näher ver-
wandt sind, als den vierstrahligen Hydromedusen, und andererseits die
Differenz, dass bei den heterostauren Medusen (Saphenia, Stomotoca etc.)
die beiden Richtebenen durch die beiden radialen, bei den Ctenophoren
dagegen durch 2 interradiale Kreuzebenen gebildet werden. Wenigstens
scheint der sicherste Anhaltpunkt dafür, dass die in den Richtebenen der
Ctenophoren angebrachten paarigen oder unpaaren (centralen) Organe in-
terradial sind, in den zwischen ihnen liegenden Chyluscanälen und den sie
begleitenden Organen, Nerven, Genitalien etc. gegeben zu sein, die wir all-
gemein bei den Coelenteraten als „radiale“ anzusehen berechtigt sind.
Wollte man die Richtebenen der Ctenophoren als „radiale“ Kreuzebenen
auffassen, gleich denen der Hydromedusen, so müsste man annehmen, dass
die 4 Radialcanäle und die sie begleitenden Organe sich derart gabelspaltig
getheilt hätten, dass die beiden Aeste jeder Gabel weit von der Mittel-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0523" n="484"/><fw place="top" type="header">System der organischen Grundformen.</fw><lb/>
sammengedrückte Magen ist ebenfalls in der Median-Ebene ausgedehnt, so<lb/>
dass also sein längerer Kreuzdurchmesser und ebenso die Länge der schma-<lb/>
len Mundspalte von Oben nach Unten, vom Rücken zum Bauch verläuft.<lb/>
Nur ist nicht zu vergessen, dass bei allen Ctenophoren die Rücken- von<lb/>
der Bauch-Seite ebenso wenig verschieden ist, als die rechte von der<lb/>
linken.</p><lb/>
            <p>Da alle diejenigen Organe der Ctenophoren, welche unpaar vorhanden<lb/>
sind (Mund, Magen, Sinnesorgan) und ebenso alle diejenigen Organe, welche<lb/>
paarig vorhanden sind, in einer der beiden interradialen Richtebenen liegen,<lb/>
so ergiebt sich, dass alle 4 Quadranten genau dieselbe Anzahl von Or-<lb/>
ganen und Organtheilen enthalten, und mithin vollkommen gleich sind, nur<lb/>
mit der Differenz, dass je 2 anstossende Quadranten symmetrisch-gleich, je<lb/>
2 gegenständige congruent sind. Jeder Quadrant aber besteht aus zwei<lb/>
ungleichen Antimeren, von denen zwar jedes einen radialen Nerven, ein<lb/>
radiales Chylusgefäss, eine radiale Wimperrippe, eine radiale Doppelreihe<lb/>
von Genitalien besitzt, von denen aber das eine (laterale) durch einen hal-<lb/>
ben interradialen Senkfaden, ein halbes interradiales Magengefäss und<lb/>
Hauptstammgefäss u. s. w. an seiner lateralen (die Breiten-Richtebene bil-<lb/>
denden) Grenzebene ausgezeichnet ist, während das andere (dorsale oder<lb/>
ventrale) einen halben interradialen Mundlappen, ein halbes interradiales<lb/>
Trichtergefäss u. s. w. an seiner sagittalen (die Median-Richtebene bilden-<lb/>
den) Grenzebene besitzt.</p><lb/>
            <p>Es zeigt sich also bei genauerer Betrachtung der Ctenophoren-Körper<lb/>
in der Weise aus 4 Antimeren-Paaren zusammengesetzt, dass sämmtliche<lb/>
Organe des Körpers in jedem Antimeren-Paare oder Quadranten entweder<lb/>
doppelt oder einfach oder halb oder geviertheilt vorhanden sind, während<lb/>
jedes einzelne Antimer, für sich betrachtet, unvollständig erscheint. Es<lb/>
könnte mithin die Frage aufgeworfen werden, ob wir die Ctenophoren nicht<lb/>
vielmehr, gleich den Hydromedusen, als vierzählige Thiere ansehen sollen,<lb/>
bei denen aber, wie es schon bei den Saphenien, Stomotoken etc. ange-<lb/>
deutet ist, durch Differenzirung der Kreuzaxen aus 4 congruenten Anti-<lb/>
meren 2 congruente Paare von je 2 symmetrisch-gleichen Antimeren ent-<lb/>
standen sind. Dem steht aber einerseits der Umstand entgegen, dass die<lb/>
Ctenophoren den achtstrahligen Alcyonarien durch ihren Bau näher ver-<lb/>
wandt sind, als den vierstrahligen Hydromedusen, und andererseits die<lb/>
Differenz, dass bei den heterostauren Medusen (<hi rendition="#i">Saphenia, Stomotoca</hi> etc.)<lb/>
die beiden Richtebenen durch die beiden radialen, bei den Ctenophoren<lb/>
dagegen durch 2 interradiale Kreuzebenen gebildet werden. Wenigstens<lb/>
scheint der sicherste Anhaltpunkt dafür, dass die in den Richtebenen der<lb/>
Ctenophoren angebrachten paarigen oder unpaaren (centralen) Organe in-<lb/>
terradial sind, in den zwischen ihnen liegenden Chyluscanälen und den sie<lb/>
begleitenden Organen, Nerven, Genitalien etc. gegeben zu sein, die wir all-<lb/>
gemein bei den Coelenteraten als &#x201E;radiale&#x201C; anzusehen berechtigt sind.<lb/>
Wollte man die Richtebenen der Ctenophoren als &#x201E;radiale&#x201C; Kreuzebenen<lb/>
auffassen, gleich denen der Hydromedusen, so müsste man annehmen, dass<lb/>
die 4 Radialcanäle und die sie begleitenden Organe sich derart gabelspaltig<lb/>
getheilt hätten, dass die beiden Aeste jeder Gabel weit von der Mittel-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[484/0523] System der organischen Grundformen. sammengedrückte Magen ist ebenfalls in der Median-Ebene ausgedehnt, so dass also sein längerer Kreuzdurchmesser und ebenso die Länge der schma- len Mundspalte von Oben nach Unten, vom Rücken zum Bauch verläuft. Nur ist nicht zu vergessen, dass bei allen Ctenophoren die Rücken- von der Bauch-Seite ebenso wenig verschieden ist, als die rechte von der linken. Da alle diejenigen Organe der Ctenophoren, welche unpaar vorhanden sind (Mund, Magen, Sinnesorgan) und ebenso alle diejenigen Organe, welche paarig vorhanden sind, in einer der beiden interradialen Richtebenen liegen, so ergiebt sich, dass alle 4 Quadranten genau dieselbe Anzahl von Or- ganen und Organtheilen enthalten, und mithin vollkommen gleich sind, nur mit der Differenz, dass je 2 anstossende Quadranten symmetrisch-gleich, je 2 gegenständige congruent sind. Jeder Quadrant aber besteht aus zwei ungleichen Antimeren, von denen zwar jedes einen radialen Nerven, ein radiales Chylusgefäss, eine radiale Wimperrippe, eine radiale Doppelreihe von Genitalien besitzt, von denen aber das eine (laterale) durch einen hal- ben interradialen Senkfaden, ein halbes interradiales Magengefäss und Hauptstammgefäss u. s. w. an seiner lateralen (die Breiten-Richtebene bil- denden) Grenzebene ausgezeichnet ist, während das andere (dorsale oder ventrale) einen halben interradialen Mundlappen, ein halbes interradiales Trichtergefäss u. s. w. an seiner sagittalen (die Median-Richtebene bilden- den) Grenzebene besitzt. Es zeigt sich also bei genauerer Betrachtung der Ctenophoren-Körper in der Weise aus 4 Antimeren-Paaren zusammengesetzt, dass sämmtliche Organe des Körpers in jedem Antimeren-Paare oder Quadranten entweder doppelt oder einfach oder halb oder geviertheilt vorhanden sind, während jedes einzelne Antimer, für sich betrachtet, unvollständig erscheint. Es könnte mithin die Frage aufgeworfen werden, ob wir die Ctenophoren nicht vielmehr, gleich den Hydromedusen, als vierzählige Thiere ansehen sollen, bei denen aber, wie es schon bei den Saphenien, Stomotoken etc. ange- deutet ist, durch Differenzirung der Kreuzaxen aus 4 congruenten Anti- meren 2 congruente Paare von je 2 symmetrisch-gleichen Antimeren ent- standen sind. Dem steht aber einerseits der Umstand entgegen, dass die Ctenophoren den achtstrahligen Alcyonarien durch ihren Bau näher ver- wandt sind, als den vierstrahligen Hydromedusen, und andererseits die Differenz, dass bei den heterostauren Medusen (Saphenia, Stomotoca etc.) die beiden Richtebenen durch die beiden radialen, bei den Ctenophoren dagegen durch 2 interradiale Kreuzebenen gebildet werden. Wenigstens scheint der sicherste Anhaltpunkt dafür, dass die in den Richtebenen der Ctenophoren angebrachten paarigen oder unpaaren (centralen) Organe in- terradial sind, in den zwischen ihnen liegenden Chyluscanälen und den sie begleitenden Organen, Nerven, Genitalien etc. gegeben zu sein, die wir all- gemein bei den Coelenteraten als „radiale“ anzusehen berechtigt sind. Wollte man die Richtebenen der Ctenophoren als „radiale“ Kreuzebenen auffassen, gleich denen der Hydromedusen, so müsste man annehmen, dass die 4 Radialcanäle und die sie begleitenden Organe sich derart gabelspaltig getheilt hätten, dass die beiden Aeste jeder Gabel weit von der Mittel-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/523
Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/523>, abgerufen am 23.11.2024.