hierher gehörigen Formen sind uns nur zwei Arten bekannt, die achtseitige und die sechsseitige amphithecte Pyramide, von denen die erstere die Grundform der Ctenophoren, die letztere die der Madre- poren und einiger anderer sechszähliger Anthozoen bildet. Oxystaure Autopolen mit zehn, zwölf oder 12 + 2 n Antimeren, die ebenfalls be- sondere Arten bilden würden, scheinen in rein ausgeprägter Form nicht vorzukommen.
Erste Art der oxystauren Autopolen: Achtreifige. Octophragma. (Achtstrahlige gleichpolige Bilateralformen.) Stereometrische Grundform: Achtseitige amphithecte Pyramide. Realer Typus: Eucharis (Taf. I, Fig. 8).
Die sehr characteristische Octophragmen-Form ist von besonderem Interesse als die allgemeine und ausschliessliche Grundform sämmt- licher Ctenophoren. Wie mannichfaltig auch durch die zierlichste Architectonik das Aeussere dieser schönen und gestaltenreichen Thier- klasse modificirt erscheinen mag, stets lässt es sich auf dieselbe ein- fache Grundform zurückführen. Die augenfälligen Abweichungen, welche die Grundform der Ctenophoren von der "regulären" Strahl- thierform der nächstverwandten Hydromedusen und Anthozoen zeigt, haben, wie erwähnt, in neuerer Zeit zu lebhaften Erörterungen ge- führt, die jedoch, ohne ein positives Resultat zu haben, die klare Auffassung derselben eher noch mehr erschwert haben. Nachdem man früher die Ctenophoren bald als rein bilateral-symmetrische Thiere, bald als Uebergangsformen von der bilateralen Symmetrie zur radialen Regularität betrachtet hatte, während sie wieder von Anderen als echte Strahlthiere, und zwar bald als achtstrahlige, bald als vierstrahlige angesehen wurden, erschien vor wenigen Jahren ein diese Frage ausführlicher behandelnder Aufsatz von Fritz Müller "über die angebliche Bilateralsymmetrie der Rippenquallen,"1) worin dieser ausgezeichnete Naturforscher den Nachweis zu führen versuchte, dass die Ctenophoren "zweistrahlige Thiere" seien. Obgleich dieser Arbeit jedenfalls das Verdienst gebührt, die Irrthümer und Widersprüche der früheren Betrachtungsweise schlagend nachgewiesen zu haben, so kann doch die versuchte Lösung der anscheinend so verwickelten Frage nicht als eine glückliche bezeichnet werden. Vielmehr wird sich aus einer einfachen und unbefangenen Betrach- tung der Axenverhältnisse ergeben, dass die Ctenophoren die be- stimmte eigenthümliche Grundform der octophragmen Oxystauren, die
1) Archiv für Naturgeschichte, 1861, XXVII, 1; pag. 320--325.
System der organischen Grundformen.
hierher gehörigen Formen sind uns nur zwei Arten bekannt, die achtseitige und die sechsseitige amphithecte Pyramide, von denen die erstere die Grundform der Ctenophoren, die letztere die der Madre- poren und einiger anderer sechszähliger Anthozoen bildet. Oxystaure Autopolen mit zehn, zwölf oder 12 + 2 n Antimeren, die ebenfalls be- sondere Arten bilden würden, scheinen in rein ausgeprägter Form nicht vorzukommen.
Erste Art der oxystauren Autopolen: Achtreifige. Octophragma. (Achtstrahlige gleichpolige Bilateralformen.) Stereometrische Grundform: Achtseitige amphithecte Pyramide. Realer Typus: Eucharis (Taf. I, Fig. 8).
Die sehr characteristische Octophragmen-Form ist von besonderem Interesse als die allgemeine und ausschliessliche Grundform sämmt- licher Ctenophoren. Wie mannichfaltig auch durch die zierlichste Architectonik das Aeussere dieser schönen und gestaltenreichen Thier- klasse modificirt erscheinen mag, stets lässt es sich auf dieselbe ein- fache Grundform zurückführen. Die augenfälligen Abweichungen, welche die Grundform der Ctenophoren von der „regulären“ Strahl- thierform der nächstverwandten Hydromedusen und Anthozoen zeigt, haben, wie erwähnt, in neuerer Zeit zu lebhaften Erörterungen ge- führt, die jedoch, ohne ein positives Resultat zu haben, die klare Auffassung derselben eher noch mehr erschwert haben. Nachdem man früher die Ctenophoren bald als rein bilateral-symmetrische Thiere, bald als Uebergangsformen von der bilateralen Symmetrie zur radialen Regularität betrachtet hatte, während sie wieder von Anderen als echte Strahlthiere, und zwar bald als achtstrahlige, bald als vierstrahlige angesehen wurden, erschien vor wenigen Jahren ein diese Frage ausführlicher behandelnder Aufsatz von Fritz Müller „über die angebliche Bilateralsymmetrie der Rippenquallen,“1) worin dieser ausgezeichnete Naturforscher den Nachweis zu führen versuchte, dass die Ctenophoren „zweistrahlige Thiere“ seien. Obgleich dieser Arbeit jedenfalls das Verdienst gebührt, die Irrthümer und Widersprüche der früheren Betrachtungsweise schlagend nachgewiesen zu haben, so kann doch die versuchte Lösung der anscheinend so verwickelten Frage nicht als eine glückliche bezeichnet werden. Vielmehr wird sich aus einer einfachen und unbefangenen Betrach- tung der Axenverhältnisse ergeben, dass die Ctenophoren die be- stimmte eigenthümliche Grundform der octophragmen Oxystauren, die
1) Archiv für Naturgeschichte, 1861, XXVII, 1; pag. 320—325.
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System der organischen Grundformen.
hierher gehörigen Formen sind uns nur zwei Arten bekannt, die
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erstere die Grundform der Ctenophoren, die letztere die der Madre-
poren und einiger anderer sechszähliger Anthozoen bildet. Oxystaure
Autopolen mit zehn, zwölf oder 12 + 2 n Antimeren, die ebenfalls be-
sondere Arten bilden würden, scheinen in rein ausgeprägter Form
nicht vorzukommen.
Erste Art der oxystauren Autopolen:
Achtreifige. Octophragma.
(Achtstrahlige gleichpolige Bilateralformen.)
Stereometrische Grundform: Achtseitige amphithecte Pyramide.
Realer Typus: Eucharis (Taf. I, Fig. 8).
Die sehr characteristische Octophragmen-Form ist von besonderem
Interesse als die allgemeine und ausschliessliche Grundform sämmt-
licher Ctenophoren. Wie mannichfaltig auch durch die zierlichste
Architectonik das Aeussere dieser schönen und gestaltenreichen Thier-
klasse modificirt erscheinen mag, stets lässt es sich auf dieselbe ein-
fache Grundform zurückführen. Die augenfälligen Abweichungen,
welche die Grundform der Ctenophoren von der „regulären“ Strahl-
thierform der nächstverwandten Hydromedusen und Anthozoen zeigt,
haben, wie erwähnt, in neuerer Zeit zu lebhaften Erörterungen ge-
führt, die jedoch, ohne ein positives Resultat zu haben, die klare
Auffassung derselben eher noch mehr erschwert haben. Nachdem
man früher die Ctenophoren bald als rein bilateral-symmetrische
Thiere, bald als Uebergangsformen von der bilateralen Symmetrie
zur radialen Regularität betrachtet hatte, während sie wieder von
Anderen als echte Strahlthiere, und zwar bald als achtstrahlige, bald
als vierstrahlige angesehen wurden, erschien vor wenigen Jahren ein
diese Frage ausführlicher behandelnder Aufsatz von Fritz Müller
„über die angebliche Bilateralsymmetrie der Rippenquallen,“ 1) worin
dieser ausgezeichnete Naturforscher den Nachweis zu führen versuchte,
dass die Ctenophoren „zweistrahlige Thiere“ seien. Obgleich
dieser Arbeit jedenfalls das Verdienst gebührt, die Irrthümer und
Widersprüche der früheren Betrachtungsweise schlagend nachgewiesen
zu haben, so kann doch die versuchte Lösung der anscheinend so
verwickelten Frage nicht als eine glückliche bezeichnet werden.
Vielmehr wird sich aus einer einfachen und unbefangenen Betrach-
tung der Axenverhältnisse ergeben, dass die Ctenophoren die be-
stimmte eigenthümliche Grundform der octophragmen Oxystauren, die
1) Archiv für Naturgeschichte, 1861, XXVII, 1; pag. 320—325.
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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/521>, abgerufen am 23.11.2024.
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