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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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System der organischen Grundformen.
zwei und zwei congruent sind. Bei den Centrostigmen endlich
sind mehrere, mindestens drei Halbirungsebenen vorhanden, welche
alle nur einen Punkt, den Mittelpunkt, gemeinsam haben, sonst aber
in allen möglichen Richtungen des Raumes liegen können. Der Kör-
per besteht hier stets aus mehreren, mindestens aus vier congruenten
oder doch nahezu congruenten, seltener bloss ähnlichen Theilstücken.

Nach diesen fundamentalen und sehr wichtigen Unterschieden in
den Beziehungen aller Körpertheile zu einer gemeinsamen Mitte zer-
fallen also die sämmtlichen Centromorphen oder Axonien in die drei
principalen Formengruppen der Centrostigmen, Centraxonien und
Centrepipeden (Zeugiten). Wenn wir nun die weiteren Unterschiede
der zahlreichen Grundformen, die hierher gehören, richtig erkennen
und würdigen wollen, so müssen wir zunächst die Eigenschaften der
Axen ihres Körpers und demnächst der Pole dieser Axen näher be-
stimmen. In dieser Beziehung lassen sich nun sämmtliche Axonien
oder Centromorphen in zwei Hauptgruppen vertheilen, in Gleichaxige
(Homaxonia)
und in Ungleichaxige (Heteraxonia). Bei den
ersteren sind alle Axen, die sich durch die Mitte des Körpers legen
lassen, absolut gleich, bei den letzteren dagegen ungleich. Die Zahl
der gleichen Axen, die durch die Mitte gelegt werden können, ist
zugleich bei ersteren unendlich gross, bei letzteren beschränkt. Die
Homaxonform kann nur eine einzige sein, die Kugel, während die
Heteraxonform äusserst mannichfaltig differenzirt ist. Die Homaxonien
und die Heteraxonien, als die beiden ursprünglichsten und allgemein-
sten Formarten der organisirten centromorphen Materie, entsprechen
zugleich den beiden ursprünglichsten und allgemeinsten Gestaltungs-
weisen, in welchen der nicht organisirte geformte Stoff im flüssigen
und im festen Aggregatzustande auftreten kann, der Kugel und dem
Krystall. Die Kugelform, welche das Anorgan im tropfbar flüssigen
Aggregatzustande und im vollkommenen Gleichgewicht als Tropfen
zeigt, ist dieselbe, welche der homaxonie Organismus insbesondere
auf der ersten Formstufe als festflüssige Plastide so oft annimmt.
Die Heteraxonform der Organismen lässt sich stets auf gewisse ein-
fache geometrische Grundformen zurückführen, welche den Krystall-
formen der festen Mineralien entsprechen und zum Theil sogar mit
diesen identisch sind.

Erste Unterklasse der Axonien oder Centromorphen.
Gleichaxige. Homaxonia.
Stereometrische Grundform: Kugel.
Realer Typus: Sphaerozoum (oder Volvox).

Die Eigenschaften der Kugel, welche die einzig mögliche Hom-
axonform und zugleich der einzige absolut reguläre Körper ist, sind

System der organischen Grundformen.
zwei und zwei congruent sind. Bei den Centrostigmen endlich
sind mehrere, mindestens drei Halbirungsebenen vorhanden, welche
alle nur einen Punkt, den Mittelpunkt, gemeinsam haben, sonst aber
in allen möglichen Richtungen des Raumes liegen können. Der Kör-
per besteht hier stets aus mehreren, mindestens aus vier congruenten
oder doch nahezu congruenten, seltener bloss ähnlichen Theilstücken.

Nach diesen fundamentalen und sehr wichtigen Unterschieden in
den Beziehungen aller Körpertheile zu einer gemeinsamen Mitte zer-
fallen also die sämmtlichen Centromorphen oder Axonien in die drei
principalen Formengruppen der Centrostigmen, Centraxonien und
Centrepipeden (Zeugiten). Wenn wir nun die weiteren Unterschiede
der zahlreichen Grundformen, die hierher gehören, richtig erkennen
und würdigen wollen, so müssen wir zunächst die Eigenschaften der
Axen ihres Körpers und demnächst der Pole dieser Axen näher be-
stimmen. In dieser Beziehung lassen sich nun sämmtliche Axonien
oder Centromorphen in zwei Hauptgruppen vertheilen, in Gleichaxige
(Homaxonia)
und in Ungleichaxige (Heteraxonia). Bei den
ersteren sind alle Axen, die sich durch die Mitte des Körpers legen
lassen, absolut gleich, bei den letzteren dagegen ungleich. Die Zahl
der gleichen Axen, die durch die Mitte gelegt werden können, ist
zugleich bei ersteren unendlich gross, bei letzteren beschränkt. Die
Homaxonform kann nur eine einzige sein, die Kugel, während die
Heteraxonform äusserst mannichfaltig differenzirt ist. Die Homaxonien
und die Heteraxonien, als die beiden ursprünglichsten und allgemein-
sten Formarten der organisirten centromorphen Materie, entsprechen
zugleich den beiden ursprünglichsten und allgemeinsten Gestaltungs-
weisen, in welchen der nicht organisirte geformte Stoff im flüssigen
und im festen Aggregatzustande auftreten kann, der Kugel und dem
Krystall. Die Kugelform, welche das Anorgan im tropfbar flüssigen
Aggregatzustande und im vollkommenen Gleichgewicht als Tropfen
zeigt, ist dieselbe, welche der homaxonie Organismus insbesondere
auf der ersten Formstufe als festflüssige Plastide so oft annimmt.
Die Heteraxonform der Organismen lässt sich stets auf gewisse ein-
fache geometrische Grundformen zurückführen, welche den Krystall-
formen der festen Mineralien entsprechen und zum Theil sogar mit
diesen identisch sind.

Erste Unterklasse der Axonien oder Centromorphen.
Gleichaxige. Homaxonia.
Stereometrische Grundform: Kugel.
Realer Typus: Sphaerozoum (oder Volvox).

Die Eigenschaften der Kugel, welche die einzig mögliche Hom-
axonform und zugleich der einzige absolut reguläre Körper ist, sind

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[404/0443] System der organischen Grundformen. zwei und zwei congruent sind. Bei den Centrostigmen endlich sind mehrere, mindestens drei Halbirungsebenen vorhanden, welche alle nur einen Punkt, den Mittelpunkt, gemeinsam haben, sonst aber in allen möglichen Richtungen des Raumes liegen können. Der Kör- per besteht hier stets aus mehreren, mindestens aus vier congruenten oder doch nahezu congruenten, seltener bloss ähnlichen Theilstücken. Nach diesen fundamentalen und sehr wichtigen Unterschieden in den Beziehungen aller Körpertheile zu einer gemeinsamen Mitte zer- fallen also die sämmtlichen Centromorphen oder Axonien in die drei principalen Formengruppen der Centrostigmen, Centraxonien und Centrepipeden (Zeugiten). Wenn wir nun die weiteren Unterschiede der zahlreichen Grundformen, die hierher gehören, richtig erkennen und würdigen wollen, so müssen wir zunächst die Eigenschaften der Axen ihres Körpers und demnächst der Pole dieser Axen näher be- stimmen. In dieser Beziehung lassen sich nun sämmtliche Axonien oder Centromorphen in zwei Hauptgruppen vertheilen, in Gleichaxige (Homaxonia) und in Ungleichaxige (Heteraxonia). Bei den ersteren sind alle Axen, die sich durch die Mitte des Körpers legen lassen, absolut gleich, bei den letzteren dagegen ungleich. Die Zahl der gleichen Axen, die durch die Mitte gelegt werden können, ist zugleich bei ersteren unendlich gross, bei letzteren beschränkt. Die Homaxonform kann nur eine einzige sein, die Kugel, während die Heteraxonform äusserst mannichfaltig differenzirt ist. Die Homaxonien und die Heteraxonien, als die beiden ursprünglichsten und allgemein- sten Formarten der organisirten centromorphen Materie, entsprechen zugleich den beiden ursprünglichsten und allgemeinsten Gestaltungs- weisen, in welchen der nicht organisirte geformte Stoff im flüssigen und im festen Aggregatzustande auftreten kann, der Kugel und dem Krystall. Die Kugelform, welche das Anorgan im tropfbar flüssigen Aggregatzustande und im vollkommenen Gleichgewicht als Tropfen zeigt, ist dieselbe, welche der homaxonie Organismus insbesondere auf der ersten Formstufe als festflüssige Plastide so oft annimmt. Die Heteraxonform der Organismen lässt sich stets auf gewisse ein- fache geometrische Grundformen zurückführen, welche den Krystall- formen der festen Mineralien entsprechen und zum Theil sogar mit diesen identisch sind. Erste Unterklasse der Axonien oder Centromorphen. Gleichaxige. Homaxonia. Stereometrische Grundform: Kugel. Realer Typus: Sphaerozoum (oder Volvox). Die Eigenschaften der Kugel, welche die einzig mögliche Hom- axonform und zugleich der einzige absolut reguläre Körper ist, sind

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/443>, abgerufen am 23.11.2024.