Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.Tectologische Thesen. 41. So lange das Bion sich auf einer morphologischen Individua- litätsstufe befindet, welche niedriger ist, als diejenige, welche es später als actuelles Bion erreicht, muss dasselbe entweder als virtu- elles oder als partielles bezeichnet werden. 42. Als virtuelles oder potentielles Bion muss das physiologische Individuum unterschieden werden, wenn dasselbe die Fähigkeit be- sitzt, sich zu der höheren morphologischen Individualitätsstufe zu ent- wickeln, welche dem actuellen Bion seiner Species eigenthümlich ist. 43. Als partielles oder scheinbares Bion dagegen muss das phy- siologische Individuum angesehen werden, wenn es zwar die Fähigkeit besitzt, als selbstständige Lebenseinheit längere oder kürzere Zeit zu existiren, nicht aber sich zu der morphologischen Individualitätsstufe zu entwickeln, welche dem actuellen Bion seiner Species eigenthüm- lich ist. 44. Sowohl die actuellen, als die virtuellen, als die partiellen Bionten können als materielles Substrat jede der sechs morphologischen Individualitäts-Ordnungen haben. 45. Alle physiologischen Individuen, gleichviel welche morpholo- gische Individualitäts-Ordnung ihr materielles Substrat bildet, sind in allen ihren Leistungen und Form-Verhältnissen auf die morphologischen Individuen erster Ordnung, die Plastiden (Cytoden und Zellen) als "Elementar-Organismen" zurückzuführen, da jedes Bion entweder selbst eine einfache Plastide (Monoplastis) oder ein Aggregat (Synusie, Colonie, Complex) von mehreren Plastiden ist (Polyplastis). 46. Sämmtliche physiologische und morphologische Eigenschaften eines jeden polyplastiden Organismus erscheinen mithin als das noth- wendige Gesammtresultat aus den physiologischen und morphologischen Eigenschaften aller Plastiden, welche denselben zusammensetzen. VI. Thesen von der tectologischen Differenzirung und Centralisation. 47. Die Structur oder der Bau (die innere Form) der Organismen ist das Verhältniss der einzelnen constituirenden Bestandtheile der Organismen zu einander und zum Ganzen. 48. Bei den monoplastiden Organismen, welche als actuelle Bion- ten stets auf der ersten morphologischen Individualitätsstufe stehen bleiben, ist demnach die Structur durch das Verhältniss der (activen) constituirenden Plasma-Moleküle und der von ihnen producirten ande- ren (passiven) Stoff-Moleküle zu einander und zum Ganzen bestimmt. 49. Bei den polyplastiden Organismen hingegen, welche als actuelle Bionten die zweite oder eine noch höhere morphologische Individualitätsstufe erreichen, ist die Structur durch das Verhältniss bestimmt, welches die constituirenden morphologischen Individuen von Tectologische Thesen. 41. So lange das Bion sich auf einer morphologischen Individua- litätsstufe befindet, welche niedriger ist, als diejenige, welche es später als actuelles Bion erreicht, muss dasselbe entweder als virtu- elles oder als partielles bezeichnet werden. 42. Als virtuelles oder potentielles Bion muss das physiologische Individuum unterschieden werden, wenn dasselbe die Fähigkeit be- sitzt, sich zu der höheren morphologischen Individualitätsstufe zu ent- wickeln, welche dem actuellen Bion seiner Species eigenthümlich ist. 43. Als partielles oder scheinbares Bion dagegen muss das phy- siologische Individuum angesehen werden, wenn es zwar die Fähigkeit besitzt, als selbstständige Lebenseinheit längere oder kürzere Zeit zu existiren, nicht aber sich zu der morphologischen Individualitätsstufe zu entwickeln, welche dem actuellen Bion seiner Species eigenthüm- lich ist. 44. Sowohl die actuellen, als die virtuellen, als die partiellen Bionten können als materielles Substrat jede der sechs morphologischen Individualitäts-Ordnungen haben. 45. Alle physiologischen Individuen, gleichviel welche morpholo- gische Individualitäts-Ordnung ihr materielles Substrat bildet, sind in allen ihren Leistungen und Form-Verhältnissen auf die morphologischen Individuen erster Ordnung, die Plastiden (Cytoden und Zellen) als „Elementar-Organismen“ zurückzuführen, da jedes Bion entweder selbst eine einfache Plastide (Monoplastis) oder ein Aggregat (Synusie, Colonie, Complex) von mehreren Plastiden ist (Polyplastis). 46. Sämmtliche physiologische und morphologische Eigenschaften eines jeden polyplastiden Organismus erscheinen mithin als das noth- wendige Gesammtresultat aus den physiologischen und morphologischen Eigenschaften aller Plastiden, welche denselben zusammensetzen. VI. Thesen von der tectologischen Differenzirung und Centralisation. 47. Die Structur oder der Bau (die innere Form) der Organismen ist das Verhältniss der einzelnen constituirenden Bestandtheile der Organismen zu einander und zum Ganzen. 48. Bei den monoplastiden Organismen, welche als actuelle Bion- ten stets auf der ersten morphologischen Individualitätsstufe stehen bleiben, ist demnach die Structur durch das Verhältniss der (activen) constituirenden Plasma-Moleküle und der von ihnen producirten ande- ren (passiven) Stoff-Moleküle zu einander und zum Ganzen bestimmt. 49. Bei den polyplastiden Organismen hingegen, welche als actuelle Bionten die zweite oder eine noch höhere morphologische Individualitätsstufe erreichen, ist die Structur durch das Verhältniss bestimmt, welches die constituirenden morphologischen Individuen von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0409" n="370"/> <fw place="top" type="header">Tectologische Thesen.</fw><lb/> <list> <item>41. 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Tectologische Thesen.
41. So lange das Bion sich auf einer morphologischen Individua-
litätsstufe befindet, welche niedriger ist, als diejenige, welche es
später als actuelles Bion erreicht, muss dasselbe entweder als virtu-
elles oder als partielles bezeichnet werden.
42. Als virtuelles oder potentielles Bion muss das physiologische
Individuum unterschieden werden, wenn dasselbe die Fähigkeit be-
sitzt, sich zu der höheren morphologischen Individualitätsstufe zu ent-
wickeln, welche dem actuellen Bion seiner Species eigenthümlich ist.
43. Als partielles oder scheinbares Bion dagegen muss das phy-
siologische Individuum angesehen werden, wenn es zwar die Fähigkeit
besitzt, als selbstständige Lebenseinheit längere oder kürzere Zeit zu
existiren, nicht aber sich zu der morphologischen Individualitätsstufe
zu entwickeln, welche dem actuellen Bion seiner Species eigenthüm-
lich ist.
44. Sowohl die actuellen, als die virtuellen, als die partiellen
Bionten können als materielles Substrat jede der sechs morphologischen
Individualitäts-Ordnungen haben.
45. Alle physiologischen Individuen, gleichviel welche morpholo-
gische Individualitäts-Ordnung ihr materielles Substrat bildet, sind in
allen ihren Leistungen und Form-Verhältnissen auf die morphologischen
Individuen erster Ordnung, die Plastiden (Cytoden und Zellen) als
„Elementar-Organismen“ zurückzuführen, da jedes Bion entweder
selbst eine einfache Plastide (Monoplastis) oder ein Aggregat (Synusie,
Colonie, Complex) von mehreren Plastiden ist (Polyplastis).
46. Sämmtliche physiologische und morphologische Eigenschaften
eines jeden polyplastiden Organismus erscheinen mithin als das noth-
wendige Gesammtresultat aus den physiologischen und morphologischen
Eigenschaften aller Plastiden, welche denselben zusammensetzen.
VI. Thesen von der tectologischen Differenzirung und Centralisation.
47. Die Structur oder der Bau (die innere Form) der Organismen
ist das Verhältniss der einzelnen constituirenden Bestandtheile der
Organismen zu einander und zum Ganzen.
48. Bei den monoplastiden Organismen, welche als actuelle Bion-
ten stets auf der ersten morphologischen Individualitätsstufe stehen
bleiben, ist demnach die Structur durch das Verhältniss der (activen)
constituirenden Plasma-Moleküle und der von ihnen producirten ande-
ren (passiven) Stoff-Moleküle zu einander und zum Ganzen bestimmt.
49. Bei den polyplastiden Organismen hingegen, welche als
actuelle Bionten die zweite oder eine noch höhere morphologische
Individualitätsstufe erreichen, ist die Structur durch das Verhältniss
bestimmt, welches die constituirenden morphologischen Individuen von
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